11. – 16. November 1918: Abdankung des letzten Königs von Sachsen und Einsetzung einer Revolutionsregierung

Zeitungsartikel über das »Tollhaus Russland« vom 4. Dezember 1918, Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, 10702 Staatskanzlei, Nachrichtenstelle Nr. 2163 

Von seinem Fluchtort Guteborn aus verzichtete Friedrich August III. auf den Thron. Doch einher mit dem Umsturz ging die Angst vor dessen möglichen Auswüchsen.

Furcht vor »bolschewistischen Verhältnissen«

Es zieht sich ein Wortpaar durch die schriftliche Überlieferung zur Novemberrevolution, welchem sich Revolutionäre wie Angehörige der alten Ordnung gleichermaßen häufig bedienten. Gemeint ist das Wortpaar der Ruhe (oder Sicherheit) und Ordnung (oder Versorgung).

Unter dem Eindruck von Chaos und Gewalt, zu der die Oktoberrevolution und der anschließende Bürgerkrieg in Russland geführt hatten, herrschte eine verbreitete Furcht der Zeitgenossen vor »bolschewistischen Verhältnissen«, vor Not und Leid, Hunger und Bürgerkrieg, die im Zuge eines umfassenden Umsturzes der Staats- und Gesellschaftsordnung hervortreten könnten.

Vor diesem Hintergrund sind auch die schnellen Vereinbarungen zwischen den Revolutionsregierungen und den alten staatlichen Behörden und die Übereinkunft zwischen Friedrich Ebert und der Obersten Heeresleitung über die gegenseitige Anerkennung und Unterstützung (sog. Ebert-Groener-Pakt) zu erklären.

Umbruch und Kontinuität

Auch in Sachsen enthoben die Vorsitzenden des »Vereinigten revolutionären Arbeiter- und Soldatenrats«, Otto Rühle und Albert Schwarz, zwar die königlichen Minister ihres Amtes, baten sie jedoch zeitgleich, ihre Dienstgeschäfte amtierend weiterzuführen.

Diese Übereinkunft findet sich unter Bezugnahme auf das oben genannte Formelpaar im Erlass des nun als Minister des Innern fungierenden Dr. Walter Koch vom 11. November 1918. Mit dem Schreiben, das an sämtliche dem Ministerium des Innern unterstellte Behörden und Dienststellen einschließlich der Kommunen weitergeleitet worden ist, erkannte der Minister die veränderten Machtverhältnisse an und appellierte leidenschaftlich an alle Beamten und Angestellten, ihre Arbeit zum Wohle des sächsischen Vaterlandes aufrecht zu erhalten.

In der historischen Forschung herrscht heute größtenteils Einigkeit darüber, dass die tatsächliche Gefahr eines bolschewistischen Umsturzes im Deutschen Reich der damaligen Zeit aufgrund der zahlenmäßigen Minderheit der radikalen Linken und des geringen Rückhaltes für bolschewistische Experimente selbst in der Arbeiterschaft äußerst gering war. Die Zeitgenossen konnten sich dieser Erkenntnis selbstverständlich nicht so sicher sein.

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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Schreiben des Ministeriums des Inneren vom 11. November 1918 über die Bildung des »Vereinigten revolutionären Arbeiter- und Soldatenrates«; Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, 10762 Amtshauptmannschaft Pirna, Nr. 13.

Schreiben des Ministerium des Innern vom 11. November 1918
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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Zeitungsartikel »Das Tollhaus Russland!« vom 4. Dezember 1918 aus dem Vorwärts; Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, 10702 Staatskanzlei, Nachrichtenstelle Nr. 2163.

Zeitungsartikel »Das Tollhaus Russland!« vom 4. Dezember 1918
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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Schreiben des Königlich Sächsischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 13. November 1918 über den Verzicht des sächsischen Königs auf den Thron; Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, 10736 Ministerium des Innern Nr. 5544.

Maschinenschriftliches Schreiben des Königlich Sächsischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 13. November 1918
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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Zeitungsartikel »Der Thronverzicht des Königs von Sachsen« vom 14. November 1918 aus der Sächsischen Volkszeitung; Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, 10702 Staatskanzlei, Nachrichtenstelle Nr. 188.

Ausgeschnittener und auf Papier geklebter Zeitungsartikel aus der Sächsischen Volkszeitung vom 14. November 1918
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(© Sächsisches Staatsarchiv)

Regierungserklärung zur »Bekanntmachung über die Weiterführung der Dienstgeschäfte« durch die Volksbeauftragten vom 16. November 1918; Quelle: Sächsisches Staatsarchiv, 10747 Kreishauptmannschaft Dresden Nr. 222.

Regierungserklärung »Bekanntmachung über die Weiterführung der Dienstgeschäfte«, veröffentlicht in der Nr. 268 der Sächsischen Staatszeitung vom 16. November 1918

Der sächsische König dankt ab

Mit handgeschriebenen Worten auf einem schlichten Blatt Papier verkündete Friedrich August III. am 13. November 1918, drei Tage nach der Ausrufung Sachsens als Republik, von seinem Fluchtort Guteborn aus, seine Abdankung als König von Sachsen: »Ich verzichte auf den Thron«. Weiterhin präzisierte er, dass alle Beamten, Offiziere, Geistlichen und Lehrer von dem geleisteten Treueeid entbunden seien und ihren Dienst im Interesse des Vaterlandes weiterversehen sollten.

Mit dem darstellten Schreiben vom 13. November machte das Königlich Sächsische Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten die Abdankung des Monarchen allen anderen Ministerien bekannt.

Einsatz einer Revolutionsregierung

Am 14. November setzte der Vereinigte revolutionäre Arbeiter- und Soldatenrat eine »Revolutionsregierung« ein, den sogenannten »Rat der Volksbeauftragten«. Dem Rat gehörten drei Abgeordnete der MSPD (Georg Gradnauer, Albert Schwarz, Johann Wilhelm Buck) und drei der USPD (Richard Lipinski, Hermann Fleißner, Friedrich Geyer) an. Er sollte als Übergangsregierung bis zu den Neuwahlen dienen und fungierte als Gesamtministerium. Da die Vertreter der radikalen Linken eine Mitarbeit in der Regierung abgelehnt hatten, wurden die gemäßigteren Kräfte in der Folge spürbar gestärkt. Das Gesamtministerium veröffentlichte am 16. November in der Sächsischen Staatszeitung eine Regierungserklärung, in der die Beibehaltung der bisherigen Verwaltungsstrukturen und die »Fortführung der Dienstgeschäfte« verkündet wurden. Weiterhin enthält die Erklärung zum ersten Mal eine Beschreibung und gleichzeitige Beschneidung der Kompetenzen der überall wild entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte. Die Räte sollten bis auf weiteres in erster Linie Kontrollfunktionen ausüben, die bestehende Verwaltungsstruktur jedoch in keiner Weise aushebeln oder gar ablösen.

Weiter betraf die Erklärung die Vergütung der Räte-Vertreter, die Bezeichnung der Ministerien und Behörden (u. a. war der Vordruck »Königlich« auf Formularen zu streichen) und die ausgesetzte Verleihung von Titeln wie Ehrenzeichen.

Bemerkenswert ist der Verweis auf die Freiheit der politischen Gesinnung und Betätigung der Beamten, solange selbige nicht in passiven oder sogar aktiven Widerstand zur Revolution treten würden. Für die Formulierung mag sicherlich das Primat von der Aufrechterhaltung der Verwaltungstätigkeit eine Rolle gespielt haben. Eine »Säuberung« des Beamtenapparates von revolutionskritischen Beamten hätte die Effektivität der Verwaltung in der Umbruchsphase entschieden geschwächt.

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