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Beständeübersicht

Bestand

20695 Flügel & Polter KG, Gummiwarenfabrik, Leipzig

Datierung1882 - 1950
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)5,46
Geschichte der Flügel & Polter KG Gummiwarenfabriken

Das Unternehmen geht zurück auf den 1879 gegründeten Betrieb zur Gummiwarenherstellung "Richard Flügel" in der Hainstraße in Leipzig, in den 1882 Hans Polter als Mitinhaber eintrat und der deshalb dann "Richard Flügel & Co" hieß. Seit 1884 firmierte das Unternehmen als "Flügel & Polter" mit neuem Sitz in Plagwitz (Eingemeindung nach Leipzig 1891, seit 1893 durch Straßenumbenennung Firmensitz in der Jahnstraße 81/83) und Zweigniederlassung in Berlin. Im Dezember 1933 kam es, um einen Konkurs abzuwenden, zu einem gerichtlichen Vergleichsverfahren mit den Gläubigern. Zum 10. April 1934 wurde die Kommanditgesellschaft durch Beschluss der Gesellschafter aufgelöst und ihr Anlagevermögen (Grundstück, Gebäude und Maschinen) liquidiert. Nach Abschluss der Liquidation 1943 erfolgte die Löschung der Firma "Flügel & Polter" im Handelsregister.[01]
Zur Fortführung der Produktion wurde 1933 eine Auffanggesellschaft in Form einer GmbH gebildet (Firmenneugründung), die 1933 – 1936 als "Flügel & Polter GmbH, Gummiwarenfabrik" firmierte.[02] Der Rechtsanwalt Dr. jur. Fritz Ries, geb. am 4.2.1907 in Saarbrücken, erwarb durch Kaufvertrag vom 14. Juli 1934 das Unternehmen aus den Händen des Liquidators: die Anteile der GmbH und sämtliche Anlagewerte (Grundstück, Gebäude, Maschinen). Der Betrieb wurde unter der bisherigen Firmierung "Flügel & Polter GmbH, Gummiwarenfabrik" fortgesetzt, die Anlagewerte blieben sein privates Eigentum. Am 19. März 1937 beschloss die Gesellschafterversammlung die Auflösung der GmbH. Fritz Ries führte unter Einbringung der Sachwerte rückwirkend zum 1.1.1937 die Firma zunächst als Einzelkaufmann fort, seit 1938 als Kommanditgesellschaft. Sie firmierte seit 1937 als "Flügel & Polter, Gummiwarenfabrik".[03]
Ries baute den Betrieb zu einem riesigen Konzern aus, wobei ihm die Vermögen seiner Ehefrauen Rita Heinemann aus Rheydt und Dora Abitzsch (2. Ehe 1943) halfen. Außerdem nutzte er die "Arisierung" von jüdischen Unternehmen, um sich solche anzueignen. Nach der Besetzung Polens im Zweiten Weltkrieg übernahm er 1941 die "Oberschlesische Gummi- und Kunstkautschukwerke GmbH" in Trzebinia und 1942 die "Gentleman-Gummiwaren-AG Lodz" (seit 1942 als "Gummiwerke Wartheland AG" in Litzmannstadt Tochterunternehmen von Flügel & Polter, Gummiwarenfabrik). In dem Konzern mussten während des Zweiten Weltkrieges tausende Zwangsarbeiter arbeiten. [04]
1943 kaufte die "Hans Warnecke & Co KG" das Fabrikationsgeschäft in Leipzig mit dem Recht der Firmenfortführung. [05] Ries konzentrierte sich auf die Leitung der neugegründeten Ostunternehmen.
Die "Hans Warnecke & Co KG" in Leipzig war vom 1. Juli 1943 an im Handelsregister eingetragen und führte seitdem die Gummiwarenfabrik Flügel & Polter in der Jahnstraße 81/83 in Leipzig fort. Durch einen Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 17. Mai 1944 erhielt Fritz Ries das Recht, die "Flügel & Polter, Gummiwarenfabrik" im Handelsregister zu löschen und gleichzeitig die "Hans Warnecke & Co KG" umzubenennen in "Flügel & Polter KG, Gummiwarenfabriken".[06] Auf dem Briefkopfbogen des Unternehmens von 1944 heißt es "Flügel & Polter KG, Gummiwarenfabriken in Leipzig, Berlin, München, Schalkau i. Thür. und Pausa i. Vogtl."[07]
Flügel & Polter war ein führender Kondomhersteller, produzierte technische und medizinische Gummiwaren wie OP-Handschuhe und Schläuche aller Art, Baby- und Wassersportartikel, seit etwa 1937 Regenbekleidung. Seit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nahm die Herstellung von Artikeln für die Wehrmacht immer mehr zu: Gummimäntel, Gummistiefel, Schuhe aus Gummi und Kunststoff, Rettungsschwimmwesten und Rettungsbojen für die Luftwaffe und Marine, Rettungsflöße, aufblasbare Moskitonetze.
Das Unternehmen wurde durch Volksentscheid vom 30.6.1946 enteignet und firmierte dann als "Leipziger Gummiwarenfabriken, Zweigbetrieb der Ind. Verw. 28" (Industrieverwaltung Gummi und Asbest). Es wurde 1948 im Handelsregister gelöscht. [08]
Nachfolgebetrieb war der VEB Leipziger Gummiwarenfabrik Leipzig, 1968 in VEB Elguwa Leipzig umbenannt.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Das Staatsarchiv Leipzig hat 1978 den vorliegenden Bestand aus dem Verwaltungsarchiv des VEB Elguwa übernommen. Es wurde zu dieser Zeit bereits als zusammengefasster Bestand gebildet, weil alle überlieferten Firmen Tochterunternehmen waren oder in engem Zusammenhang mit Flügel & Polter oder der Familie Ries standen, und verzeichnet. 2014 konnte die Findkartei retrokonvertiert und in das Archivinformationssystem AUGIAS-Archiv überführt werden. Bei der anschließenden redaktionellen Bearbeitung wurde deutlich, dass die Verzeichnung oft unzutreffend oder unvollständig war, insbesondere Akten über Zwangsarbeiter und die Firmen im besetzten Polen wurden neu verzeichnet. 2019 erfolgte die Fortführung der Überarbeitung, nun vor allem für die Akten des Leipziger Werkes, mit dem Ziel der Online-Stellung der Verzeichnungsangaben.

Überlieferungsschwerpunkte

Die Überlieferung stammt im Wesentlichen aus der NS-Zeit, also aus der Zeit, in der Fritz Ries Eigentümer bzw. Miteigentümer war und spiegelt Vorgehen und Gewinn eines sogenannten "Wehrmachtsbetriebes" im Zweiten Weltkrieg wieder. Aus dieser Zeit stammen auch die im Bestand enthaltenen Unterlagen sämtlicher anderer Firmen. Hervorzuheben sind dabei die beiden Tochterunternehmen, die nach der Besetzung von Polen dort gegründet wurden, die Oberschlesischen Gummiwerke GmbH in Trzebinia und die Gummiwerke Wartheland AG in Litzmannstadt. Aus der alten Firma, die 1933 liquidiert wurde, sind nur wenige Unterlagen erhalten: einige Verträge und Geschäftsbücher, die Jahresbilanzen sowie Schriftverkehr und Urkunden zu den Gebrauchsmustern.

Hinweise für die Benutzung

Zwei Personalakten unterliegen noch einer personenbezogenen Schutzfrist (Nr. 320 bis Ende 2019, Nr. 318 bis 2024). Weitere Personalakten der Provenienz Flügel & Polter KG befinden sich noch im Bestand 20716 VEB Elguwa, Gummiwaren, Leipzig. Erst nach einer Bearbeitung dieses Bestandes kann eine abschließende Bearbeitung des Bestands Flügel & Polter erfolgen.

Verweise auf korrespondierende Bestände

20716 VEB Elguwa, Gummiwaren, Leipzig (72,57 lfm, 1940-1990). Dieser Bestand ist noch nicht verzeichnet, zum Teil mit einem Ablieferungsverzeichnis versehen; enthalten sind mit der Provenienz Flügel & Polter KG aus der Zeit vor 1945 Personalakten, ansonsten Akten aus der Nachkriegszeit.

Dolores Herrmann

April 2019


[01] Handelsregister "Flügel & Polter" HR 4486, seit 1938 HRB 799; beide Registerakten in: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (StA-L), 20124 Amtsgericht Leipzig, HRB 799.
[02] Handelsregister "Flügel & Polter GmbH, Gummiwarenfabrik" HR 27612 in: Ebenda, Nr. 21272 (Registerband, die Akte ist nicht überliefert).
[03] Handelsregister "Flügel & Polter, Gummiwarenfabrik" HR 28790, seit 1938 HR 4279; in: Ebenda, HRA 4279.
[04] Ebenda, 20695 Flügel & Polter KG, Gummiwarenfabriken, Nr. 251 (Erteilte Auskünfte über Fritz Ries und seine Firma für Banken und Auskunfteien, 1942-1944) und Internetseite der Universität Graz http://agso.uni-graz.at/marienthal/biografien/ries_fritz.htm.
[05] StA-L, 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 4279.
[06] Handelsregister "Hans Wernecke & Co KG" HRA 8136, ebenda, HRA 8136. Die "Flügel & Polter KG, Gummiwarenfabriken" blieb unter HRA 8136 eingetragen.
[07] Ebenda, HRA 4279, Bd. 1, Bl. 80.
[08] Eintrag der Firmierung im Handelsregister im Mai 1947, ebenda..
Geschäftsberichte.- Bilanzen.- Kriegsproduktion.- Übernahme von Betrieben in besetzten Gebieten.- Persönliche Unterlagen Fritz Ries.- Lohn und Personal.
Seit 1884 firmierte das Unternehmen als Flügel & Polter mit Sitz in Plagwitz. Es ging zurück auf den 1879 eröffneten Betrieb Richard Flügel in der Hainstraße in Leipzig. 1933 übernahm die neu gegründete Flügel & Polter GmbH, Gummiwarenfabrik in Leipzig, die Geschäfte. Das Vermögen der Gesellschaft ging 1937 auf Dr. Fritz Ries in Leipzig über, der das Geschäft als Flügel & Polter, Gummiwarenfabrik in Leipzig, weiter betrieb. Unter seiner Leitung wuchs das Unternehmen. Die Zweigbetriebe Gummiwarenreparatur GmbH Leipzig, Gummiwaren Export GmbH Leipzig, Miguin Gummiwaren-Gesellschaft mbH Leipzig, Dora Apitzsch KG Leipzig, Gummiwerke Wartheland AG Litzmannstadt, Hevea Gummiwarenfabrik GmbH Finsterwalde, Oberschlesische Gummiwerke GmbH Trzebinia und Vereinigte Gummiwerke Pausa GmbH wurden übernommen. 1938 erfolgte die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft, die seit 1944 als Flügel & Polter KG, Gummiwarenfabriken, firmierte. Das Unternehmen wurde durch Volksentscheid vom 30.6.1946 enteignet, 1948 im Handelsregister gelöscht. Nachfolgebetrieb war der VEB Leipziger Gummiwarenfabrik, 1968 in VEB Elguwa umbenannt.
Es handelt sich um einen zusammengefassten Bestand, bestehend aus Unterlagen der aufgeführten Firmen.
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