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Beständeübersicht

Bestand

30828 Grundherrschaft Thurm

Datierung1476 - 1864
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)5,09
1. Geschichte der Grundherrschaft Thurm
Die südlich von Glauchau gelegene Siedlung Turris wird 1320 erstmals erwähnt. Im Ort lassen sich Reste einer spätmittelalterlichen Wasserburg nachweisen, die vermutlich im Zuge der Besiedlung der Herrschaft Lichtenstein angelegt worden war und als Sitz adliger Vasallen der Herren von Schönburg diente. Für das Jahr 1382 ist der Übergang des Rittersitzes Thurm von der Herrschaft Lichtenstein an die Herrschaft Glauchau belegt. Als diese 1681 geteilt wurde, gelangte Thurm an die Herrschaft Forderglauchau, deren Bestandteil sie bis zur Wiedervereinigung der Herrschaftsteile Forder- und Hinterglauchau im Jahr 1900 blieb. Als schönburgisches Vasallengut unterstand Thurm seit der frühen Neuzeit direkt der schönburgischen Gesamtregierung und der Lehnskurie in Glauchau.
Erster namentlich fassbarer Besitzer von Thurm ist der am 10. November 1411 genannte Rudolf von Meckau. 1476 erwarben die Brüder Johann und Hermann von Weißenbach für eine Summe von 500 Gulden die Anwartschaft auf das Ritterlehen Thurm, falls der damalige Besitzer Heinrich von Meckau kinderlos sterben sollte. Dieser Fall trat 1486 ein, sodass 1489 Otto, Hans Hermann und Wolf, die Söhne Hermann von Weißenbachs, mit dem Rittergut belehnt wurden. Mit der Familie von Weißenbach trat ein Adelsgeschlecht in die Vasallität der Schönburger ein, das mit Schönfels und Crimmitschau über weitere bedeutende Besitzungen in der Region verfügte, mit Johann von Weißenbach von 1476 bis 1487 einen Meißner Bischof stellte, Schlüsselpositionen im Verwaltungsgefüge Mitteldeutschlands einnahm und Anfang des 16. Jahrhunderts in den Reichsritterstand erhoben wurde. Entsprechend selbstbewusst agierten die Rittergutsbesitzer gegenüber ihren Lehnsherren. So ignorierten sie 1614 einen Schuldspruch der schönburgischen Gesamtregierung wegen übermäßiger Fronforderungen und appellierten stattdessen an das Oberhofgericht in Leipzig. Dieses Hilfsersuchen an eine kursächsische Behörde forcierte die Auseinandersetzung zwischen dem Kurfürsten und den Herren von Schönburg um die Landeshoheit in den Reichsafterlehnsherrschaften Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein und Hartenstein, in die auch der Kaiser zugunsten der Schönburger eingriff. Die Androhung, Hans Hermann von Weißenbach in Prag gefangen zu setzen, brach dessen Widerstand. Jedoch prägten auch in der Folgezeit Kompetenzstreitigkeiten, z. B. über die kirchenhoheitlichen Befugnisse in Thurm, das Verhältnis zwischen der Familie von Weißenbach und den Schönburgern.
Seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts wandte sich das Interesse der Familie von Weißenbach zunehmend von Thurm ab. 1799 wurde der Wirtschaftsbetrieb des Ritterguts an August Heinrich Riemschneider verpachtet. Thurm verlor seine Funktion als Wohnsitz der Familie und wurde 1817 an die Gebrüder Friedrich und Wilhelm von Kotzau verkauft. 1834 ging das Rittergut in den Besitz des Fabrikanten Meinert aus Oelsnitz/Erzgeb. über.
Die grundherrlichen Rechte des Ritterguts unter Einschluss der Obergerichtsbarkeit erstreckten sich über das Dorf Thurm und Teile von Niedermülsen. In Teilen der Dörfer Niederschindmaas, Seiferitz, Waldsachsen, Wernsdorf und Wulm besaß der Grundherr nur die Erbgerichtsbarkeit. Zur Ausübung der Gerichtsbefugnisse unterhielten die Rittergutsbesitzer eine Patrimonialgerichtsstelle, die von einem Gerichtsdirektor geleitet wurde. Diese blieb aufgrund der schönburgischen Sonderrechte auch nach der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit im Königreich Sachsen über das Jahr 1856 hinaus bestehen. Als am 1. Juni 1865 dann doch die sächsische Gerichtsorganisation in den Schönburgischen Herrschaften zur Einführung kam, wurde Thurm dem neugebildeten Gerichtsamt Glauchau zugewiesen.
Insbesondere die lange Präsenz der Adelsfamilie von Weißenbach in Thurm hat den Ort nachhaltig geprägt. Neben der schlossartig ausgebauten Familienresidenz, die nach einem Brand 1876 wiederhergestellt wurde, zählt vor allem die Dorfkirche St. Urban mit ihrem Peter-Breuer-Altar zu den architektonischen Wahrzeichen des Mülsengrundes. Das in ihr befindliche Renaissancegrabmal Wolfs von Weißenbach (gest. 1584) gilt als ein Hauptwerk der Brüder Samuel und Uriel Lorentz aus Freiberg und würdigt exemplarisch die patriarchalische Herrschaftspraxis der Rittergutsbesitzer. Zu ihr gehörte auch das Bemühen um die wirtschaftliche Entwicklung Thurms, das 1709 in der Gründung einer Papiermühle gipfelte - ein Schritt, der wiederum den schönburgischen Verordnungen zuwiderlief, aber ungeahndet blieb. Die Papiermühle brannte 1864 ab und wurde nicht wieder aufgebaut.


2. Bestandsgeschichte
Mit der Abgabe der Patrimonialgerichtsbarkeit übernahm das Gerichtsamt Glauchau und später dessen Nachfolgebehörde, das Amtsgericht Glauchau, die Thurmer Gerichtsakten. Von dort gelangten sie in das Hauptstaatsarchiv Dresden, wo sie als sogenannte Lagerungsgemeinschaften aufbewahrt wurden. 2002 erfolgte eine Neuordnung der Bestände gemäß ihrer Herkunftsregionen, in deren Ergebnis das für Südwestsachsen zuständige Staatsarchiv Chemnitz den noch virtuellen Bestand Grundherrschaft Thurm unter der Signatur 30828 in seine Tektonik eingliederte. Von 2005 bis 2009 wurden die Lagerungsgemeinschaften im Staatsarchiv Chemnitz aufgelöst und die Akten ihren ursprünglichen Provenienzen zugeordnet. 2006 kam es dabei zur Formierung des heutigen Bestands aus Teilen der Lagerungsgemeinschaften der Amtsgerichte Glauchau und Meerane sowie Vorakten der Amtshauptmannschaft Glauchau. Ihm wurden auch einzelne Akteneinheiten aus einer Abgabe des Amtsgerichts Hohenstein-Ernstthal aus dem Jahr 2005 angegliedert. Anschließend erfolgte die Retrokonversion der Findkartei. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinen- und handschriftlich vorliegenden Angaben in die digitale Form überführt. 2015 schloß sich eine Klassifikation der Akteneinheiten sowie die Verzeichnung der noch unerschlossenen spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Besitz- und Lehnsurkunden der Adelsfamilie von Weißenbach an.
Der Bestand hat einen Umfang von 187 Akteneinheiten und zwölf Urkunden mit einer Laufzeit von 1476 bis 1864.


3. Bestandsanalyse
Der Bestand dokumentiert hauptsächlich die Tätigkeit der Patrimonialgerichte Thurm auf dem Gebiet der zivilen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Umfangreichen Niederschlag hat in der Überlieferung auch die Durchführung der sächsischen Agrarreformen, speziell des Gesetzes über die Ablösungen und Gemeinheitsteilungen von 1832 erfahren. Zudem lassen die Akten und Urkunden Rückschlüsse auf Rolle und Aktivitäten der Grundherrenfamilien von Weißenbach und von Kotzau zu. Um die Frage nach deren politischem Einfluss, der Interaktion mit den Untertanen und der eigenen wirtschaftlichen Betätigung angemessen beantworten zu können, sind aber unbedingt weitere Überlieferungsstränge hinzuzuziehen. Dies trifft ebenso auf die Bedeutung der regional bekannten Papiermühle Thurm zu. Im Gegenzug bieten die vorhandenen Akten zur Kirchen- und Schulgeschichte von Thurm Material, das die pfarramtliche Überlieferung mehr als ergänzen dürfte.


4. Quellen und Literatur
Groß, Reiner: Herrschaftliche Güter bis zur bürgerlichen Agrarreform: Beiheft zur Karte B II 1. Dresden/Leipzig, 2004, S. 62.

Pätzold, Die Herren von Weißenbach auf Rittergut Thurm, in: Schönburgische Ge-schichtsblätter III (1896/97), S. 92-103.

Walter Schlesinger, Die schönburgischen Lande bis zum Ausgang des Mittelalters, Dresden 1935.

Michael Wetzel, Schönburgische Herrschaften. Karte C III 6 mit Beiheft im Atlas für Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Leipzig/Dresden 2007.
Groß, Reiner: Herrschaftliche Güter bis zur bürgerlichen Agrarreform: Beiheft zur Karte B II 1. Dresden/Leipzig, 2004, S. 62.

Pätzold, Die Herren von Weißenbach auf Rittergut Thurm, in: Schönburgische Ge-schichtsblätter III (1896/97), S. 92-103.

Schlesinger, Walter: Die schönburgischen Lande bis zum Ausgang des Mittelalters, Dresden 1935.

Wetzel, Michael: Schönburgische Herrschaften. Karte C III 6 mit Beiheft im Atlas für Geschichte und Landeskunde von Sachsen, Leipzig/Dresden 2007.
Rechte des Ritterguts.- Erbhuldigungen.- Erbregister.- Ablösungen.- Berainungen.- Einführung der Landgemeindeordnung.- Kirchensachen.- Schulsachen.- Anlegung der Grund- und Hypothekenbücher.- Grundstücksangelegenheiten.- Versteigerungen.- Zivilgerichtsbarkeit.- Nachlässe.- Gerichtsprotokolle.- Kaufprotokolle.- Konsensprotokolle.- Papiermühle Thurm.- Lehnsurkunden der Besitzerfamilie von Weißenbach.
Die südlich von Glauchau gelegene Siedlung "Turris" wird 1320 erstmals erwähnt. Das gleichnamige Rittergut gehörte zur Herrschaft Glauchau (seit 1681 Herrschaft Forderglauchau). Es zählte mit 7.982,20 Steuereinheiten um 1840 zu den Gütern mittlerer Größe in Sachsen. Die grundherrlichen Rechte unter Einschluss der Obergerichtsbarkeit erstreckten sich über das Dorf Thurm und Teile von Niedermülsen. In Teilen der Dörfer Niederschindmaas, Seiferitz, Waldsachsen, Wernsdorf und Wulm besaß der Grundherr nur die Erbgerichtsbarkeit. Als schönburgisches Vasallengut unterstand Thurm direkt der Gesamtregierung und der Lehnskurie in Glauchau. Ursprünglich wurde das Gut an adlige Vasallen der Herren von Schönburg verlehnt. Seit 1489 befand es sich im Besitz der Adelsfamilie von Weißenbach. Im 19. Jahrhundert ging Thurm an den schönburgischen Regierungsrat Friedrich Freiherrn von Kotzau über. Das Rittergut Thurm besaß die Gerichtsbarkeit über Güter in Niedermülsen, Niederschindmaas, Seiferitz (bei Meerane), Thurm, Waldsachsen, Wernsdorf (bei Glauchau) und Wulm. Mit der Verstaatlichung der Justiz in Sachsen ging die Gerichtsbarkeit des Ritterguts nach 1854 vermutlich an das Amt Glauchau. Als 1865 die sächsische Gerichtsorganisation in den Schönburgischen Herrschaften zur Einführung kam, wurde Thurm dem Gerichtsamt Glauchau zugewiesen.
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  • o. D. [Konversion 2010] | Findkartei / Datenbank für 3,52 lfm
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