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Beständeübersicht

Bestand

33309 Nachlass Georg Manasse

Datierung1893 - 2003
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)0,60

Bestand enthält auch 2 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

1. Georg Manasse – Generaldirektor der Schocken Kommanditgesellschaft auf Aktien. Eine biografische Einführung
Der Publizist Kurt Richard Grossmann (1897-1972), einst Generalsekretär der Deutschen Liga für Menschenrechte, fand treffende Worte, als er Georg Manasse (1893-1980) im Mai 1963 zu dessen 70. Geburtstag gratulierte: "Georg Manasse ist ein Mann, der zu der Gruppe unabhängiger Menschen gehört, die in den vielen Jahrzehnten ihres beruflichen Lebens sich immer verpflichtet gefühlt haben, für die Ideen der Menschlichkeit, des Friedens und des Judentums zu wirken und, wenn notwendig, Opfer zu bringen."[01]
Der Kaufmann Georg Manasse war über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren für den Warenhauskonzern Schocken in Zwickau tätig. Als langjähriger Generaldirektor gehörte er zu den engsten Vertrauten der Brüder Simon und Salman Schocken.
Georg Manasse wurde als Sohn des Geschäftsinhabers Mannheim Manasse in Margonin (Ostpreußen) geboren. In dieser Stadt hatten einige Jahre zuvor auch die Brüder Schocken das Licht der Welt erblickt. Bis 1906 besuchte er eine private Knabenschule in Margonin, danach wechselte er an das Sophien-Gymnasium in der Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Von 1909 bis 1912 absolvierte er eine Ausbildung bei der Firma Leopold Königsberger, einer Weberei und Wirkerei, in Berlin. Im Anschluss begann er eine kaufmännische Tätigkeit, die ihn zuerst nach Bremerhaven führte, wo er Julius Schocken kennen lernte. Von Oktober 1912 bis Ende Januar 1913 war er in dem Kaufhaus Adolf Karseboom in Wismar tätig, einem Anschlussgeschäft der Firma I. Schocken Söhne in Zwickau. Als Simon Schocken zu einem Besuch in Wismar weilte, konnte er sich von den kaufmännischen Fertigkeiten Manasses überzeugen und holte diesen daraufhin als Einkäufer in die Zentrale nach Zwickau. Georg Manasse war in den Folgejahren zunächst Geschäftsführer der Niederlassungen des Schocken-Konzerns in Frankenberg und Cottbus. In dieser Zeit wurde er zu einem der wichtigsten Mitarbeiter der Brüder Schocken, so dass Georg Manasse 1921 in die Hauptverwaltung in Zwickau wechselte. Anlässlich seines 10jährigen Dienstjubiläums erfolgte im November 1922 die Ernennung von Georg Manasse zum "leitenden Direktor der Kommanditgesellschaft". Kurze Zeit später erhielt er die Einzelprokura für das Unternehmen, welche am 4. Juli 1923 auch in das Handelsregister des Amtsgerichts Zwickau eingetragen wurde.
Als Generaldirektor war Georg Manasse fortan maßgeblich an der weiteren erfolgreichen Entwicklung des sächsischen Warenhauskonzerns, dem viertgrößten in Deutschland mit 6500 Angestellten und zuletzt 19 Niederlassungen, beteiligt. Er begleitete bis Anfang der 1930er Jahre auch die Eröffnung weiterer Niederlassungen in Sachsen (u. a. in Crimmitschau und Chemnitz). Viele Innovationen innerhalb des Unternehmens können ihm zugeschrieben werden. Ende 1928 war er zum Vorstandsmitglied der für den Konzern wichtigen "Liga", Aktiengesellschaft für kaufmännische Versicherungen, berufen worden. Im März 1930 wurde er zudem noch Geschäftsführer der Einkaufszentrale I. Schocken Söhne in Zwickau.
Darüber hinaus gründete Georg Manasse im Jahre 1927 das Kaufhaus Manasse in Mühlhausen (Thüringen), das nach dem Vorbild des Schocken-Konzerns aufgebaut worden war.
Als überzeugter Sozialdemokrat und Pazifist trat Georg Manasse in den frühen 1920er Jahren der 1914 gegründeten Deutschen Liga für Menschenrechte bei, der u. a. Carl von Ossietzky, Albert Einstein und Kurt Tucholsky angehörten. Ab 1923 spielte er nachweisbar eine führende Rolle in Sachsen und war zeitweilig deren stellvertretender Bezirksvorsitzender. Er nahm auch an den Generalversammlungen der Liga in Berlin teil und beteiligte sich oftmals wortgewaltig an ihren Generaldebatten. Er knüpfte in dieser Zeit enge Kontakte zu dem Zwickauer Arzt Professor Dr. Karl Eskuchen (1885-1955), mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Zu seinen engsten Freunden gehörten ferner die Geschwister Anna und Hans Siemsen[02] und der Münsteraner Rabbiner Dr. Fritz Leopold Steinthal (1889-1969), der ihn auch später trauen sollte. In Verbindung stand Georg Manasse auch mit dem Redakteur und späteren sächsischen Ministerpräsidenten Max Seydewitz (1892-1987), dem Rabbiner Dr. Leo Baeck (1873-1956), dem Schriftsteller und Maler Joachim Ringelnatz (1883-1934), der Bildhauerin Renée Sintenis (1888-1965) sowie dem Architekten Hermann Münchhausen und dem Kunsthistoriker und Museumsleiter Dr. Hildebrand Gurlitt (1895-1956).
Im Dezember 1927 heiratete Georg Manasse die Kaufmannstochter Annemarie Simon aus Straßburg (Elsass). Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor.
Als Bürger der Stadt Zwickau engagierte sich Georg Manasse aber auch für die Belange der dortigen Juden. So war er als Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinde für Haushalts- und Steuerfragen zuständig. Nach dem unerwarteten Tode von Simon Schocken im Herbst 1929 wurde er 2. Vorsitzender des Gemeindevorstandes, dem ferner noch Salman Schocken als 1. Vorsitzender und Paul Katz als 3. Vorsitzender angehörten. Überliefert ist ebenfalls, dass er - zu einem bislang unbekannten Zeitpunkt - 1. Vorsitzender des Gemeindevorstandes wurde, was entweder mit der längeren Ortsabwesenheit von Salman Schocken oder mit dessen Emigration nach Palästina zusammenhing.
Wenige Wochen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde Georg Manasse Ende März 1933 in Zwickau vorübergehend in "Schutzhaft" genommen. In den Folgemonaten setzt er sich mit Geschick für den weiteren Erhalt des Konzerns ein. Dennoch legte er im Juni 1934 all seine Ämter im Unternehmen und in der jüdischen Gemeinde nieder und verlegte seinen Wohnsitz von Niederhohndorf bei Zwickau nach Berlin. Zuvor hatte er ein "Memorandum" verfasst, welches er an einige ausgewählte Geschäftsführer im Konzern sandte. Zahlreiche Grußschreiben, die er anlässlich seines Ausscheidens aus dem Unternehmen von früheren Geschäftspartnern und Mitarbeitern (u. a. Fritz Jacobsohn in Freiberg) erhielt, zeugen von deren Verbundenheit und großen Dankbarkeit für seine geleistete Arbeit.
Die vormaligen politischen Aktivitäten, sein Bekenntnis zum Judentum und seine äußerst kritische Haltung gegenüber dem NS-Regime, die in der Ablehnung eines Treffens mit dem Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht (1877-1970) gipfelte, machten letztlich für Georg Manasse einen weiteren Verbleib in seinem Geburtsland kaum noch möglich. Im Juli 1935 emigrierte er mit Ehefrau und den noch minderjährigen Kindern nach Stockholm (Schweden), wo er eine Textilwarenfabrik begründete. Im August 1939 wurde ihm und seiner Familie die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Als nunmehr staatenlose Flüchtlinge erhielten sie von den schwedischen Behörden sogenannte Nansen-Pässe, mit denen sie das Land verlassen und auch wieder zurückkehren konnten. Damit wurden sie Schicksalsgefährten von Marc Chagall, Vladimir Nabokow, Igor Strawinski und Anna Pawlowa, die zu den bekanntesten Inhabern dieser Nansen-Pässe gehörten.
Nach der Besetzung Norwegens und Dänemarks durch Hitlers Wehrmacht im April 1940 befürchtete Manasse, dass auch Schweden bald dieses Schicksal ereilen würde. Daher entschlossen sich die Eheleute, den schwedischen Behörden ihre Hilfe anzubieten. Georg Manasse wollte sich den Streitkräften anschließen, seine Ehefrau dem Roten Kreuz. Die Kinder sollten evakuiert werden. Die Behörden konnten oder wollten auf dieses Angebot aber nicht eingehen. Daher bemühte sich Manasse von da an verstärkt um eine Auswanderung nach Übersee.
Gunnar Josephson (1889–1972), der Präsident der damaligen Mosaischen Gemeinde in Stockholm, stellte ihm in diesem Zusammenhang am 24. Mai 1940 folgendes Zeugnis aus: "Es ist mir bekannt, dass Herr Manasse in Deutschland eine außerordentlich geachtete Stellung, insbesondere im wirtschaftlichen Leben, eingenommen hat, und dass sein Name den besten Klang über Deutschlands Grenzen hinaus hatte. Es ist mir [auch – J.N.] bekannt, dass Herr Manasse in 22-jähriger Arbeit den Schocken-Konzern in Deutschland mit aufgebaut hat und lange Zeit hindurch Vorstand und Generaldirektor dieses Unternehmens war."
Die Worte des renommierten schwedischen Buchhändlers zeigen die hohe Wertschätzung, die dieser dem früheren Generaldirektor aus Zwickau entgegenbrachte.
Im Juni 1940 konnten die Eheleute Manasse mit ihren Kindern Schweden verlassen und über Russland zunächst nach Japan reisen. Da Annemarie Manasse und ihre Kinder bereits im Besitz von Visa für die USA waren, konnten sie ohne Unterbrechung ihre Reise in das Bestimmungsland fortsetzen. Hingegen wurde es Georg Manasse erst im Dezember 1940 erlaubt, in die USA einzureisen. Die Familie war endlich wieder vereint und konnte gemeinsam das beliebte Lichterfest feiern.
Bis 1955 war der Unternehmer weiterhin an schwedischen Firmen beteiligt. In den Folgejahren leitete er eine Hemdenfabrik sowie ein Import- und Exportgeschäft in Scarsdale (New York).
Auch im Exil war Georg Manasse nicht nur Unternehmer. So wurde er frühzeitig ein Mitglied und Förderer des Leo Baeck Instituts in New York und verfolgte dessen Publikationsvorhaben aufmerksam. Bis zu seinem Lebensende interessierte er sich für Fragen des "Weltgeschehens" und suchte den Kontakt zu dessen Protagonisten. So wandte er sich im Juni 1951 mit einem Schreiben an Ludwig Erhard (1897-1977), dem damaligen Bundesminister für Wirtschaft. Bereits 1947 war er für Besuche in das noch zerstörte Nachkriegsdeutschland zurückgekehrt und besichtigte unter anderem die Stadt Stuttgart und das dortige frühere Kaufhaus Schocken (nunmehr Merkur).
In den Nachkriegsjahren lernte Manasse in den USA u. a. den Propst Dr. Heinrich Grüber (1891-1975) kennen, der sich mit seinem Ende der 1930er Jahre in Berlin gegründeten Büro für die Belange der Christen jüdischer Herkunft ("Hilfsstelle für nichtarische Christen") eingesetzt hatte. Auch mit diesem verdienstvollen Mann und Gegner des NS-Regimes stand er längere Zeit in Verbindung.
Der eingangs erwähnte Kurt Richard Grossmann, der mit Georg Manasse seit Ende der 1920er Jahre eng befreundet war, hob weiterhin dessen "unerschöpflichen Durst nach dem gedruckten Wort" hervor und betonte, dass es "oft einem Freunde passieren [kann], dass er von ihm, gleichzeitig ob hier oder in Europa ein Exposé mit Vorschlägen für eine von ihm als notwendig erachtete Aktion erhält"[03].
George (statt Georg) Manasse, wie er sich im US-amerikanischen Exil nannte, starb nach langer, schwerer Krankheit am 28. Dezember 1980 in Scarsdale. Seine letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Mount Pleasant Friedhof in Hawthorne (New York).
Renata Manasse Schwebel veröffentlichte im Jahre 2003 im Eigenverlag ein beeindruckendes Buch, das u. a. ihre Erinnerungen an den Vater sowie zahlreiche Familienfotos und Stammbäume ihrer Vorfahren enthält.


2. Bestandsgeschichte
Die Unterlagen aus dem Nachlass von Georg Manasse wurden dem Staatsarchiv Chemnitz von Renata Manasse Schwebel (USA), der Tochter von Georg Manasse, zwischen 2008 und 2011 als Schenkung übergeben. Dem war eine Initiative von ihr und Eva Weil Freudenheim (Uruguay), einer Nichte von Georg Manasse, vorausgegangen, die sich im Frühjahr 2006 an das Staatsarchiv gewandt hatten. Die Nachkommen wiesen damals auf die regional- und firmengeschichtliche Bedeutung des Nachlasses hin und boten ihn daher dem Staatsarchiv Chemnitz als Schenkung an.
Nach Klärung der damit verbundenen Fragen erhielt das Staatsarchiv im Oktober 2008 einen ersten Teil des Nachlasses. Im Juli 2009 wurde während eines Besuches der Nachlassverwalter in Chemnitz ein weiterer Teil vor Ort überreicht. Damals übergab Renata Manasse Schwebel dem Archiv auch eine Publikation, die sie im Eigenverlag über ihre Familie verfasst hatte. Das Buch befindet sich im Bestand der Bibliothek des Staatsarchivs. Im März 2011 erfolgte schließlich die vorläufig letzte Übergabe von Unterlagen. Ein Teil des Nachlasses, der vor allem private Unterlagen und Fotografien umfasst, befindet sich weiterhin im Besitz von Renata Manasse Schwebel.
Bei den dem Staatsarchiv übergebenen Unterlagen handelt es sich vor allem um geschäftliche Dokumente und Schriftstücke des Nachlasses von Georg Manasse. Es lassen sich keinerlei Aussagen treffen, welche Unterlagen im Einzelnen zu dem Nachlass gehören. Als der frühere Generaldirektor der Schocken Aktiengesellschaft im Juni 1935 ins Exil ging, nahm er in größerem Umfange Schriftgut mit, das aus der Provenienz des Zwickauer Warenhauskonzerns stammte. Überlieferte Geschäftsberichte, Bilanzen, Statistiken und Fotografien zeugen davon. Einige Unterlagen entstanden zudem im Kaufhaus Manasse in Mühlhausen. Zum Nachlass gehören ferner Teile der privat bzw. geschäftlich geführten Korrespondenz und ein Verzeichnis seiner Privatbibliothek. Da Manasse ein Sammler von Materialien zum Weltgeschehen war, gehören auch solche Unterlagen zum Nachlass. Ein Teil des Schriftguts entstand in den 1950er und frühen 1960er Jahren im Rahmen der Restitutionsanträge des Nachlassers.
In dieser Zeit begann Manasse damit, seine ins Exil geretteten Unterlagen in Sammelmappen zusammenzufassen. Die damals lose entstandenen Mappen enthielten zumeist handschriftliche Vermerke zum Inhalt. Dies stand im Zusammenhang mit seinen Vorarbeiten für eine Autobiografie. Darüber hinaus plante er auch ein Buch über Wirtschaftsfragen. Aus diesem Grund fertigte er zahlreiche Notizen an und fügte diese den Mappen bei. In diesem Zusammenhang entstanden auch zahlreiche Kopien durch Georg Manasse und seine Nachkommen. (Bereits zuvor waren im Rahmen der Restitution von zahlreichen Dokumenten notariell beglaubigte Abschriften angefertigt worden.) Die Arbeiten an beiden Projekten blieben jedoch unvollendet.
Wenige Jahre nach dem Tod von Georg Manasse wandten sich Tochter und Nichte, die vorgenannten Nachlassverwalter, an verschiedene Einrichtungen in den Vereinigten Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Damit verbunden waren Übergaben ausgewählter Unterlagen an das Leo Baeck Institut in New York, das Archiv der deutschen Sozialdemokratie und das Archiv des Jüdischen Museums Berlin bis zum Jahre 2008.
Bei der Übergabe des Nachlasses an das Staatsarchiv Chemnitz konnte kein ursprünglicher Entstehungs- und Sammlungszustand festgestellt werden. Eine systematische Ordnung der Unterlagen ließ sich ebenfalls nicht ermitteln. Eine erste archivische Bearbeitung erfolgte in Form einer provisorischen Neusignierung des ersten Teiles der Schenkung im Oktober 2008. Diese Unterlagen wurden zunächst in den Bestand 31451 "Schocken-Konzern & Nachfolger" eingefügt. Ausgehend von den Angaben des 3 Seiten umfassenden Übergabeprotokolls entstanden die vorläufigen Aktentitel. Im Rahmen der Erschließung des Nachlasses von Georg Manasse wurden diese Akteneinheiten wieder aus dem Bestand "Schocken-Konzern & Nachfolger" herausgelöst, neu verzeichnet und dem Bestand "Nachlass Georg Manasse" zugeordnet. Die innere Ordnung der Unterlagen beider Abgaben wurde im Wesentlichen beibehalten. Eine Ausnahme bildete lediglich die überlieferte Korrespondenz des Nachlassers, die nach den Adressaten aufgegliedert und erfasst wurde.
Als Gesamtlaufzeit der Akten des Bestandes konnten nach der Verzeichnung die Jahre 1893 – 2003 ermittelt werden.
Während der Erschließung wurden nur unwesentliche Kassationen vorgenommen, wobei es sich um leere Mappen und Hüllen handelte.
Der Bestand "Nachlass Georg Manasse" wurde nach der Bearbeitung neu vermessen und umfasst nun 0,60 lfm.


3. Bestandsanalyse
Der Bestand "Nachlass Georg Manasse" enthält neben wertvollen Unterlagen zum Lebenswerk des langjährigen Generaldirektors der Schocken Kommanditgesellschaft auf Aktien auch eine Vielzahl von Unterlagen zum Wirken des jüdischen Warenhauskonzerns in Sachsen. In diesem Sinne ist er eine Ergänzung des Bestandes "Schocken-Konzern & Nachfolger", andererseits enthält er aber auch Unterlagen, die in diesem Bestand bereits vorhanden sind.
Der Bestand enthält aber auch einige interessante Unterlagen zum Leben der Brüder Julius, Simon und Salman Schocken. So wird hier die "Simon Schocken Klinik Stiftung, Berlin" erwähnt, mit deren Hilfe Dr. Toni Becker in die Lage versetzt werden sollte, eine Privatklinik zu eröffnen. Die junge Berliner Kinderärztin war die Lebensgefährtin des verwitweten Simon Schocken.
Der Bestand enthält auch aufschlussreiche Referate und Ansprachen von Georg Manasse, der Brüdern Schocken und Erich Mendelsohn, die u. a. anlässlich der Eröffnung weiterer Niederlassungen (u. a. in Crimmitschau, Waldenburg/Schlesien und Chemnitz) gehalten wurden.
Die in dem Bestand vorhandenen persönlichen Dokumente der Familie Manasse vermitteln einen Einblick in die Lage der deutschen Juden nach der nationalsozialistischen Machergreifung in Deutschland. Sie zeigen aber auch das oftmals beschwerliche Leben im Exil.
Von kulturhistorischem Interesse ist auch der Kampf von Georg Manasse um die Rückgabe der "Spiro´sche Büchersammlung", die wertvolle Bücher aus dem Besitz der Familie seiner Mutter enthielt. Ein Verwandter hatte die Bücher aus dem Besitz von David Spiro (einem Nachkommen von Jakob Kahana Spiro, Rabbiner zu Neustadt) in den 1920er Jahren unrechtmäßig an das Rabbiner-Seminar in Breslau veräußert. Von eben solchem Interesse ist das detaillierte Verzeichnis der Privatbibliothek von Manasse.
Insgesamt bietet der Bestand einen Überblick zum Leben und Wirken von Georg Manasse. Insbesondere seine vielfältigen Kontakte zu Personen der Kultur- und Zeitgeschichte sind von großem Interesse für die biografische Forschung. So enthält der Bestand eine Bildpostkarte mit einem Gedicht, das der Schriftsteller Joachim Ringelnatz wenige Monate vor seinem Tode dem "Freund Manasse" gewidmet hatte.


4. Quellen und Literatur
4.1. Quellen
• Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz, 33309, Nachlass Georg Manasse, Nr. 17, Nr. 55, Nr. 77, Nr. 90, Nr. 96, Nr. 97, Nr. 98.
• Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz. 31451, Schocken-Konzern & Nachfolger, Nr. 11, Nr. 270.


4.2. Literaturverzeichnis
• David, Anthony: The patron. A life of Salman Schocken, 1877-1959, New York, Metropolitan Book, Hold, 2003.

• Diamant, Alfred: Zur Chronik der Juden in Zwickau. Dem Gedenken einer kleinen jüdischen Gemeinde in Sachsen. Frankfurt/M., Eigenverlag, 1971.

• Düsing, Michael: Das Freiberger Kaufhaus Schocken. Eine Spurensuche, hrsg. v. Universitätsstadt Freiberg, Die Oberbürgermeisterin, Freiberg 2007.

• Fuchs, Konrad: Ein Konzern in Sachsen. Das Kaufhaus Schocken als Spiegelbild deutscher Wirtschaft und Politik 1901 bis 1953, Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, 1990 (Eine Veröffentlichung des Leo Baeck Instituts).

• Manasse Schwebel, Renata: Stories. New York, Eigenverlag, 2003.

• Richter, Tilo: Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken: Jüdische Kulturgeschichte in Chemitz, hrsg. v. Evangelischen Forum Chemnitz, Leipzig, Passage Verlag, 1998.

• Richter, Tilo: Tietz und Schocken. Zur Architektur der jüdischen Warenhäuser in Chemnitz. In: Juden in Chemnitz. Die Geschichte der Gemeinde und ihrer Mitglieder, Dresden, Sandstein, 2002, S. 90-95.

• Scharnhorst, Lars: Kaufhaus Schocken Cottbus, Leipzig, Dieckmann, 2000.



[01] Kurt R. Grossmann: Georg Manasse. 70 Jahre. In: Aufbau. New York, 31. Mai 1963.
[02] Anna und Hans Siemsen waren Geschwister von Paula Eskuchen. Zu der engagierten Familie gehörte ferner der Politiker und Pädagoge August Siemsen.
[03] Siehe Fußnote 1.
Manasse Schwebel, Renata: Stories. New York, Eigenverlag, 2003.
Unterlagen zum Lebenswerk des Generaldirektors der Schocken Kommanditgesellschaft auf Aktien.- Unterlagen zum Wirken des jüdischen Warenhauskonzerns Schocken in Sachsen.- Unterlagen zum Leben der Brüder Julius, Simon und Salman Schocken.- Referate und Ansprachen von Georg Manasse, der Brüdern Schocken und Erich Mendelsohn.- Persönlichen Dokumente der Familie Manasse.-Verzeichnis der Privatbibliothek von Georg Manasse.- Schriftwechsel mit Personen der Kultur- und Zeitgeschichte.- Fotos von Schocken-Kaufhäusern.
Der Kaufmann Georg Manasse war über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren für den Warenhauskonzern Schocken in Zwickau tätig. Als langjähriger Generaldirektor gehörte er zu den engsten Vertrauten der Brüder Simon und Salman Schocken.
Georg Manasse wurde als Sohn des Geschäftsinhabers Mannheim Manasse 1893 in Margonin (Ostpreußen) geboren. Bis 1906 besuchte er eine private Knabenschule in Margonin, danach wechselte er an das Sophien-Gymnasium in der Spandauer Vorstadt in Berlin-Mitte. Von 1909 bis 1912 absolvierte er eine Ausbildung bei der Firma Leopold Königsberger, einer Weberei und Wirkerei, in Berlin. Daran im Anschluss begann er eine kaufmännische Tätigkeit in Bremerhaven, wo er Julius Schocken kennen lernte. Von Oktober 1912 bis Ende Januar 1913 war er in dem Kaufhaus Adolf Karseboom in Wismar tätig. Dies war ein Anschlussgeschäft der Firma I. Schocken Söhne in Zwickau. Als Simon Schocken zu einem Besuch in Wismar weilte, konnte sich dieser von den kaufmännischen Fertigkeiten Manasses überzeugen und holte diesen daraufhin als Einkäufer in die Zentrale nach Zwickau. Georg Manasse war in den Folgejahren Geschäftsführer der Niederlassungen des Schocken-Konzerns in Frankenberg und Cottbus. Anlässlich seines 10jährigen Dienstjubiläums im November 1922 wurde er zum "leitenden Direktor der Kommanditgesellschaft". Als Generaldirektor war Georg Manasse fortan maßgeblich an der weiteren erfolgreichen Entwicklung des sächsischen Warenhauskonzerns, dem viertgrößten in Deutschland mit 6500 Angestellten und zuletzt 19 Niederlassungen, beteiligt. Er begleitete bis Anfang der 1930er Jahre auch die Eröffnung weiterer Niederlassungen in Sachsen (u. a. in Chemnitz). Viele Innovationen im Bereich des Einzelhandels können ihm zugeschrieben werden. Im Jahre 1927 wurde er darüber hinaus Begründer und alleiniger Inhaber des Kaufhauses Manasse in Mühlhausen (Thürin-gen), das nach dem Vorbild des Schocken-Konzerns aufgebaut worden war.
Als überzeugter Sozialdemokrat und Pazifist trat Georg Manasse in den frühen 1920er Jahren der 1914 gegründeten Deutschen Liga für Menschenrechte bei, der u. a. Carl von Ossietzky, Albert Einstein und Kurt Tucholsky angehörten. Ab 1923 spielte er nachweisbar eine führende Rolle in Sachsen und war zeitweilig deren stellvertretender Bezirksvorsitzender. Ebenso knüpfte er in dieser Zeit u. a. Kontakte zu Max Seydewitz (1892-1987), dem Zwickauer Arzt Professor Dr. Kurt Eskuchen, dem Rabbinern Dr. Leo Baeck (1873-1956), dem Schriftsteller und Maler Joachim Ringelnatz (1883-1934), der Bild-hauerin Renée Sintenis (1888-1965), dem Kunsthistoriker und Museumsleiter Dr. Hildebrand Gurlitt (1895-1956) sowie mit dem Propst Dr. Heinrich Grüber (1891-1975). Georg Manasse engagierte sich aber auch für die Belange der Zwickauer Juden. So war er als Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinde für Haushalts- und Steuerfragen zuständig.
Wenige Wochen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde Georg Manasse Ende März 1933 in Zwickau vorübergehend in "Schutzhaft" genommen. In den Folgemonaten setzt er sich mit Geschick für den weiteren Erhalt des Konzerns ein. Dennoch legte er im Juni 1934 all seine Ämter im Unternehmen und in der jüdischen Gemeinde nieder und verlegte seinen Wohnsitz von Niederhohndorf bei Zwickau nach Berlin.
Die vormaligen politischen Aktivitäten, sein Bekenntnis zum Judentum und seine äußerst kritische Haltung gegenüber dem NS-Regime machten letztlich für Georg Manasse einen weiteren Verbleib in seinem Geburtsland unmöglich. Im Juli 1935 emigrierte er mit Ehefrau und den Kindern nach Stock-holm (Schweden), wo er eine Textilwarenfabrik begründete. Nach der Besetzung Norwegens und Dänemarks durch Hitlers Wehrmacht bemühte sich Manasse ab Frühjahr 1940 verstärkt um eine Auswanderung nach Übersee. Ende 1940 konnte Georg Manasse endlich über Japan nach den Vereinigten Staaten ausreisen. In den Folgejahren leitete er eine Hemdenfabrik sowie ein Import- und Exportgeschäft in Scarsdale (New York). Auch im Exil war Georg Manasse nicht nur Unternehmer. So wurde er frühzeitig ein Mitglied und Förderer des Leo Baeck Instituts in New York und verfolgte dessen Publikationsvorhaben aufmerksam. Bereits 1947 kehrte er in das noch zerstörte Nachkriegsdeutschland zurück und besichtigte u. a. das frühere Kaufhaus Schocken in Stuttgart.
George Manasse, wie er sich im US-amerikanischen Exil nannte, starb nach längerer, schwerer Krankheit am 28. Dezember 1980 in Scarsdale.
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