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Beständeübersicht

Bestand

20603 Stadt Döbeln (Stadtgericht)

Datierung1631 - 1854
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)4,50
Der alte Burgward Doblin [01] erscheint namentlich bereits 981, als dieses "castellum" durch kaiserliche Urkunde dem Kloster Memleben zu Lehen gegeben wurde. [02] Die Stadtgründung vermutet man allerdings erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. [03] Schon im Mittelalter schützten die Einwohner ihre Stadt durch eine teilweise doppelte eineinhalb Kilometer lange Mauer mit Zwinger und Türmen. [04] Döbeln mit seinem verkehrstechnisch wichtigen Muldenübergang war in der Vergangenheit besonders für reisende Kaufleute eine bekannte Stadt, in der sie auf ihrem Weg zwischen Rochlitz und Meißen oder Dresden und Grimma Zoll zu entrichten hatten. [05] Aufgrund der geografischen Lage entwickelten sich Handwerk und Handel und eine Stadtverwaltung, die auf das Wohl der Bürger achtete. Der Rat kaufte schon 1460 das Zollrecht in Döbeln und dem nahegelegenen Roßwein als Einnahmequelle für die Kommune. [06]

Die städtische Verwaltung, wozu auch die Gerichtsbarkeit gehörte, lag in den Händen des Rates. Döbeln war schriftsässig, [07] erhielt also seine Schriftstücke direkt aus der Kanzlei des Hofes in Dresden. Während dem Döbelner Rat die höhere Gerichtsbarkeit seit 1423 durch kurfürstliche Verpfändung zustand, [08] gibt es über die niedere Gerichtsbarkeit unterschiedliche Aussagen. Nach dem Deutschen Städtebuch von Erich Keyser "übte der Rat wahrscheinlich schon seit Gründung der Stadt" die niedere Gerichtsbarkeit aus. [09] Dagegen heißt es in der Chronik von Carl Wilhelm Hingst: "Bis zum Jahre 1423 gehörten auch die Ober- und Untergerichte über die Stadt Döbeln dem Landesherrn und wurden durch den jedesmaligen Amtsvoigt mit verwaltet, der daher auch bei den Verhandlungen des Stadtgerichts den Vorsitz führte." [10] Zahl und Zusammensetzung der Ratsmitglieder wechselten im Laufe der Zeiten; für die Jahre 1415 und auch noch für 1720 sind 12 Ratsmitglieder belegt, wobei sich in dreijährigem Turnus der Bürgermeister, der Richter und jeweils zwei Ratsleute gegenseitig ablösten. [11] Die Reformen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den deutschen Ländern führten in Döbeln, wo durch die günstige Verkehrslage neue Nachrichten, so auch französisches Gedankengut verhältnismäßig schnell eintrafen, 1830 zur Wahl von "Kommunrepräsentanten" und seit 1833 (bis 1870) außerdem zur Bildung eines Bürgerausschusses [12] - Einrichtungen, deren Meinung vom Rat bei seinen Entscheidungen berücksichtigt werden mussten.

Die für ganz Sachsen 1832 in Kraft getretene allgemeine Städteordnung, [13] nach der Verwaltung und städtische Gerichtsbarkeit getrennt werden sollten, zeigte in Döbeln erst Anfang 1833 Wirkung. Die Akte "Einführung des Stadtgerichts in Döbeln" (1833ff.) [14] dokumentiert das seinerzeit für den Rat aktuelle Problem der Kompetenzabgrenzung: Außer der Tatsache, dass der einzige Jurist, der bisherige Stadtschreiber (und Gerichtsschreiber), künftig als Richter des Stadtgerichts dem Rat bei komplizierten Rechtsfragen nicht mehr zur Verfügung stand, es sei denn, man dürfte ihn rufen, mussten Regelungen für die getrennte Archivierung mit ihren Folgen hinsichtlich der Aktenbenutzung gefunden werden, waren die technischen Voraussetzungen für die fortan unterschiedliche Siegelung der Urkunden zu schaffen, war die Beschäftigung neuer Arbeitskräfte und die haushaltstechnische Bewältigung der Neuerungen zu klären. Am 3.3.1833 wurde ein eigenes Stadtgericht einrichtet. Es existierte bis 1851. Am 1. Januar 1852 ging die städtische Gerichtsbarkeit an den Staat, d. h. an das Königliche Gericht in Döbeln über, [15] und der bisherige Stadtrichter August Ferdinand Fleck, der 1833 bei Amtsantritt 500 Taler Kaution in Form einer Hypothek hinterlegen musste, die zwei Jahre nach seinem Amtsaustritt erlöschen sollte, bat 1856 den Stadtrat um Löschung dieser Schuld im Grund- und Hypothekenbuch. [16]

Außer dieser Akte über die Einrichtung des Stadtgerichts enthält der 124 Einheiten umfassende Bestand, der sich über einen Zeitraum von 1631 bis 1851 erstreckt, u. a. auch Vorgänge der freiwilligen und der Zivilgerichtsbarkeit [17] und aus dem Bereich des Strafrechts Akten über politische Ermittlungen aus den Jahren 1848 und 1849.

Der Weg der Akten verlief vom Königlichen Gericht über das Gerichtsamt Döbeln (1856) an das Amtsgericht Döbeln (1879). Nach 1945 gelangten sie in das Dresdner Hauptstaatsarchiv bzw. Landeshauptarchiv und wurden nach Gründung des Landesarchivs Leipzig ab 1956 als Abgabegemeinschaft mit der Bezeichnung "Amtsgericht Döbeln" hierher gebracht. [18] Im Staatsarchiv Leipzig wurde dieser Mischbestand nach Provenienzen getrennt, wobei u. a. der Bestand "Stadtgericht Döbeln" gebildet wurde, dessen Verzeichnung aber erst 1997 im Rahmen der Bearbeitung der gesamten Bestandsgruppe erfolgte. Die Bestandsbezeichnung ist aufgrund der noch nicht vollzogenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung und der vorliegenden Provenienzstellen Rat und Stadtgericht (StG) in "Stadt Döbeln" geändert worden.

Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows verzeichnet, mit dem auch das Register erstellt wurde. Alte Signaturen wurden aufgenommen, hinzu kam eine ordnungsabhängige Signatur für den Bestand "Stadt Döbeln", der später erweitert wurde durch die Akten ab Signaturnummer 120. Bei Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, Stadt Döbeln, Nr. (fettgedruckte Ziffer).

Dietlind Gentsch
Oktober 1997, März 1999


[01] Vgl. Deutsches Städtebuch. Hrsg. Erich Keyser. Bd. 2. Stuttgart, Berlin 1841, S. 45. - Vgl. auch Eichler, E. und H. Walther, Die Ortsnamen im Gau Daleminze. In: Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. Hrsg. Theodor Frings und Rudolf Fischer. Nr. 20. Berlin 1966, S. 61.
[02] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 46.
[03] Vgl. ebenda, S. 45.
[04] Vgl. Schumann, August, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungs-Lexikon von Sachsen. Bd. 5. Zwickau 1818, S. 716.
[05] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 45.
[06] Vgl. ebenda, S. 45.
[07] Vgl. ebenda, S. 46.
[08] Vgl. ebenda, S. 46.
[09] Vgl. ebenda, S. 46.
[10] Fortsetzung des Zitats: "Im genannten Jahre aber überließ Friedrich der Streitbare, als er bei Erwerbung der Kurlande und der Kurwürde einer bedeutenden Geldsumme benöthigt war, dem Rathe zu Döbeln, der bis dahin nur theilweise die Erbgerichte auszuüben berechtigt gewesen, all’ sein Gericht in der Stadt und deren Weichbilde für 660 Rfl. wiederkäufliche Hauptsumma." Hingst, Carl Wilhelm, Chronik von Döbeln und Umgegend. Döbeln 1872, S. 29.
[11] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 46.
[12] Vgl. ebenda, S. 46.
[13] Vgl. Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Hrsg. Wilhelm Michael Schaffrath. Bd 2. Leipzig 1842, S. 391ff.
[14] StAL, Stadt Döbeln Nr. 1.
[15] Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte. 1815 bis 1845. Hrsg. Thomas Klein. Bd. 14. Marburg 1982, S. 155. - Vgl. auch StAL, Stadt Döbeln Nr. 1, letzte Seite.
[16] Vgl. ebenda S. 118 und letzte Seite.
[17] Vgl. hierzu auch StAL, Stadt Döbeln Nr. 99, S. 2: "Nach den der Königlichen Commission für Einrichtung der Grund- und Hypothekenbücher vorliegenden statistischen Nachrichten steht dem Stadtgericht zu Döbeln die freiwillige Gerichtsbarkeit über die Grundstücke in der Stadt Döbeln, Masten, Neugreusig und Neumannsdorf allein, dagegen in Kleinbauchlitz, Knobelsdorf, Prüfen und Sörmitz theilweise zu....Dresden, am 26. März 1844."
[18] Vgl. Verwaltungsarchiv Nr. 187 (Zugangsbuch).
Gerichtsverwaltung.- Gerichtsbücher.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Kirchen- und Schulangelegenheiten.- Ablösungen.- Lehnsangelegenheiten.
In der schriftsässigen Stadt Döbeln im Territorium des Amts Leisnig lag die städtische Verwaltung, die auch die Gerichtsbarkeit einschloss, in den Händen des Rats. Durch kurfürstliche Verpfändung übte der Döbelner Stadtrat seit 1423 die Ober- und Erbgerichtsbarkeit aus. Am 3. März 1833 wurde ein gesondertes Stadtgericht eröffnet, das bis Ende 1851 existierte. Nach Abtretung an den Staat ging die städtische Gerichtsbarkeit auf das am 7. Januar 1852 gegründete Königliche Gericht Döbeln über.
  • 1997 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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