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Beständeübersicht

Bestand

30461 Strafvollzugseinrichtung Stollberg (Hoheneck)

Datierung1950 - 2001
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)5,95

Bestand enthält auch 38 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Geschichte der Strafvollzugseinrichtung Stollberg/ Hoheneck:

Die bereits im 19. Jh. als sächsisches Weiberzuchthaus erwähnte Einrichtung wurde später als Haftanstalt für männliche und weibliche Gefangene genutzt. Ab Januar 1950 erfolgte die Belegung mit Frauen, die seit 1945 inhaftiert und von SMAD-Militärtribunalen und vom Landgericht Chemnitz im Waldheim zu Strafarbeitslager und Zuchthaus verurteilt worden waren und z. T. aus sowjetischen Speziallagern und anderen Haftanstalten kamen. Bis 1990 diente Stollberg/Hoheneck als einzige Strafvollzugseinrichtung für Frauen in der DDR, darunter ein hoher Anteil an politischen Gefangenen. Auch nach 1990 bis zur Schließung im Jahr 2001 wurden in der nunmehr sächsischen Vollzugsanstalt überwiegend Frauen inhaftiert.



Bestandsgeschichte:

Das Staatsarchiv Chemnitz übernahm 1999 23 Negativ-Filme mit den Signaturen F 1641 – F 1663 zusammen mit den ersatzverfilmten Gefangenenakten der Entlassungsjahrgänge 1961 bis 1970 aus dem Staatsarchiv Leipzig. Das Bundesarchiv hatte vorher Filmbänder mit sämtlichen Gefangenenakten aus Sachsen nach Leipzig gegeben, wo sie nach Beständen getrennt und an die jeweils zuständigen regionalen Staatsarchive weitergeleitet wurden. Als Findmittel diente ein Verzeichnis, das die Familiennamen der Frauen von den jeweiligen Filmanfängen und –enden enthielt. Angaben zu den Laufzeiten dieser Akten fehlten jedoch. Erst ein Abgleich mit 2008 vom Polizeipräsidium Chemnitz angebotenen Filmdubletten gab Veranlassung zur genaueren Prüfung der Überlieferung, da im Bestand bereits mehr Filme vorhanden waren.



Inhalt:
Die Filme enthalten alphabetisch nach Familiennamen geordnete, wahrscheinlich ersatzverfilmte Gefangenenakten.

F 1641: |-----||-----|37 Personen;|-----||-----||-----|F 1642:|-----||-----|68 Personen;

F 1643:|-----||-----|71 Personen;|-----||-----||-----|F 1644:|-----||-----|70 Personen;

F 1645:|-----||-----|72 Personen;|-----||-----||-----|F 1646:|-----||-----|73 Personen;

F 1647:|-----||-----|33 Personen;|-----||-----||-----|F 1648:|-----||-----|65 Personen;

F 1649:|-----||-----|36 Personen;|-----||-----||-----|F 1650:|-----||-----|64 Personen;

F 1651:|-----||-----|69 Personen;|-----||-----||-----|F 1652:|-----||-----|63 Personen;

F 1653:|-----||-----|71 Personen;|-----||-----||-----|F 1654: |-----||-----|70 Personen;

F 1655:|-----||-----|64 Personen;|-----||-----||-----|F 1656:|-----||-----|56 Personen;

F 1657:|-----||-----|52 Personen;|-----||-----||-----|F 1658:|-----||-----|45 Personen;

F 1659:|-----||-----|60 Personen;|-----||-----||-----|F 1660:|-----||-----|46 Personen;

F 1661:|-----||-----|36 Personen;|-----||-----||-----|F 1662: |-----||-----|69 Personen;

F 1663:|-----||-----|41 Personen.

Erfasst wurden die Daten von insgesamt 1 331 Personen.

Die Akten enthalten: Urteile der SMAD-Tribunale in beglaubigter Übersetzung, diese enthalten auch Angaben zum Straftatbestand nach dem Strafgesetzbuch der RSFSR.- Urteile von Großen und Kleinen Strafkammern des Landgerichts Chemnitz in Waldheim nach SMAD-Befehl Nr. 201 ("Waldheim-Prozesse").- Fragebögen.- Lebensläufe.- Unterlagen zum Arbeitseinsatz der Gefangenen.- Karteikarten zur Person, überwiegend mit Passfotos.- (ausführliche) Krankenunterlagen. – Entlassungspapiere (u. a. Gnadengesuche, Amnestien des Präsidenten der DDR, Verkürzung der Haftzeiten durch Beschlüsse des Bezirksgerichts Karl- Marx-Stadt).

Im Einzelfall auch enthalten sind: Vernehmungen.- Hausstrafverfügungen.- Beurteilungen/Führungsberichte.- Besuchserlaubnisscheine.- Übersichten über den Postverkehr.- Geburtsurkunden von während der Haftzeit geborenen Kindern.- Sterbeurkunden verstorbener Frauen.



Erschließung:

Die Erschließung erfolgte mittels Erfassung aller Personen/Gefangenenakten auf den Filmen in einer strukturierten Ecxel-Tabelle. Pro Film wurden laufende Nummer für die Personen/Akten vergeben, um deren Anzahl zu ermitteln.

Erfasst wurden: Aktennummer.- Aktenzeichen.- Name, ggf. Geburtsname, Vorname.- Geburtsdatum.- letzter Wohnort.- verurteilendes Militärtribunal/Strafkammer des Landgerichts Chemnitz in Waldheim.- Delikt.- Strafmaß.- Tag der Verhaftung.- Laufzeitbeginn der Akte.- Laufzeitende der Akte.- wesentlicher Akteninhalt.- besondere Sachverhalte (z. B. Sterbefälle, Geburten von Kindern u. a.).

Auf Grund der Beschaffenheit der Filme (Negativ-Filme) und der Verwendung von z.T. schwer lesbarer Bleistiftschrift können die erfassten Angaben Lesefehler enthalten.

Bestandsanalyse:
Die Verurteilungen durch Militärtribunale aus allen Teilen der sowjetischen Besatzungszone erfolgten vor allem wegen Spionage- und Agententätigkeit, Beihilfe zum Landesverrat/zur Fahnenflucht von Angehörigen der Armee, antisowjetische Agitation und Propaganda, Mitgliedschaft in Untergrundorganisationen bzw. deren Unterstützung, Misshandlung von Sowjetbürgern in Arbeitslagern u. a. Für diese Delikte wurden hohe Haftstrafen ausgesprochen. Der Film 30461/ F 1657 enthält drei Frauen aus einer Familie in einem Ort, die am gleichen Tag verhaftet und wegen Spionage verurteilt wurden. Alle drei kamen 1954 wieder frei. Kriminelle Verfehlungen wie Diebstahl finden sich nur vereinzelt unter den Urteilen.

Urteile von Großen und Kleinen Strafkammern des Landgerichts Chemnitz in Waldheim erfolgten nach dem SMAD-Befehl Nr. 201. Hier wurden hohen Haftstrafen gegen Aufseherinnen und Lagerführerinnen in KZ und Arbeitslagern von Unternehmen ausgesprochen. Auch Denunziantentum und die Mitgliedschaft in NS-Organisationen wurden hart bestraft. Der Film 30461/ F 1654 enthält die Gefangenenakte von Minna Mutschmann (1884-1971), Ehefrau des sächsischen Gauleiters Martin Mutschmann.

Vor allem anhand der ausführlichen Fragebögen kann die soziale Herkunft der Frauen, ihr familiäres Umfeld, der beruflicher Werdegang, Partei- und Organisationszugehörigkeiten, Informationen zu früheren Haftanstalten u. a. nachvollzogen werden. Sie enthalten auch eine Selbstauskunft zum Delikt, die dieses oft relativiert.

Die Akten dokumentieren die ärztliche und zahnärztliche Betreuung der Gefangenen, die vor allem für den Arbeitseinsatz relevant war. Vernehmungen, Haustrafverfügungen, Führungsberichte und Beurteilungen geben Auskunft über das Verhalten der Gefangenen. Besuchserlaubnisscheine und Übersichten über den Postverkehr zeugen von den Kontakten zur Familie. Dokumentiert werden Geburten von Kindern während der Haftzeit und ihre weitere Betreuung, die oft von Heimen übernommen wurde. Einige Gefangene verstarben während der Haftzeit. Auch dies wird in den Akten festgehalten.

Die jüngste Verurteilte wurde im Jahr 1934 geboren, die älteste 1881. Die Mehrheit der Frauen wurde ab 1950 in Hoheneck inhaftiert, wenige 1951 bzw. 1953. Kaum eine der Frauen verbüßte ihre Strafe bis zum Ende. Vor allem 1954 kamen viele frei. Amnestien, Gnadengesuche und Urteile des Bezirksgerichts Karl-Marx-Stadt zur Aussetzung der Strafe auf Bewährung führten zu Entlassungen bis 1958. Vereinzelt erteilte Auskünfte aus den Haftunterlagen führten zu den angegebenen Nachlaufzeiten.

Literatur:
Eisert, Wolfgang: "Die Waldheimer Prozesse". Der stalinistische Terror 1950. Ein dunkles Kapitel der DDR-Justiz, Esslingen/München 1993.

Meyer, Juliane: Humanmedizin unter Verschluss. Die medizinische Versorgung und Behandlung politischer Häftlinge in den Strafvollzugsanstalten der DDR, Berlin 2013.

Otto, Wilfriede: Die "Waldheimer Prozesse" 1950. Historische, politische und juristische Aspekte im Spannungsverhältnis zwischen Antifaschismus und Stalinismus. Berlin 1993.

Schacht, Ulrich: Hohenecker Protokolle. Aussagen zur Geschichte der politischen Verfolgung von Frauen in der DDR, Sächs. Landeszentrale für politische Bildung, Dresden 2004.

Schaller, Barbara: "25 Jahre Strafarbeitslager wegen Beihilfe zur Fahnenflucht …". In: Sächs. Archivblatt, Heft 2/2010, S. 12.

Stadtverwaltung Stollberg/E. (Hrsg.): Vergittertes Schloss. Hoheneck im Wandel der Zeit, Stollberg/E. 2002.

Strafvollzugseinrichtung Hoheneck. Chronik der Jahre 1200 - 1970, o. O., o. D.

Werkentin, Falco: Die "Waldheimer Prozesse" der Jahre 1950/52. In: Materialien der Enquete-Kommission. Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Hrsg. vom Deutschen Bundestag, Frankfurt am Main 1995 (a), Band IV, S. 849 ff.
Jan Philipp Wölbern:
Die historische Aufarbeitung der Zwangsarbeit politischer Häftlinge im Strafvollzug der DDR (https://www.beauftragter-neue-laender.de/BNL/Redaktion/DE/Downloads/Anlagen/studie-zwangsarbeit-politischer-haeftlinge-in-der-ddr.pdf?__blob=publicationFile&v=3)
Strafvollzugseinrichtung Hoheneck. Chronik der Jahre 1200 - 1970, o. O., o. D.

Ulricht Schacht: Hohenecker Protokolle. Aussagen zur Geschichte der politischen Verfolgung von Frauen in der DDR, Sächs. Landeszentrale für politische Bildung, Dresden 2004

Stadtverwaltung Stollberg/E. (Hrsg.): Vergittertes Schloss. Hoheneck im Wandel der Zeit, Stollberg/E. 2002

Juliane Meyer: Humanmedizin unter Verschluss. Die medizinische Versorgung und Behandlung politischer Häftlinge in den Strafvollzugsanstalten der DDR, Berlin 2013
Tätigkeitsbücher.- Kassenbücher.- Unterlagen der SED-Grundorganisation.- Protokolle von Leitungsberatungen.- Lageeinschätzungen.- Zusammenarbeit mit Betrieben und Bildungseinrichtungen.- Statistiken.- Haushaltplanung.- Arbeitskräfteplanung.- Chronik.- Ersatzverfilmte Gefangenenakten 1950 - 1960, hier: Verurteilungen von Frauen durch SMAD-Militärtribunale und durch das Landgericht Chemnitz in Waldheim ("Waldheim-Prozesse").- Ersatzverfilmte Gefangenenakten 1960 - 1970.
Die im 19. Jh. als Sächsisches Weiberzuchthaus erwähnte Einrichtung wurde als Haftanstalt für männliche und weibliche Gefangene genutzt. 1950 erfolgte die Belegung mit Frauen, die durch sowjetische Militärtribunale verurteilt worden waren und zum Teil aus Speziallagern kamen. Die Strafvollzugseinrichtung für Frauen verzeichnete einen hohen Anteil an politischen Gefangenen.
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