Hauptinhalt

Beständeübersicht

Bestand

30946 Gottfried Anderegg, Stahl- und Eisengießerei, Frankenberg

Datierung1892 - 1953
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)1,77
1. Geschichte der Firma Gottfried Anderegg, Stahl- und Eisengießerei, Frankenberg
1892 hatte Gottfried Anderegg eine Eisengießerei in Frankenberg/Sa. gegründet, die auf die Anfertigung von Spezialguss für Werkzeugmaschinen spezialisiert war. Die gesamte Fabrikanlage mit einem Wohngebäude[01], die auf einer Fläche von 8.940 qm stand, hatte ihren Standort im Stadtgebiet ca. 1 km nördlich vom Bahnhof entlang der Eisenbahnlinie Roßwein-Niederwiesa. Mit einer kontinuierlichen Jahresproduktion von ca. 2.500 t Grauguss und einer Beschäftigtenzahl von ca. 280 Arbeitern und Angestellten war die Eisengießerei ein typisches mittelständisches Unternehmen.
Die nachfolgende tabellarische Übersicht über die Betriebsinhaber bzw. Betriebsleiter und die zusammengestellte Betriebsgeschichte[02] sollen dem Nutzer des Archivbestandes einen Überblick über die Entwicklung des Unternehmens vermitteln.

Betriebsleiter:[03]
1892: Gottfried Anderegg
1. Januar 1932[04] : Georg Anderegg, Johannes Anderegg[05] , Wilhelm Anderegg
1947: Ernst Hübsch
1951: Rudolf Roitsch
1953: Herbert Rosenberger

Mit dem Erwerb eines Grundstücks und der Errichtung einer Eisengießerei nebst einem Wohngebäude 1892 in der Ahornstraße in Frankenberg/Sa. erfüllte sich Gottfried Anderegg einen lang ersehnten Traum: die Herstellung von Gusserzeugnissen in einem eigenen Unternehmen.[06] Die bis dahin in der unmittelbaren Nachbarschaft gelegene und von ihm betriebene Gießerei gab der neue Firmenbesitzer an seinen Verpächter Gurckhaus & Sohn zurück. Aufgrund der wirtschaftlichen Erfolge[07] des Unternehmens – am 6. März 1906 wurde die Firma erstmalig im Handelsregister des Amtsgerichts Frankenberg registriert – konnte Gottfried Anderegg im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts umfangreiche Neu- und Erweiterungsbauten ausführen lassen: Es erfolgte 1903 der Bau einer Schlosserei, 1904 die Vergrößerung des Gießereiraumes, 1905 der Anbau eines Eisengießereigebäudes und einer Putzerei sowie 1907 der Bau einer weiteren Gießerei und eines Lagers.
Seit dem 1. Januar 1921 wurde das Unternehmen als Kommanditgesellschaft (KG) geführt; die Prokura hatte der Sohn Wilhelm Anderegg inne. In dieser Zeit der schweren Nachkriegsjahre organisierte Gottfried Anderegg als Mitgeschäftsführer der 1919 gegründeten Siedlungsgemeinschaft Frankenberg GmbH die Errichtung von Heimstätten und die Beschaffung von Bauland, um zurückkehrende Kriegsteilnehmer und zugezogene Neubürger mit Wohnraum und Grundstücken zu versorgen. Auch auf seinem Fabrik- und Gartengelände realisierte der Unternehmer in der ersten Hälfte der 20er Jahre mehrere Bauvorhaben wie der Bau einer Beschleusungsanlage, eines Schuppens und einer Einfriedung.
Seit dem 1. Januar 1932 leiteten drei der insgesamt vier Söhne des Firmengründers als persönlich haftende Gesellschafter die Eisengießerei: Es handelte es sich dabei um die Gießereiingenieure Wilhelm und Georg sowie den Kaufmann Johannes Anderegg. Der sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Ausbildung befindende Maschinenbauingenieur Karl Anderegg war nur kurze Zeit – vom 2. April 1936 bis zum 28. Februar 1937 – als Gesellschafter im Betrieb tätig; er führte danach in Frankenberg eine eigene Maschinenfabrik.
Parallel mit der Übernahme des Betriebes durch die oben genannten Personen – der Vater Gottfried verstarb am 1. Juli 1934 – wurde eine neue Rechtsform gewählt: aus der bisherigen Kommanditgesellschaft entstand eine Offene Handelsgesellschaft (OHG). Den Betrieb verbanden auch enge finanzielle und verwandtschaftliche Beziehungen mit der 1901 ebenfalls von einem Herrn Anderegg (Bruder von Gottfried?) übernommenen, 1929 liquidierten und 1936 wiederbelebten Hainichener Eisengießerei Gebrüder Anderegg K.G., die ihren Standort in der benachbarten Stadt Hainichen/Sa. hatte. Die Gießerei in Hainichen wurde nach Wiederaufnahme der Produktion (1936) gemeinsam von den Brüdern Fritz und Werner Anderegg geleitet.
Das Unternehmen hatte sich auf die Anfertigung von Spezialguss für Werkzeugmaschinen spezialisiert und konnte eine kontinuierliche Jahresproduktion von ca. 2.500 t Grauguss vorweisen. In der Eisengießerei waren relativ konstant ca. 280 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, darunter ca. zehn kaufmännische und zehn technische Angestellte. Unmittelbar nach der Fertigstellung eines speziellen Hallenbaus (1936), der zur Herstellung größerer Gussstücke notwendig war, konnten mit der Stadt Frankenberg Verträge (1937) über den Kauf und die Pacht von an das Fabrikgelände grenzendem städtischem Grund und Boden abgeschlossen werden. Die Betriebsleitung hatte geplant, auf den zwei erworbenen Flurstücken einen Lagerplatz, eine Kranlaufbahn und einen Werkschutzluftkeller zu errichten.
Mit Ausrichtung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse der totalen Kriegsführung belieferte die Firma seit Anfang des Jahres 1944 fast ausschließlich das Oberkommando des Heeres (OKH): Die Arbeiter produzierten Rohlinge für Granaten, Sockel für Drillingsgewehre, Getriebegehäuse für kleine Panzer, Generatoren und diverse Maschinengussteile. Aufgrund der zahlreichen Einberufungen von Beschäftigten zur Wehrmacht und zum Reichsarbeitsdienst wurden verstärkt russische Kriegsgefangene und sogenannte Ostarbeiter[08] in den Produktionsprozess mit einbezogen.
1945 hatte die Gießerei so gut wie keine Kriegsschäden zu beklagen, und es gab in der Nachkriegszeit auch keine Demontagen, aber der technische Zustand der Fabrikanlage war veraltet.[09] Die Schwierigkeiten im Produktionsablauf resultierten aus dem Ausfall der innerbetrieblichen Transportanlagen (Elektrokarren), den häufigen Stromabschaltungen, der mangelhaften Beleuchtung für die Nachtarbeit und dem permanenten Mangel an Hilfsmaterialien. Ungeachtet dieser Probleme konnte die Produktion – wenn auch im Vergleich zur Zeit vor 1945 weitaus bescheidener[10] – unmittelbar nach der Befreiung vom Nationalsozialismus weiter aufrecht erhalten werden. Der Grund dafür waren die Reparationsverpflichtungen im Auftrag der sowjetischen Besatzungsbehörden und die damit verbundenen Rohmaterialbelieferungen, die zumindest relativ sichergestellt waren.
Als im Jahre 1947 Ernst Hübsch die Betriebsleitung der Firma übernahm, beschäftigte die Gießerei insgesamt 207 Arbeiter und Angestellte, die Drehbank-, Werkzeugmaschinen-, Kompressoren- und Ofenguss produzierten. Ab September 1951 stand die Eisengießerei "Gottfried Anderegg" unter einer treuhänderischen Verwaltung; ihr Treuhänder und Betriebsleiter war Rudolf Roitsch. Seit dem 1. Januar 1953 war die Firma Volkseigentum; sie firmierte nunmehr unter der Bezeichnung "VEB Eisengießerei Frankenberg" und ihr Werkleiter war Herbert Rosenberger. In den 50er Jahren wurde die bereits genannte einstige Hainichener Eisengießerei Gebrüder Anderegg K.G. dem VEB Eisengießerei Frankenberg angegliedert. Als diese Eisengießerei in Hainichen jedoch 1960 geschlossen wurde, konnten die Arbeiter und Angestellten weiter im VEB Eisengießerei Frankenberg beschäftigt werden. Schließlich wurde der VEB Eisengießerei Frankenberg 1963 in den neu gegründeten Großbetrieb VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt integriert.


2. Bestandsgeschichte
1979 übergab das Verwaltungsarchiv des VEB Stahlgießerei Karl-Marx-Stadt dem Staatsarchiv Dresden ca. 0,60 lfm Akten der Eisengießerei Gottfried Anderegg in Frankenberg/Sa. Als Findmittel zu diesen Akten diente eine im Archiv des Betriebes ausgefertigte handschriftliche Kartei. Die Mehrzahl der Akten enthielt detaillierte Inhaltsverzeichnisse. Bestand und Findmittel gelangten 1993 aus Dresden nach Chemnitz.
2005 übernahm das Sächsische Staatsarchiv/Staatsarchiv Chemnitz 18 Geschäftsbücher und eine Landkarte im Umfang von 1 lfm von der Eisen- und Stahlgießerei GmbH Chemnitz in Liquidation. Bei diesen Unterlagen war zwar eine frühere archivische Bearbeitung erkennbar (Vergabe fortlaufender, allerdings lückenhafter Signaturen), Findmittel waren jedoch keine vorhanden.
Die innere Ordnung der inhaltlich bereits gut gegliederten Akten wurde fast durchgängig beibehalten, d. h. es mussten so gut wie keine thematische Trennungen vorgenommen werden. Eine Ausnahme waren die zahlreichen Steuerarten, Steuerbescheide und Bankunterlagen, die differenziert den einzelnen Steuerarten, Finanzämtern und Bankhäusern zugeordnet wurden. Drei Akten der Firma Gebr. Anderegg, Hainichen wurden dem Bestand 30947 zugeordnet. Die Akten erhielten eine endgültige Signatur; vorhandene Altsignaturen wurden erfasst. Die elektronische Verzeichnung der Akten erfolgte nach dem Bärschen Prinzip.
Die Bearbeitung erfolgte in der Zeit vom 2. September bis zum 19. September 2005 mit dem Programm "Augias-Archiv 7.4".
Nach der Bearbeitung der Unterlagen beträgt der Umfang des Bestandes 1,77 lfm (117 Akteneinheiten), Laufzeit: 1892-1953. Der Bestand enthält auch eine Karte.
Die Kassation beschränkte sich auf die geheftete "Maschinen- und Inventarschätzung" (1925) sowie auf einige wenige Einzelschriftstücke, die ebenfalls mehrfach vorhanden waren.
Die Akten sind alle zugänglich. Der Zustand der Unterlagen ist durchgehend zufriedenstellend. Sie weisen leichte Verschmutzungen und zeitbedingte Verschleißspuren auf.


3. Bestandsanalyse
Die von Gottfried Anderegg 1892 gegründete und auf die Anfertigung von Spezialguss für Werkzeugmaschinen spezialisierte Eisengießerei in Frankenberg/Sa. war mit einer Jahresproduktion von ca. 2.500 t Grauguss und einer Beschäftigtenzahl von ca. 280 Arbeitern und Angestellten ein typisches mittelständisches Unternehmen.
Die im Bestand enthaltenen Sachakten und Geschäftsbücher dokumentierten nur partiell die Entwicklung des Unternehmens. Sie geben jedoch insbesondere Auskunft über die Bilanzen des Betriebes; die Erhebung und Einforderung von Steuern; die Zahlung von Steuerbeträgen; die Grundstücks-, Gebäude- und Inventarwerte; die Wertpapier-, Kredit- und Depotgeschäfte mit Banken; das Vermögen von Familienmitgliedern; die Rechts- und Eigentumsverhältnisse bei Grundstücken und der Firma vor 1945; den Gesamtaufbau der Fabrikanlage mit all seinen Bestandteilen und Standorten; die Einbindung der Firma in die Rüstungsproduktion und die damit verbundene Umstellung des Fertigungsprogramms; die Arbeitskräftesituation in den letzten Kriegsmonaten und die Probleme bei der Wiederaufnahme der Produktion nach 1945.


4. Abkürzungen
DAF|-----||-----|Deutsche Arbeitsfront
GUS|-----||-----|Guss- und Schmiedeerzeugnisse
HA|-----||-----|Hauptabteilung
HR|-----||-----|Handelsregister
OHG|-----||-----|Offene Handelsgesellschaft
OKH|-----||-----|Oberkommando des Heeres
RAD|-----||-----|Reichsarbeitsdienst
RM|-----||-----|Reichsmark
SMAD|-----||-----|Sowjetische Militäradministration in Deutschland
VAS|-----||-----|Versicherungs-Anstalt des Landes Sachsen
VEB|-----||-----|Volkseigener Betrieb
VVB|-----||-----|Vereinigung Volkseigener Betriebe



[01] Die Fabrikanlage der Eisengießerei "Gottfried Anderegg" in Frankenberg/Sa. bestand aus einem Kontor- und Wirtschaftsgebäude, einer Putzerei, drei Gießereihallen, einer Kernmacherei, zwei Formhallen, einer Schlosserei, einem Kernkastenlager, einem Wohngebäude, einer Werkswohnung und sieben Lagergebäuden bzw. Schuppen.
[02] Der Archivbestand enthält sehr wenige Hinweise über die Entwicklung der Firma "Gottfried Anderegg", Eisengießerei in Frankenberg/Sa.
[03] Laut Unterlagen des Handelsregisters. Informationen aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Frankenberg befinden sich im Archivbestand der Firma "Gottfried Anderegg" und umfassen den Zeitraum von 1919 bis 1938. Siehe hierzu: Akte Nr. 79.
[04] Georg und Wilhelm Anderegg waren bis zum 1. Januar 1953 Eigentümer der Firma "Gottfried Anderegg" einschließlich der dazugehörigen Grundstücke. Die Einziehung ihrer Betriebsanteile und Grundstücke erfolgte auf der Grundlage eines Urteils ("wegen Verbrechens" ?) des Landgerichts Chemnitz vom 22. April 1952.
[05] bis zum 26. April 1940
[06] Der Erwerb des Grundstücks, die Errichtung einer Eisengießerei und eines Wohngebäudes durch den Unternehmer Gottfried Anderegg wurden sowohl vom Stadtrat als auch von der Stadtsteuereinnahme Frankenberg am 24. November 1892 urkundlich bestätigt. Siehe hierzu: Akte Nr. 73.
[07] Zu Beginn des 20. Jhs. betrug die tägliche Arbeitszeit in der Firma "Gottfried Anderegg" 10 Stunden, auch am Sonnabend mussten die Arbeiter und Angestellten unter Einhaltung einer Frühstücks- (30 min) und einer Mittagspause (60 min) von 6.00 Uhr bis 16.00 Uhr arbeiten.
[08] Gegen Ende des Jahres 1944 befanden sich unter den insgesamt 278 Beschäftigten auch 125 russische Kriegsgefangene und fünf Ostarbeiter. In den Unterlagen des Bestandes existieren jedoch keine Namenslisten über die in der Eisengießerei "Gottfried Anderegg" beschäftigten Kriegsgefangenen und Ostarbeiter. Siehe hierzu: Akte Nr. 51.
[09] Aufgrund der technologisch veralteten Fabrikanlage gab es bereits 1944 bei der Umstellung des Unternehmens auf die ausschließliche Rüstungsproduktion erhebliche technische Probleme.
[10] 1940 konnte die Eisengießerei "Gottfried Anderegg" 4.661 t absatzfähige Waren produzieren; 1946 sank die Produktion auf 914 t.
Bohmann, Heiko: Keine „ganz normale“ Aktenübernahme, in: Sächs. Archivblatt, Heft 1/2006.
Arbeiterverzeichnisse.- Gehaltsunterlagen.- Lehrverträge.- Bilanzen.- Betriebsabrechnung.- Einheitswerte des Betriebsvermögens.- Steuern.- Betriebsstatistik.- Inventuren.- Unterlagen des Rüstungskommandos.- Rundschreiben des Reichstreuhänders der Arbeit und Arbeitsfront.- Lohnkosten.- Kostenabrechnung für sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter.
1892 gründete Gottfried Anderegg in Frankenberg eine Eisengießerei, die auf die Produktion von Spezialguss für Werkzeugmaschinen spezialisiert war. 1906 registrierte das Amtsgericht Frankenberg das Unternehmen im Handelsregister. Umfangreiche Neu- und Erweiterungsbauten sorgten für eine kontinuierliche Produktion von Grauguss. Ab 1921 wurde das Familienunternehmen als Kommanditgesellschaft und ab 1934 als Offene Handelsgesellschaft geführt. Mit der Produktion von Granatrohlingen, Sockeln für Drillingsgewehre, Getriebegehäusen für kleine Panzer, Generatoren und Maschinengussteilen beteiligte sich die Firma an der Kriegswirtschaft. Dabei waren auch Kriegsgefangene und Ostarbeiter beschäftigt. Nach 1945 wurden Gussteile für Werkzeugmaschinen, Generatoren und Öfen hergestellt. Die Firma stand ab 1951 unter treuhänderischer Verwaltung, ab 1953 firmierte sie als VEB Eisengießerei Frankenberg. Schließlich wurde die Eisengießerei 1963 in den VEB Gießerei "Rudolf Harlaß" Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
  • 2005 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-15 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
Sitemap-XML zurück zum Seitenanfang