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Beständeübersicht

Bestand

20572 Rittergut Wiederau bei Pegau

Datierung1584 - 1946
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)8,80

Geschichte des Ritterguts Wiederau

Nördlich von Pegau, zwischen der Weißen Elster und dem Elstermühlgraben, liegt Wiederau. Die Gemeinde gehört heute zur Stadt Pegau (früher Amt Pegau; ab 1856 Gerichtsamt Pegau; ab 1874 Amtshauptmannschaft Borna).
Der Ort wurde 1080 in den "Annales Pegavienses" erstmals erwähnt. Ab 1377 ist ein Herrensitz nachweisbar, der offenbar im 16. Jh. zum Rittergut mit Grundherrschaft über die Gemeinde Wiederau umgewandelt wurde. Ab 1612 besaßen die Herren von Pflugk auf Eythra und Mausitz das altschriftsässigie Rittergut. 1697 kaufte der Leipziger Handelsherr und Sohn eines schottischen Bortenhändlers David Fleischer, der 1703 geadelt wurde und sich dann David von Fletscher nannte, das Gut von Gebhard von Pflugk. Er ließ bis 1705 das Schloss auf dem Grundstück des 1614 abgebrannten Herrenhauses errichten, das bis heute als wichtiges Zeugnis des sächsischen Barocks gilt. Außer dem Gebäude selbst ist das Deckengemälde im Festsaal von dem italienischen Maler Giovanni Francesco Marchini hervorzuheben. Zum Schloss gehörte ein französischer Park mit Wassergraben und Orangerie. Von Fletscher verkaufte das Rittergut 1728 an Graf Otto Wilhelm Solms, dieser ein Jahr später an Hauptmann Christian Gotthelf von Mordeisen.[01]
Im Jahr 1737 erwarb der sächsische Konferenzminister Graf Johann Christian von Hennicke das Rittergut. Zur Huldigungsfeier am 28. Sept. 1737 komponierte Johann Sebastian Bach die weltliche Kantate "Angenehmes Wiederau – freue dich in deinen Auen".[02] Von Hennicke kaufte 1742 zusätzlich das Rittergut und das Mühlengut Großstorkwitz mit eigener Gerichtsbarkeit. Seit dieser Zeit sind diese Güter ebenso wie das Rittergut Kleindalzig mit Wiederau verbunden. Nach dem Tod des Johann Christian von Hennicke 1753 erbten sein Sohn Friedrich Christian v. Hennicke und dessen einzige Tochter Christiane Sophie Gräfin v. Hennicke das Gut.[03] Sie war ab 1763 mit Gottlob Erich von Berlepsch auf Uhrleben und Großengottern (1734 – 1798), sächs. Oberküchenmeister und Hofmarschall, verheiratet.[04] Mehrere Mitglieder der Familie von Hennicke und von Berlepsch sind im Erbbegräbnis der Johanniskirche zu Wiederau begraben.
Nach dem Tod von Berlepsch' im Jahre 1798 gelangte das Rittergut über seine Pflegetochter Christiane Elisabeth Wüsthof, verheiratet mit Friedrich Christian Kypke, an die Familie von Kypke bzw. von Radke-Kypke.[05] F. C. Kypke war Sekretär des Oberküchenmeisters von Berlepsch.[06] Über Heloise Kypke auf Wiederau, ab 1816 verheiratet mit Heinrich Albrecht Wilhelm von Holleuffer (1795 – 1866), ging das Gut an die Familie Holleuffer bzw. Holleuffer-Kypke[07] über. Auf Anordnung des Justizministeriums wurde am 20. Mai 1856 die Gerichtsbarkeit des Ritterguts an den sächsischen Staat übertragen. Für Wiederau, Großstorkwitz und Maschwitz gelangte sie an das Justizamt Pegau, für Döhlen, Kleindalzig und Rüssen an das Königliche Gericht Zwenkau.
Im Jahr 1906 erbte Konrad von Holleuffer das Rittergut Wiederau, der 1926 Mitglied der KPD wurde und für seine antifaschistische Haltung bekannt war. Das Rittergut, ab 1933 als Erbhof,[08] blieb bis 1945 im Besitz der Familie Holleuffer-Kypke. Das Schloss wurde später als Gemeindeamt und Kindereinrichtung genutzt. 1983 wurde die Orangerie abgebrochen. Um die Wiederherstellung des Schlosses und des Schlossparks bemüht sich heute ein Förderverein.

Besitzer des RG Wiederau (bei Pegau)

1377
Herrensitz
1612
Herren v. Pflugk auf Eythra und Mausitz
1697
David Fleischer (1703 von Fletscher)
1728
Graf Otto Wilhelm Solms
1729
Christian Gotthelf von Mordeisen
1737
Graf Johann Christian v. Hennicke (+ 1753)
1753
Friedrich Christian und Christiane Sophie v. Hennicke (+ 1789)
1789
Gottlob Erich von Berlepsch
1798
Familie von Radke-Kypke
1816
Heinrich Albrecht Wilhelm von Holleuffer
1906
Konrad von Holleuffer bzw. Holleuffer-Kypke (ab 1907)
1930
Xaver von Holleuffer-Kypke
Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Das Schlossarchiv von Wiederau befand sich in der 2. Etage des Schlosses in Verbindung mit der Bibliothek. Es enthielt in den 1930er Jahren u. a. zahlreiche Landtagssachen und abschriftliche Regierungsunterlagen, die unverzeichnet waren. In Folge der Bodenreform wurden die Unterlagen von der russischen Besatzungsmacht mehrfach umgelagert und schließlich durch die Gemeinde Wiederau gesichert. Es wurden ca. 40 Aktenbündel erfasst, die ab 1602 datierten und sowohl Akten als auch Urkunden und Verträge enthielten. Im Januar 1956 wurde der Bestand mit einem Umfang von ca. 4 lfm von der Gemeinde Wiederau mit einem Verzeichnis an das Landesarchiv Leipzig übergeben.
Weitere Unterlagen der Patrimonialgerichtsbarkeit wurden dem Bestand im Staatsarchiv zu Beginn der 1960er Jahre zugefügt. Er war bisher durch eine handschriftliche, schwer lesbare Findkartei aus dem Jahr 1965 erschlossen. Die Kartei war nur in 3 Gruppen unterteilt: 1. Patrimonialherrschaftsarchiv, 2. Wirtschaft, 3. Familienarchiv.
Im Jahr 2008 ist die Kartei durch Retrokonversion in das PC-Programm AUGIAS übertragen und im Jahr 2009 endgültig geordnet und redigiert worden. Die Verzeichnungsangaben sind i. d. R. unverändert übernommen worden, die Schreibweise von Ortsnamen wurde berichtigt sowie Orts- und Personenregister angelegt. Folgende Angaben wurden erfasst: alte Archivsignatur, lfd. Nr., Titel, Enthält-Vermerk, Datierung, Band, Verweis, Provenienz sowie der frühere Bestandszusammenhang (z. B. AH Borna). Die früheren Signaturen waren auf der Abgabeliste von 1956 nachgetragen. Die Gerichtsbücher (1 Band) sind darüber hinaus virtuell erfasst worden.
Der Bestand enthält 460 VZE mit einem zeitlichen Umfang von 1584 bis 1946. Es dominieren Unterlagen der Gutswirtschaft und der Familien, während das Patrimonialgericht mit ca. 150 AE relativ spärlich überliefert ist. Unter den Wirtschaftsunterlagen sind neben der Buchführung die umfangreichen Nachweise zu den Mühlen und den Ziegeleien hervorzuheben. Das Familienarchiv enthält auch Unterlagen über den Sprengel des Ritterguts Wiederau hinaus: Besitzungen in Thüringen von der Familie von Berlepsch sowie eine Sammlung von Anschlägen verschiedener, auch nichtsächsischer Rittergüter aus dem 18./Anfang 19. Jh. Als Besonderheit sind einige Unterlagen aus der Tätigkeit der Gemeinde Wiederau (1839 – 1946) überliefert, die vermutlich während der Nutzung des Schlosses als Gemeindeamt dem Bestand hinzugefügt wurden.

Hinweise zur Benutzung

Die Erfassung erfolgte mit dem Archivprogramm AUGIAS für Windows, mit dem auch das Orts- und das Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20572 RG Wiederau, Nr. (fettgedruckte Zahl)

Verweis auf korrespondierende Bestände

20078 Königliches Gericht Zwenkau
20016 Amt Pegau

Birgit Richter

Mai 2009



[01] Im Elsterland – zwischen Zwenkau, Groitzsch und Pegau, hg. von PRO Leipzig, 2002, S. 114 ff.
[02] "Angenehmes Wiederau...", SÜDRAUM journal 4, Herausgegeben vom Christlichen Umweltseminar Rötha e. V., Kulturbüro Espenhain, 1997.
[03] Vgl. dazu und zu Folgendem: HStA, 10707 Hauptstaatsarchiv, Nr. 4729 (Ortsakten Wiederau), S. 244 f.
[04] Gothaisches genealogisches Taschenbuch der gräflichen Häuser auf das Jahr 1869, Anhang S. 1080.
[05] Namensmehrung 1872 für die Witwe von Alfred Anton v. Radke auf Wiederau, s. Genealogisches Handbuch des Adels, Gesamtreihe, Bd. 122, 2000, S. 138.
[06] Inschrift auf dem Erbbegräbnis der Johanniskirche: http://www.ev-kirche-zwenkau.de/Wiederau/Geschichte. htm (17.3.2009).
[07] Namensvereinigung ab 1907, s. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adligen Häuser, 1942, S. 228.
[08] HStA, 10707 Hauptstaatsarchiv, Nr. 4729, S. 244.
Grundlagen der Patrimonialherrschaft.- Gerichtsverwaltung.- Gerichtsbücher.- Gerichtsprotokolle.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Patronat.- Grundherrlich-bäuerliche Verhältnisse.- Gutswirtschaft.- Familienarchive von Hennicke, Berlepsch, Kypke und Holleuffer.
Nordöstlich von Pegau auf dem Gebiet des Amts Pegau lag das altschriftsässige Rittergut Wiederau. Besitzer des Guts seit dem 17. Jahrhundert waren u. a. die Familien von Pflug, von Fletscher und von Hennicke. Nach 1798 bis zur Enteignung im Zuge der Bodenreform 1945 befand sich das Gut im Besitz der Familien Kypke bzw. Holleuffer-Kypke. Auf Anordnung des Justizministeriums wurde am 20. Mai 1856 die Gerichtsbarkeit des Ritterguts über Wiederau, Großstorkwitz und Maschwitz dem Justizamt Pegau übertragen, über Döhlen, Kleindalzig und Rüssen dem Königlichen Gericht Zwenkau.
  • 2009 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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