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Beständeübersicht

Bestand

21091 Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig

Datierung1829 - 2004
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)12,62

Bestand enthält auch 38 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Geschichte der Akademischen Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig

Die Akademische Verlagsgesellschaft, bestehend aus Verlag und Buchhandlung, wurde 1906 von Leo Jolowicz (1868 – 1940) in Leipzig gegründet. Jolowicz hatte bereits langjährige buchhändlerische Erfahrung in der Leipziger Buchhandlung Gustav Fock gesammelt, deren Geschäftsführer er seit 1898 war. Gesellschafter des neuen Unternehmens waren Leo Jolowicz, Gustav Rothschild und Paul Werthauer, der aber bereits 1914 als Gesellschafter ausschied. 1923 trat Kurt Jacoby, der Schwiegersohn Jolowiczs, als zweiter Geschäftsführer in die Firma ein. Nach dem Tod Gustav Rothschilds wurde Johannes Geest zweiter Geschäftsführer. Die eng mit der Buchhandlung Fock verwobene Verlagsgesellschaft entwickelte sich zu einem erfolgreichen Unternehmen, das auch während der Weltwirtschaftskrise Bestand hatte. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten begannen die Schwierigkeiten für den jüdischen Verleger Jolowicz, seinen ebenfalls im Verlag arbeitenden Sohn Walter und seinen Schwiegersohn Kurt Jacoby. Im Februar 1935 wurden Johannes Geest und Willy Erler zeichnungsberechtigte Geschäftsführer der Verlagsgesellschaft. Das war ein erster Schritt zur "Arisierung" des Unternehmens, ermöglichte Leo Jolowicz und Kurt Jacoby aber die Weiterarbeit als Geschäftsführer.[01]
Seit März 1936 durften die Buchhandlung Gustav Fock und die Akademische Verlagsgesellschaft als jüdische Unternehmen nur noch mit Sondergenehmigung arbeiten.[02] Im Juni 1938 musste Leo Jolowicz seine Funktion als Geschäftsführer niederlegen. Im Dezember 1938 wurde das Gesellschafterkapital von Leo Jolowicz und seiner Tochter Agnes Charlotte Jacoby auf die nunmehrigen Geschäftsführer Willy Erler und Walter Becker übertragen. Sie wandelten das Unternehmen 1940 in die Akademische Verlagsgesellschaft Becker & Erler KG um.[03] Neben Johannes Geest war auch SS-Standartenführer Gerhard Noatzke, der im Dezember 1938 als Treuhänder für die Akademische Verlagsgesellschaft und die Buchhandlung Gustav Fock eingesetzt worden war, einer der Kommanditisten. Prokura erhielt Felix Portig. Im gleichen Jahr verstarb Leo Jolowicz in Leipzig. Während des Bombenangriffs am 4. Dezember 1943 auf Leipzig wurden die Firmengebäude in der Sternwartenstraße sowie die Buch- und Zeitschriftenbestände fast vollständig vernichtet.
Die KG bestand in Ausweichgebäuden bis November 1946, danach wurde sie als Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG von Johannes Geest und Felix Portig weitergeführt. Ihnen wurde am 25. Februar 1947 eine Verlagslizenz durch die Sowjetische Militäradministration erteilt.[04] 1947 verstarb Johannes Geest, seine Gesellschafteranteile übernahm Marianne Lotze. 1953 übernahm die Deutsche Investitionsbank die Anteile Noatzkes, somit bestand eine staatliche Beteiligung. Im Dezember desselben Jahres erfolgte in Frankfurt am Main die Gründung der "Akademische Verlagsgesellschaft mbH Frankfurt/Main". Walter Johnson (vormals Jolowicz), Sohn des verstorbenen Verlagsgründers Leo Jolowicz, war neben Kurt Jacoby und Marianne Lotze Gesellschafter der Firma. Das Unternehmen sah sich als rechtmäßiger Nachfolger der Akademischen Verlagsgesellschaft Leipzig und bestand bis 1983.[05]
1953 verstarb auch Felix Portig. Seine Frau Gertrud Margarete wurde Gesellschafterin des Leipziger Verlags und blieb dies bis zu ihrer Enteignung am 31. März 1972.

Die Mehrheit der Kommanditanteile hielt für den Staat die Investitionsbank, sie trat diese zum 1. Oktober 1959 an den VEB Gustav Fischer Verlag ab, der 1972 auch die Anteile Gertrud Margarete Portigs übernahm. Damit war das gesamte Unternehmen in staatlicher Hand, fungierte im Interesse der Außenwirkung aber weiter als private KG.[06] Organisatorisch war die Verlagsgesellschaft seit 1964 dem B. G. Teubner Verlag Leipzig angegliedert.
Im Zuge der politischen Veränderungen des Jahres 1990 gelangte das Unternehmen unter die Verwaltung der Treuhandanstalt und stellte 1991 seine Tätigkeit ein. Zu diesem Zeitpunkt machte auch die Erbengemeinschaft des Alteigentümers Leo Jolowicz ihre Ansprüche auf das Firmenvermögen geltend. Zum 1. Juni 1994 verfügte das Amtsgericht Leipzig die Einsetzung des Rechtsanwalts Dr. Peter Krüger als Liquidator der Akademischen Verlagsgesellschaft.[07] Seine Aufgabe bestand in Zusammenarbeit mit der Treuhandanstalt (seit 1995 Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) vor allem darin, den Verkauf der firmeneigenen Grundstücke umzusetzen, um die Erbengemeinschaft entschädigen zu können. Am 3. Juli 2000 übernahm die BSV Verwaltungsgesellschaft mbH, Berlin die Fortführung der Liquidation.

Verlagsprogramm

Seit Gründung des Verlages konzentrierten sich die Inhaber auf die Herausgabe wissenschaftlicher Werke, v. a. aus den Bereichen Chemie, Physik, Mathematik, Zoologie und mikroskopische Anatomie. Zahlreiche Fachzeitschriften, in denen Wissenschaftler die neuesten Ergebnisse ihrer Forschungen veröffentlichten, gehörten ebenfalls in das Verlagsprogramm.[08] Bedeutende Autoren waren z. B. der schwedische Physiker und Chemiker Svante Arrhenius und der Chemiker Wilhelm Ostwald. Die von letzterem begründete Buchreihe "Klassiker der exakten Wissenschaften" war seit 1919 ein Hauptwerk des Verlages.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Der vorliegende Bestand setzt sich aus Unterlagen mehrerer Übernahmen zusammen. 0,1 lfm Akten stammen aus einer Verlagsabgabegemeinschaft, die 1990 in das Staatsarchiv Leipzig gelangte. Der weitaus größere Teil wurde im August 1999 im Rahmen einer Notübernahme in das Staatsarchiv gebracht. Die Unterlagen wurden zusammen mit Schriftgut des S. Hirzel Verlages und des B. G. Teubner Verlages aus dessen ehemaligem, leerstehenden Verlagsgebäude in der Sternwartenstraße 8 in Leipzig geborgen. Nach Trennung der Provenienzen erfolgte 2003 durch Martina Geigenmüller, Kathrin Haase und Kai Viertel im Rahmen der Ausbildung zu Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste die Erschließung der Unterlagen der Akademischen Verlagsgesellschaft. Im Januar 2016 verzeichnete die Schülerpraktikantin Vanessa Roemer die im Bestand vorhandenen Verlagsverträge und erfasste die darin angegebenen Namen von Autoren und Herausgebern. Anschließend erfolgte die redaktionelle Überarbeitung der Einleitung und Verzeichnungsangaben durch Katrin Heil.
Im August und September 2017 gelangten durch die im Auftrag der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS, vormals Treuhandanstalt) handelnde Rhenus Archiv Service GmbH, Großbeeren, nochmals zwei Übergaben (BvS 16565 und BvS 17514) mit Unterlagen der Verlagsgesellschaft in das Staatsarchiv Leipzig.
Die Unterlagen zur BvS-Nummer 17514 im Umfang von 1,65 lfm wurden im Dezember 2017 unter fachlicher Anleitung von Katrin Heil durch die Auszubildenden Quynh Anh Reimann und Jamila Wähner zunächst bewertet, zu Verzeichnungseinheiten formiert und anschließend verzeichnet. Dabei wurden auch die in den übernommenen Vertragsunterlagen enthaltenen Namen von Autoren, Herausgebern und Lizenzerwerbern erfasst.
Im Juni 2018 erfolgte durch Katrin Heil die Bearbeitung der Unterlagen zu BvS-Nummer 16565. Dieser umfasste 0,66 lfm und enthielt die während der Liquidation des Unternehmens entstandenen Unterlagen. Nach der Bildung von Verzeichnungseinheiten wurden diese erweitert verzeichnet.
Der Bestand 21091 Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig umfasst nach Abschluss der Erschließungsarbeiten 8,83 lfm Schriftgut und 195 Fotografien aus dem Zeitraum 1829 – 1993. Unterlagen aus der Zeit vor 1945 liegen dabei nur in geringem Umfang vor.

Überlieferungsschwerpunkte

Einen inhaltlichen Schwerpunkt in der Überlieferung bilden die Verlagsverträge und Unterlagen zu Lizenzverhandlungen. Letztere dokumentieren die intensiven Beziehungen zu Verlagen auch im westlichen Ausland. Der Umbruch im ostdeutschen Verlagswesen nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1990 findet seinen Niederschlag im überlieferten Verlagsschriftgut aus den Jahren 1990/91. Ebenfalls gut dokumentiert ist der Verlauf der Liquidation des Verlags in der Zuständigkeit der Treuhandanstalt bzw. Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) sowie die Bearbeitung der Restitutionsansprüche von Alteigentümern.
Aus der Zeit vor 1945 sind leider nur wenige Dokumente erhalten. Hervorzuheben sind hier die sehr persönlichen Briefe des Chemikers und Physikers Svante Arrhenius an Leo Jolowicz. Besonders erwähnenswert sind die in der Klassifikationsgruppe "Autographensammlung" verzeichneten Schriftstücke bedeutender Wissenschaftler, die vom Verlag angekauft wurden und nicht in inhaltlicher Beziehung zur Verlagstätigkeit stehen.

Hinweise für die Benutzung

Der Bestand enthält Unterlagen, die nach § 10 Abs. 1 Satz 3 des Sächsischen Archivgesetzes erst zehn Jahre nach dem Tod bzw. hundert Jahre nach der Geburt der betroffenen Person benutzt werden dürfen. Die Vorlage dieser Archivalien ist nur nach gesonderter Prüfung im Wege des Antragsverfahrens zur Schutzfristenverkürzung möglich. Aus datenschutzrechtlichen und technischen Gründen können Verzeichnungseinheiten, die mit einer Schutzfrist gekennzeichnet sind, in der online-Fassung des Findbuchs nicht angezeigt werden. Wir empfehlen eine Nachfrage beim Staatsarchiv Leipzig.

Der Personenindex im ausgedruckt vorliegenden Findbuch enthält auch Namen, die nicht in den Aktentiteln und Enthält-Vermerken aufgeführt sind. Das gilt v. a. für die Verzeichnungseinheiten der Klassifikationsgruppe "Gegenbaurs Morphologisches Jahrbuch".

Verweise auf korrespondierende Bestände

21018 Dresdner Bank in Leipzig
21033 Reichsbankhauptstelle Leipzig mit Nebenstellen
21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I)
22198 B. G. Teubner Verlag, Leipzig

Katrin Heil / Quynh Anh Reimann

September 2016, Juli 2018 / Dezember 2017


[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (StA-L), 21033 Reichsbankhauptstelle Leipzig mit Nebenstellen, Nr. 915, Bl. 6.
[02] Lorz, Andrea, "Strebe vorwärts" Lebensbilder jüdischer Unternehmer in Leipzig, 1999, S. 107.
[03] StA-L, 20124 Amtsgericht Leipzig, Registerkarte HRA 7374.
[04] Links, Christoph, Das Schicksal der DDR-Verlage: Die Privatisierung und ihre Konsequenzen, Berlin 2013, S. 306.
[05] StA-L, 21091 Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG, Leipzig, Nr. 453.
[06] Ebenda, S. 307.
[07] StA-L, 20320 Amtsgericht Leipzig, Registerkarte HRB 9114.
[08] Links, Christoph, Das Schicksal der DDR-Verlage: Die Privatisierung und ihre Konsequenzen, Berlin 2013, S. 306.
Gebauer, Gertraude: Verlagsschriftgut im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig: Eine Bestandsanalyse. In: Leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte 4(1994) S. 311-320.
Gebauer, Gertraude: Stiefkind Verlagsarchive. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel (Leipzig) Nr. 29, 1980, S. 600.
Gebauer, Gertraude: Verlagsschriftgut im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig (Diskussionsbeitrag). In: Archiv-Geschichte-Region. Symposium zum 40jährigen Bestehen des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig (1954-1994). Leipzig 1994.
Dienstbesprechungen.- Personal.- Verlagsverträge.- Lizenzverhandlungen mit in- und ausländischen Verlagen.- Herstellung.- Absatz.- Messen.- Autographensammlung.- Liquidationsunterlagen.
1906 gründete Leo Jolowicz die Akademische Verlagsgesellschaft mbH als Verlag und Buchhandlung in Leipzig. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Unternehmen "arisiert". Von 1940 bis 1947 firmierte die Akademische Verlagsgesellschaft mit dem Zusatz Becker & Erler KG, seit 1947 mit nachgestelltem Geest & Portig KG. Das Unternehmen pflegte in erster Linie wissenschaftliche Monographien in allen Disziplinen der Naturwissenschaft und ausgewählten Bereichen der Technik.
Seit 1964 war die Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig KG auf Grund des weitgehend gleichen Verlagsprofils mit dem Verlag B. G. Teubner zu einer wirtschaftlichen Einheit verbunden. Im Zuge der politischen Veränderungen des Jahres 1990 gelangte das Unternehmen unter die Verwaltung der Treuhandanstalt und stellte 1991 seine Tätigkeit ein. Im Juni 1994 erfolgte die Einsetzung eines Liquidators. Ab Juli 2000 übernahm die BSV Verwaltungsgesellschaft mbH Berlin (vormals Treuhandanstalt) die Fortführung der Liquidation bis zu ihrem Abschluss.
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