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Beständeübersicht

Bestand

22502 Familiengeschichtliche Sammlungen des Reichssippenamtes, Genealogische Quellen zu Hugenotten

Datierung1941 - 1944
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)26,45
Geschichte der Familiengeschichtlichen Sammlungen des Reichssippenamtes, Genealogische Quellen zu Hugenotten

Bereits seit Mitte der 1930er Jahre arbeitete die Reichsstelle für Sippenforschung an der Verfilmung sämtlicher Kirchenbücher beider christlicher Glaubensrichtungen sowie der Personenstandsunterlagen jüdischer staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen in Deutschland.[01] Ab Mai 1941 widmete sich die Abteilung "Schriftdenkmalschutz" der inzwischen in Reichssippenamt umbenannten Dienststelle der Umsetzung eines zusätzlichen Auftrags zur Verfilmung historischer Quellen, die sich auf die Hugenotten bezogen.
Nach der Niederlage und Besetzung der Niederlande, Belgiens, Luxemburgs und Frankreichs durch die Wehrmacht im Mai / Juni 1940 rückten die historischen Quellen in den Archiven dieser Länder in den Fokus des für die Planung der Rassen- und Siedlungspolitik zuständigen Rasse- und Siedlungshauptamtes - SS. Besonderes Interesse hatte das Amt an Unterlagen zu Hugenotten. Die französischen Glaubensflüchtlinge wurden in der NS-Rassepolitik als dem deutschen Volk "rassisch gleichwertig" betrachtet und galten als vollständig im deutschen Volk aufgegangen.[02] Bei Recherchen nach Schriftgut mit hohem genealogischen Informationsgehalt zu Hugenotten, stieß man auf die Bestände der TT-Serie im französischen Nationalarchiv Paris. Die Akten dieser, die Angelegenheiten der reformierten Gläubigen betreffenden, TT-Bestände wurden als "sippenkundlich wertvoll" eingestuft. Sie enthalten Namenslisten, Güterverzeichnisse und Angaben zu den Herkunftsorten der Glaubensflüchtlinge.[03] Die Dokumente entstanden in der für die Verwaltung des den Protestanten entzogenen Vermögens zuständigen "Régie des biens des religionnaires", bei den Staatssekretären, die mit protestantischen Angelegenheiten befasst waren und in den reformierten Gemeinden, deren Archive 1685 durch den französischen Staat beschlagnahmt wurden.
Diese Unterlagen wollte das Rasse- und Siedlungshauptamt - SS unbedingt sichern, um möglichst vollständige Personenverzeichnisse für genealogische Forschungen zu erstellen und diese, zusammen mit umfangreichen Informationen zur Vorgeschichte der Fluchtbewegung und der Ansiedlung der Hugenotten in Deutschland, veröffentlichen. Außerdem wollte man Erkenntnisse für die Erbforschung gewinnen. Die Erfassung des durch die Hugenotten in Frankreich zurückgelassenen Besitzes sollte möglicherweise der Vorbereitung einer Ansiedlung deutscher Hugenottennachkommen in Frankreich dienen. Konkrete Anordnungen, die diese These untermauern, konnten durch die Forschung bisher jedoch nicht ermittelt werden.[04]
Das Archivgut war bereits seit Mai 1941 per Bahn aus Paris nach Berlin gebracht worden, dort erfolgte dessen Verfilmung durch das Reichssippenamt. Im Februar 1942 wurde schließlich ein Vertrag über die Zusammenarbeit zwischen dem Rasse- und Siedlungshauptamt - SS und dem Reichssippenamt geschlossen. In ihm wurde festgelegt, dass die erstellten Filme in das Eigentum des Reichssippenamtes übergehen und die aus Papierabzügen erstellten Kopiebände in das Rasse- und Siedlungshauptamt - SS gelangen sollten. Das Verfügungsrecht über die Akteninhalte lag bei der SS. Diese plante den Aufbau einer Kartei aus den daraus gewonnenen Informationen, in der auch das Reichssippenamt kostenfrei recherchieren können sollte.[05] Die Verfilmungsarbeiten wurden Anfang 1944 abgeschlossen. Die Originalakten befinden sich seitdem wieder im französischen Nationalarchiv in Paris.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Bei den Unterlagen des vorliegenden Bestandes handelt es sich fast ausschließlich um Reproduktionen (in Film- und Papierform) der im französischen Nationalarchiv in Paris im Bestand "TT - Affaires et biens des protestants" überlieferten Akten.[06] Die Erstellung der Reproduktionen fand im Zeitraum 1941 – 1944 statt. Die verfilmten Originalakten betreffen den Zeitraum 1562 – 1794.
Nach Kriegsende gelangten die aus dem Rasse- und Siedlungshauptamt - SS und Reichssippenamt in den Kyffhäuserkreis ausgelagerten Kopiebände und Filme zunächst in das durch Paul Langheinrich gegründete "Deutsche Zentralarchiv für Genealogie". 1953 wurden dessen beschlagnahmte Bestände in das Deutsche Zentralarchiv der DDR nach Potsdam überführt. Dieses übergab die genealogischen Sammlungen des Reichssippenamtes 1965 an die "Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte" in Leipzig. In der 1967 in "Zentralstelle für Genealogie in der DDR" umbenannten Einrichtung erfolgte eine nur sehr einfache Verzeichnung der vorliegenden Unterlagen auf Kartei. Die Verzeichnungsangaben wurden den Verfilmungsprotokollen des Reichssippenamtes und den Beschriftungen der Kopiebände entnommen. Auch die aus dem Nationalarchiv Paris vorgegebenen Signaturen wurden übernommen. Der dort genutzte Vorsatz "TT" war bereits während der Verfilmung durch das Reichssippenamt in "Hu" geändert worden. Die durch das Ahnentafelamt im Rasse- und Siedlungshauptamt – SS, vergebenen Signaturen fanden keine Beachtung.
In den Bestand integriert wurden auch die im Juni 1942 in Paris verfilmten Kirchenbücher von Montbéliard, die den Signaturvorsatz "Fr" erhielten. Außerdem liegen unter Klassifikationspunkt 5 verfilmte Quellen zu Hugenotten, z. B. Listen von Galeerensträflingen vor. Die Herkunft dieser verfilmten Dokumente ist nicht mehr nachvollziehbar.
Mit der 1995 erfolgten Eingliederung der Zentralstelle in das Staatsarchiv Leipzig, gelangte auch der vorliegende Bestand hierher. Im März 2020 erfolgte die Retrokonversion und eine, soweit in diesem Rahmen mögliche Überarbeitung der Verzeichnungsangaben. Der Bestand umfasst 26,45 lfm Kopiebände und 941 Filme. Die Überlieferung der Kopiebände ist lückenhaft.

Überlieferungsschwerpunkte

Die Unterlagen betreffen vor allem die Verwaltung des den Glaubensflüchtlingen entzogenen Eigentums, Prozesse um dessen Freigabe sowie Kauf- und Pachtangelegenheiten. Neben allgemeinen Regelungen enthalten die Akten in großem Umfang genealogisch interessante Dokumente, wie z. B. Testamente, Ehe- und Teilungsverträge und außerdem Angaben zu Flucht, verbüßten Gefängnis- und Galeerenstrafen sowie Geburts-, Heirats- und Sterbedaten.
Eine Besonderheit des Bestandes ist die nicht direkt mit der Hugenottenthematik zusammenhängende Überlieferung der verfilmten Kirchenbücher der deutschen Kirchgemeinde von Montbéliard (deutsch: Mömpelgard) für den Zeitraum 1651 – 1794. Montbéliard bildete das Zentrum des linksrheinischen Herrschaftsgebiets des Hauses Württemberg. Dessen Grafschaft Montbéliard bestand von 1397 – 1796.

Hinweise für die Benutzung

Die im französischen Nationalarchiv vorgenommene Klassifikation der Unterlagen wurde für den Bestand im Staatsarchiv Leipzig weitgehend beibehalten und bietet den Hauptansatzpunkt für Recherchen im Bestand, da die Aktentitel nur sehr allgemein gehalten sind.
Gruppe 01 enthält:
Dokumente aus der Arbeit der "Régie des biens des religionnaires", die mit den Angelegenheiten des den Hugenotten entzogenen Eigentums befasst war. Es handelt sich u. a. um Berichte, Inventare von Gütern, Pachtverträge, Pfändungsurkunden, Unterlagen zu Versteigerungen, Rechnungsabschlüsse und Freigaben von Besitz. Die Ordnung innerhalb der Klassifikationsgruppe erfolgt, mit Ausnahme einer Gruppe für allgemeines Schriftgut, in alphabetischer Reihenfolge der Steuerbezirke.
Gruppe 02 enthält:
Unterlagen über das Eigentum der Religionsflüchtlinge, z. B. Anträge auf Freigabe von beschlagnahmtem Eigentum und Erlaubniserteilungen zum Verkauf. Die Ordnung innerhalb der Klassifikationsgruppe erfolgt nach den Familiennamen der Besitzer.
Gruppe 03 enthält:
Unterlagen zu den reformierten Gemeinden aus der Zeit vor und nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685.
Aus der Zeit vor 1685 liegen z. B. Unterlagen zum Gemeindeleben mit Informationen zu Pfarrern, Gottesdiensten, Personenstandsereignissen, Stiftungen, dem Eigentum der Gemeinden und Konflikten mit der katholischen Bevölkerung vor.
Die Unterlagen aus der Zeit nach 1685 betreffen z. B. die Veröffentlichung des Widerrufsediktes, die Aufsicht durch den Staat, Ausweisungen und Auswanderungen, Massenkonversionen, Denunziationen, Verfolgungen und Abschwörungen.
Gruppe 04 enthält:
Unterlagen über die Verwaltung beschlagnahmten Eigentums von Glaubensflüchtlingen und dessen Freigabe, Übertragung und Versteigerung
Gruppe 5 enthält:
Schriften zu Hugenotten aus verschiedenen Quellen
Sondergruppe 6 enthält:
Kirchenbücher der deutschen Kirchgemeinde Montbéliard (Mömpelgard) Fr 1 – 7. Digitalisate dieser Kirchenbücher sind online recherchierbar auf der Website des Archives municipales de Montbéliard http://archives.montbeliard.com/ und bei FamilySearch https://www.familysearch.org/search/catalog/search.

Verweise auf korrespondierende Bestände in anderen Archiven

Archives nationales Paris, TT - Affaires et biens des protestants
Bundesarchiv Berlin, BArch NS 2 Rasse- und Siedlungshauptamt – SS
Bundesarchiv Berlin, BArch R 1509

Quellen und Literatur

Espagne, Michael; Middell Katharina und Matthias (Hrsg.), Archiv und Gedächtnis, Studien zur interkulturellen Überlieferung, in: Deutsch-französische Kulturbibliothek, Bd. 13, Leipzig 2000.
Fuhrich-Grubert, Ursula, Hugenotten unterm Hakenkreuz: Studien zur Geschichte der Französischen Kirche zu Berlin 1933–1945 in: Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Band 85, Berlin 1994.
Schulle, Diana, Das Reichssippenamt. Eine Institution nationalsozialistischer Rassenpolitik, Berlin, 2001.
https://www.siv.archives-nationales.culture.gouv.fr/siv/rechercheconsultation/consultation/pog/consultationPogN3.action?nopId=c614vua77ty-1li3odl6g9tpc&pogId=FRAN_POG_02&search=


[01] Siehe Einleitungen zu den Beständen 21962 Familiengeschichtliche Sammlungen des Reichssippenamtes, Kirchenbücher, 22274 Familiengeschichtliche Sammlungen des Reichssippenamtes, Militärkirchenbücher und 22310 Familiengeschichtliche Sammlungen des Reichssippenamtes, Jüdische Personenstandsunterlagen).
[02] Fuhrich-Grubert, Ursula, Hugenotten unterm Hakenkreuz: Studien zur Geschichte der Französischen Kirche zu Berlin 1933–1945 in: Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Band 85, Berlin 1994, S. 433.
[03] Ebenda, S. 454.
[04] Ebenda, S. 462.
[05] Ebenda, S.457.
[06] https://www.siv.archives-nationales.culture.gouv.fr/siv/rechercheconsultation/consultation/pog/consultationPogN3.action?nopId=c614vua77ty-1li3odl6g9tpc&pogId=FRAN_POG_02&search=


Katrin Heil

September 2020
Reproduktionen der im französischen Nationalarchiv in Paris im Bestand "TT - Affaires et biens des protestants" überlieferten Akten zur Verwaltung, Veräußerung und Freigabe des beschlagnahmten Eigentums von Hugenotten mit Namenslisten, Güterverzeichnissen und Angaben zu den Herkunftsorten der Glaubensflüchtlinge.- Verfilmte Kirchenbücher der deutschen Kirchgemeinde von Montbéliard (deutsch: Mömpelgard).
Im Zuge der Besetzung Frankreichs durch die Wehrmacht führte die Abteilung "Schriftdenkmalschutz" des Reichssippenamtes seit Mai 1941 die Verfilmung der im französischen Nationalarchiv in Paris im Bestand "TT - Affaires et biens des protestants" überlieferten Akten durch. Diese, die Angelegenheiten der reformierten Gläubigen betreffenden, Unterlagen aus dem Zeitraum 1562 - 1794 enthalten u. a. Namenslisten, Güterverzeichnisse und Angaben zu den Herkunftsorten der Glaubensflüchtlinge. Das Schriftgut wurde durch das Rasse- und Siedlungshauptamt - SS als "sippenkundlich wertvoll" eingestuft und seine Verfilmung veranlasst. Die Akten wurden nach Berlin gebracht, dort verfilmt und nach Paris zurückgeführt. 1944 waren Verfilmung und die zusätzliche Erstellung von Kopiebänden abgeschlossen. Nach Kriegsende gelangten die Filme und Kopiebände zunächst in das durch Paul Langheinrich gegründete "Deutsche Zentralarchiv für Genealogie". 1953 wurden dessen beschlagnahmte Bestände in das Deutsche Zentralarchiv der DDR nach Potsdam überführt. Dieses übergab die genealogischen Sammlungen des Reichssippenamtes 1965 an die "Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte" in Leipzig. Mit der 1995 erfolgten Eingliederung der Zentralstelle in das Staatsarchiv Leipzig gelangte auch der vorliegende Bestand hierher.
Eine Besonderheit des Bestandes ist die nicht direkt mit der Hugenottenthematik zusammenhängende Überlieferung der verfilmten Kirchenbücher der deutschen Kirchgemeinde von Montbéliard (deutsch: Mömpelgard).
  • 2020 | Findbuch / Datenbank
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