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Beständeübersicht

Bestand

21957 Verein Roland, Dresden

Datierung1902 - 1945
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)25,77
Zur Geschichte des Roland, Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde

Am 18. Januar 1902 wurde in Dresden auf maßgebliche Initiative des Studienrates Hermann Unbescheid (1847 - 1915) der genealogische Verein "Roland" ins Leben gerufen.[01] Er war als bürgerlicher "Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde" mit Bezug auf den gesamten deutschen Sprachraum gegründet worden. Persönlichkeiten aus allen Teilen des Deutschen Reiches konnten als Mitglieder des Vereins gewonnen werden. Im Mai 1909 zählte er 784 und 1923 bereits 1200 Mitglieder.[02] Zahlreiche Ortsgruppen oder Stützpunkte des Vereins leisteten genealogische Grundlagenarbeit. Ortsgruppen bildeten sich vor allem im sächsischen Kernland (Leipzig seit 1904, Dresden seit 1902, Chemnitz seit 1919). Außerhalb Sachsens wurden solche Ortsgruppen in Berlin (seit 1904), Magdeburg (seit 1905), Hamburg (seit 1908), Frankfurt am Main (seit 1919), Nürnberg (seit 1921), Stettin (seit 1923), Hof (seit 1924), Stendal (seit 1925) und Hoyerswerda (seit 1935) ins Leben gerufen. Bis 1930 hatten sich die Ortsgruppen Hamburg, Nürnberg und Hof sowie Magdeburg vom Mutter-Verein gelöst.[03] Auf ihrer Basis entstanden später eigenständige genealogische Vereine.
Mit den "Mitteilungen des Roland" wurde von Januar 1916 bis August 1943 eine vereinseigene Zeitschrift herausgegeben, in der Beiträge zu heraldischen, genealogischen und regionalgeschichtlichen Themen erschienen.[04] Außerdem wurden mehrere Personenkarteien und Sammlungen von Exlibris, Wappen und Siegeln angelegt.
Ein besonders ehrgeiziges Projekt des "Roland" Dresden nahm 1919 unter Leitung seines Vorsitzenden Moritz Gerhard seinen Anfang. Man begann mit der Erarbeitung eines Katalogs, in dem alle bekannt gewordenen Leichenpredigten, Gelegenheitsdrucke und Personalschriften im deutschsprachigen Raum systematisch mit ihrem Standort aufgenommen und für die Familiengeschichtsforschung aufbereitet werden sollten. Damit wurde erstmals eine Quellengattung in den Fokus gerückt und erfasst, die von Mitte des 16. Jh. bis Mitte des 18. Jh. in den protestantischen Gebieten Deutschlands die Würdigung von Mitgliedern der gesellschaftlichen Ober- und Mittelschicht zum Inhalt hatte.
Der aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage 1933 nur noch über rund 300 zahlende Mitglieder verfügende "Roland" wurde 1934 Mitglied des Reichsvereins für Sippen- und Wappenforschung e.V.[05] Die Vereinsspitze arbeitete eng mit dem Reichssippenamt zusammen und stimmte alle wesentlichen Projekte mit diesem ab. Auch eine informelle Verbindung zur Gestapo Dresden ist nachweisbar. Für die Erarbeitung des Gesamtkataloges der Personalschriften- und Leichenpredigten-Sammlungen konnten über das Reichssippenamt Fördergelder beschafft werden.[06] 1944 stellte der Verein aus Mangel an Papier, an Mitarbeitern und an Finanzen seine Tätigkeit weitgehend ein.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Die Akten des Vereins erfuhren erst mit dem Wirken von Rechtsrat Schulz-Blochwitz als Vorsitzendem ab 1935 eine systematische Ordnung und Verzeichnung. Im Vorsatzblatt zahlreicher Akten des genealogischen Schriftverkehrs wurde von ihm angemerkt, dass die Akten vor 1935 vom ehemaligen Geschäftsführer und Schatzmeister, Wilhelm Reichelt, eigenmächtig makuliert und vernichtet worden waren. Daher liegt der Schwerpunkt der Überlieferung auf der Zeit zwischen 1936 und 1944. Das nunmehr geordnete Vereinsarchiv und die Sammlungen waren während des Zweiten Weltkriegs aus der Dresdner Kanzlei des Vereins nach Schloss Wilsdruff ausgelagert worden. Dort wurde es 1945 von Kurt Wensch sichergestellt. Infolge der zwangsweisen Auflösung des Vereins gelangten sein Archiv und der von ihm erarbeitete Gesamtkatalog der Personalschriften- und Leichenpredigten-Sammlungen in die Zuständigkeit des Sächsischen Landeshauptarchivs Dresden. 1967 wurden die Unterlagen nach Leipzig überführt und in die neugegründete Zentralstelle für Genealogie in der DDR integriert. Mit der 1995 erfolgten Eingliederung der Zentralstelle in das Staatsarchiv Leipzig, fiel das Schriftgut in dessen Zuständigkeit.

Die umfangreiche Vereinsbibliothek war bereits 1921, nach Abschluss eines entsprechenden Vertrags, durch den Verein an die Stadtbibliothek Dresden übergeben worden. Sie überstand die Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 im Gegensatz zum größten Teil des Bestandes der Stadtbibliothek unbeschadet und befindet sich heute in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden bzw. im Stadtarchiv Dresden.[07]

Die Erschließung der Unterlagen und die Erstellung einer Findkartei erfolgten 1967 in der Zentralstelle für Genealogie. Die ursprüngliche Aktenbildung wurde beibehalten. 2005 wurde der Bestand von Volkmar Weiß inhaltlich tiefer erschlossen und erweitert verzeichnet. Dabei erhielten einige Akten neue Signaturen, da in der Registratur des Vereins Signaturen teilweise doppelt vergeben worden waren. Eine weitere Überarbeitung der Verzeichnung wurde 2017 durch Martina Wermes vorgenommen. Gleichzeitig wurde die Klassifikation revidiert.
Eine hervorzuhebende Quelle innerhalb der vorliegenden Überlieferung ist der Gesamtkatalog der Personalschriften- und Leichenpredigten-Sammlungen. Er wurde auch nach der Auflösung des Vereins nicht als abgeschlossen betrachtet, sondern ab 1951 weitergeführt und ergänzt. Zahlreiche Personalschriften und Leichenpredigten sowie ihre Aufbewahrungsorte im In- und Ausland wurden bis 1989 erfasst. Im Zeitraum 2018 - 2020 wurde der in Karteikästen vorliegende Katalog archivtechnisch bearbeitet und neu verpackt, Verzeichnungseinheiten gebildet und diese in alphabetischer Reihenfolge erfasst. Der Bestand hat einen Umfang von 25,77 lfm und beinhaltet 855 Fotografien.

Überlieferungsschwerpunkte

Die Protokolle der Vorstandssitzungen und die Mitgliederlisten sind seit 1902 lückenlos überliefert, so dass dadurch z. B. Aussagen zur Ausrichtung des Vereins und zur sozialen Schichtung seiner Mitglieder möglich sind. Zu diesen sind außerdem Personalbögen und sieben Fotoalben im Bestand enthalten. Für die Zeit zwischen 1933 und 1944 liegt umfangreiches Material zu allen relevanten Fragen der Genealogie im Dritten Reich vor, so dass in exemplarischer Weise die Wechselbeziehungen zwischen staatlich sanktionierter Rassenpolitik und ehrenamtlich wirkenden Genealogen dargestellt werden können.[08] Zahlreiche Forschungsaufträge zum Nachweis der sogenannten "arischen" Abstammung wurden von Kurt Wensch und Max Küsel für den Verein erledigt. Auch die Richtungskämpfe in Berlin um die Führung des Reichsverbandes der Sippenforscher und Heraldiker sind belegbar. Eine besondere Quelle im Bestand stellt der Gesamtkatalog der Personalschriften- und Leichenpredigten-Sammlungen dar. Informationen zu dessen Aufbau und Nutzung finden Sie im folgenden Abschnitt.

Hinweise für die Benutzung

Die ca. 150.000 handschriftlichen Karteikarten im Format A6 des Gesamtkataloges der Personalschriften- und Leichenpredigten-Sammlungen mit dem Nachweis von mehr als 100.000 Personen unter Berücksichtigung von ca. 324.000 Personalschriften an etwa 450 Standorten sind unter den Aktensignaturen Nr. 880 bis Nr. 925 verzeichnet und über 16mm Mikrofilme benutzbar. Duplikate dieser Filme sind ebenfalls im Besitz der Kirche der Heiligen der letzten Tage (Mormonen), aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht digitalisiert und somit auf deren Website FamilySearch auch noch nicht recherchierbar.
Für die Recherche im Gesamtkatalog der Personalschriften- und Leichenpredigten-Sammlungen ist zu beachten: Für jede Person existiert in alphabetischer Reihung eine Karteikarte mit Angaben zu den Lebensdaten, Ämtern, Familienangehörigen, Form und Druck der Leichenpredigt oder Gelegenheitsschrift mit Ort und Jahr, Verfasser der Predigt und ihr Standort. Der Katalog ist nach den Familiennamen der geehrten Personen, nicht nach Verfassern geordnet, einschließlich Verweiskarten unter dem Ehenamen. Damit ist dieser Katalog kein Bestands- sondern ein Nachweiskatalog.
Von den sieben Alben mit Fotografien der Vereinsmitglieder wurden im Rahmen der Bestandserhaltung Digitalisate erstellt, die vor Ort für die Benutzung zur Verfügung stehen

Verweise auf korrespondierende Bestände

21958 Verein Roland, Dresden, Exlibrissammlung

21960 Verein Roland, Dresden, Siegelsammlung

21961 Verein Roland, Dresden, Wappensammlung

21963 Verein Roland, Dresden, Personenkarteien

21767 Reichsverband der Sippenforscher und Heraldiker

21940 Deutsche Ahnengemeinschaft e. V.

21942 Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte Leipzig

Quellen und Literatur

Keßler, Gottfried, Gesamtkatalog deutscher Personalschriften und Leichenpredigten-Sammlungen, In: Archivmitteilungen, Nr. 19, 1969, S. 80.
Rothe, Hans-Joachim, Aufbau und Auswertungsmöglichkeiten des Personalschriften- und Leichenpredigten-Katalogs in der Zentralstelle für Genealogie Leipzig. In: Lenz, Rudolf (Hrsg.), Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Band 3, Marburg, 1984, S. 361 - 367.
Schulle, Diana, Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik, Berlin, 2001.

Schulz, I., Die Leichenpredigten- und Personalschriftenkartei des "Roland", In: Mitteilungen des Roland, Nr. 3, 1938, S. 57 - 60.
Weiß, Volkmar, Der genealogische Verein Roland (Dresden) im Dritten Reich, In: Archive und Gesellschaft – 50 Jahre Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Dresden, 2004, S. 118-127.

Weiß, Volkmar, Vorgeschichte und Folgen des arischen Ahnenpasses: Zur Geschichte der Genealogie im 20. Jahrhundert, Neustadt an der Orla, 2013.

Volkmar Weiß, Oktober 2005
Martina Wermes, Juni 2018
Katrin Heil, Mai 2020


[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (StA-L), 21957 Vereins Roland e. V., Dresden, Nr. 576
[02] 5. Mitgliederverzeichnis des Roland, Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde, Berlin 1909, siehe http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/titleinfo/8514614.
[03] Weiss, Volkmar, Der genealogische Verein "Roland" (Dresden) von 1933 bis 1945, Teil I: Die Organisationsstruktur, siehe http://www.v-weiss.de/roland.html.
[04] Eine Übersicht der veröffentlichten Beiträge ist im GenWiki, einem Projekt des Vereins für Computergenealogie, abrufbar http://wiki-de.genealogy.net/Mitteilungen_des_Roland.
[05] Weiss, Volkmar, Der genealogische Verein "Roland" (Dresden) von 1933 bis 1945, Teil I: Die Organisationsstruktur, siehe http://www.v-weiss.de/roland.html.
[06] Weiss, Volkmar, Der genealogische Verein "Roland" (Dresden) von 1933 bis 1945, Teil I: Die Organisationsstruktur, siehe http://www.v-weiss.de/roland.html.
[07] Fabian, Bernhard (Hrsg.), Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Hildesheim 2003, http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Stadtarchiv_(Dresden).
[08] Weiss, Volkmar, Der genealogische Verein "Roland" (Dresden) von 1933 bis 1945, Teil II: Im Schatten der Nürnberger Gesetze, siehe http://www.v-weiss.de/roland2.html.
Rothe, Hans-Joachim: Aufbau und Auswertungsmöglichkeiten des Personalschriften- und Leichenpredigtenkatalogs der Zentralstelle für Genealogie Leipzig. In: Lenz, Rudolf (Hrsg.) Leichenpredigten als Quelle der historischen Wissenschaften, Bd. 3. Marburg 1984, S. 361-367.
Vereinsgeschichte (Protokolle, Satzungen).- Schriftwechsel.- Personalarchiv: Personalbögen von Vereinsmitgliedern mit Foto.- Bildarchiv der Mitglieder (855 Porträts digitalisiert).- Gesamtkatalog der Personalschriften- und Leichenpredigtensammlungen (verfilmt): Nach den Familiennamen der geehrten Personen geordnete Kartei mit Nachweisen der Personalschriften und ihrer Standorte in Deutschland, zum Teil mit Lebensdaten der Personen und ihrer nächsten Verwandten sowie Angaben zum Verfasser.
Der 1902 als bürgerlicher genealogischer Verein in Dresden gegründete "Roland, Verein zur Förderung der Stamm-, Wappen- und Siegelkunde" entfaltete verschiedenste Aktivitäten auf genealogischem Gebiet. Die Sammlungen und das Vereinsarchiv gelangten nach 1945 zunächst in das Hauptstaatsarchiv Dresden und wurden 1967 nach Leipzig an die Zentralstelle für Genealogie gegeben, die heute in das Sächsische Staatsarchiv Leipzig integriert ist. Von 1904 bis 1939 hat er für seine Mitglieder mit den Nummern 1 bis 1691 die Personalbögen archiviert, die Lebensdaten, Beruf, Militärzeit, Angaben über den genealogischen Erforschungsstand des agnatischen Stammes, einen kurzen Lebenslauf und Angaben über Ehefrau und Kinder enthalten. In gesonderten Bilderalben sind die Porträts der Mitglieder überliefert.
1919 begann der Verein einen Gesamtkatalog der Personalschriften- und Leichenpredigtensammlungen zu erarbeiten, der alle bekannten Leichenpredigten und Gelegenheitsdrucke erfassen und für die Familiengeschichtsforschung aufbereiten sollte. Der Katalog erschließt eine literarische Gattung, die von Mitte des 16. bis Mitte des 18. Jahrhunderts in den protestantischen Gebieten verbreitet war, um Personen der gesellschaftlichen Ober- und Mittelschicht zu würdigen. Er erfasst rund 324.000 Personalschriften an etwa 450 Lagerungsorten.
  • 1999 | Elektronisches Findmittel (Bildarchiv)
  • 2020 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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