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Bestand

11812 Deutsche Reichsbank, Reichsbankhauptstelle Dresden

Datierung1885 - 1951
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)51,90
b>VVorwort
Organisationsgeschichte der Deutschen Reichsbank
Der Deutsche Zollverein führte im Bereich der Handelspolitik in den vier Jahrzehnten vor der Reichsgründung 1871 eine weitgehende Vereinheitlichung herbei. Seinen diesbezüglichen Bemühungen im Bereich des Bank- und Währungswesens blieb jedoch jeder Erfolg versagt. Hier herrschte noch bis zur Reichsgründung ein kleinstaatliches Geflecht zumeist privater Notenbanken und eine völlig ungeregelte Währungsvielfalt vor. Der im Zeichen der Industrialisierung stetig anwachsende Kapitalbedarf wurde vielfach durch unkontrollierte Papiernotenausgabe befriedigt, woraus chronische Währungsinstabilität und kleinstaatliche Währungsschranken durch Umlaufverbote resultierten. Der dem Wirtschaftsaufschwung geforderte überregionale Zahlungsverkehr wurde durch die desolate Bankverfassung bedrohlich gehemmt.

Nach der Reichsgründung 1871 bestand daher eine Zentralaufgabe der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Vereinheitlichung des Banken- und Geldwesens. Ein erster Reformschritt erfolgte im Juli 1873 durch das Münzgesetz, durch das die Reichsgoldwährung eingeführt und die Papiergeldausgabe erheblich eingeschränkt wurde. In einem zweiten Reformschritt wurde im April 1874 auch einheitliches Papiergeld eingeführt. Die Stabilität der Währungsordnung hing jedoch an der Reorganisation des Bankwesens. Sie erforderte die Einrichtung einer Zentralbank mit reichsweiten Kompetenzen und Zweigstellennetz. Für Preußen und den Norddeutschen Bund, d. h. den größeren Teil des Reichsgebietes, bestand ein solches Institut bereits in Form der "Preußischen Bank". Aus rechtlich-föderalen Rücksichten konnte diese den übrigen Bundesstaaten jedoch nicht aufgezwungen werden. Sie musste vielmehr als föderaler Kompromiss in das gewachsene System der regionalen Privatnotenbanken eingebunden werden. Durch das Bankgesetz vom 14. März 1875 in Verbindung des Reichsbankstatuts vom 21. Mai 1875 erfolgte dann auch dieser dritte Reformschritt. Durch das Gesetz wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1876 die "Reichsbank" mit Hauptsitz zu Berlin eingerichtet. Sie fungierte als Nachfolgeinstitut der Preußischen Bank, die durch Staatsvertrag zwischen Preußen und dem Deutschen Reich auf das Reich überging.

Ihre Aufgabe bestand in der Regelung des Geldumlaufs im Reichsgebiet, der Erleichterung der Zahlungsausgleichungen sowie der Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals. In Verfolgung dieser Zwecke war sie befugt, im gesamten Reichsgebiet Zweiganstalten zu errichten. Hierneben blieb es dem Bundesrat mit Rücksicht auf die föderale Struktur des Reichs vorbehalten, der Reichsbank die Errichtung von Zweiganstalten an bestimmten Orten des Reichs auch anzuordnen. Die Reichsbank war dabei befugt, Gold, Silber, Wechsel, Schecks, staatliche und kommunale Schuldverschreibungen sowie Effekten an- und zu verkaufen, Darlehen gegen bewegliche Pfänder zu erteilen (Lombardverkehr), Inkassos für Rechnung von Anstalten, Behörden und Privatpersonen zu besorgen, Gelder im Depositengeschäft und Giroverkehr zu transferieren, Wertgegenstände zu verwahren und zu verwalten sowie insbesondere auch in Goldmark gedeckte Banknoten nach dem Bedürfnis des Verkehrs auszugeben. Sie erhielt jedoch kein Notenausgabemonopol. Die bestehenden Notenprivilegien wurden vielmehr bestätigt und grundsätzlich blieb auch die Verleihung weiterer Notenprivilegien zulässig. Durch die im Bankgesetz festgeschriebenen Beschränkungen der Notenbanken, insbesondere im Wertpapierhandel, büßte das Notenprivileg jedoch bedeutend an Lukrativität ein. Bereits unmittelbar nach der Verkündigung des Bankgesetzes verzichteten dreizehn der bestehenden dreiunddreißig Institute auf ihr Notenprivileg, weitere sechzehn Institute in den Folgejahrzehnten. Anfang der 1920er Jahre hielten neben der Reichsbank lediglich noch die Bayerische Notenbank, die Sächsische Bank, die Württembergische Bank sowie die Badische Bank ihr Notenprivileg aufrecht.

Getragen wurde die Reichsbank vom Deutschen Reich sowie privaten Anteilseignern. Die Reichsaufsicht übte das Reichsbankkuratorium – unter Vorsitz des Reichskanzlers – aus, dessen Mitglieder anteilig von Kaiser und Bundesrat ernannt wurden. Die Reichsbankleitung war diesem Kuratorium gegenüber in vollem Umfang rechenschaftspflichtig, d. h. sie musste ihre geschäftlichen Leitlinien und Operationen mit diesem abstimmen. Als staatliche Behörde unterlag die Reichsbank nicht der Einkommens- und Gewerbesteuerpflicht und wurden die Dienstverhältnisse ihrer Beschäftigten durch das Beamtenrecht geregelt.

Wie bereits bei der "Preußischen Bank" sah auch die Konzeption der Reichsbank eine Verbindung von Staats- und Privatkapital vor. Ihr Grundkapital wurde daher wesentlich aus privaten Einschusskapital aufgebracht; durch Umtausch von Anteilen der Preußischen Bank in Reichsbankanteile sowie durch Verkauf von Reichsbankanteilen an private Anteilseigner. Die privaten Anteilseigner bildeten bis hinab auf die Bezirksebene eigene Aufsichtsorgane. Oberstes Organ war die Generalversammlung, die alljährlich in Berlin unter Vorsitz des Reichsbankpräsidenten zusammentrat. In ihr wurde die Jahresbilanz präsentiert, erfolgte insbesondere auch die Beschlussfassung über Grundkapitalerhöhungen und Abänderungen des Reichsbankstatuts. Die Generalversammlung wählte hierneben die Mitglieder des Zentralausschusses der Anteilseigner. Dieser fungierte ähnlich dem Reichsbankkuratorium als ständiges zentrales Aufsichtsorgan gegenüber der Reichsbankleitung. Unterhalb der Reichsebene bildeten die Anteilseigner auf der Ebene der Reichsbankhauptstellen Bezirksausschüsse, die durch alljährliche Bezirksversammlungen eingesetzt wurden. Als staatliches Regulativ gegenüber den Anteilseignern behielt sich das Reich die Option vor, zu bestimmten Fixdaten (1891, dann in Zehnjahresintervallen) die Reichsbank aufzukündigen oder auch sämtliche Anteile an ihr zum Nennwerte zu übernehmen. Dieser Aufkündigungsklausel bediente sich das Reich allerdings nur zur Durchsetzung von Modifikationen bei der Gewinnausschüttung aus dem Reichsbankgeschäft und von Grundkapitalerhöhungen.

Die oberste Leitung, Verwaltung und Repräsentation der Reichsbank lag indessen beim "Reichsbankdirektorium". Es hatte den Rechtsstatus einer "Obersten Reichsbehörde" und war insoweit Träger eigener gesetzlicher Machtbefugnisse. Seine zunächst sechs Mitglieder – zuzüglich des Reichsbankpräsidenten – wurden auf Vorschlag des Bundesrats und nach Anhörung durch den Zentralausschuss der Anteilseigner vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt. Den Vorsitz im Direktorium führte der Reichsbankpräsident. Bei Verhinderung wurde er durch einen vom Kaiser ernannten Stellvertreter vertreten, ab 1887 durch einen Vizepräsidenten als ständigen Vertreter. Das Reichsbankdirektorium fasste seine Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit, war darüber hinaus jedoch den Weisungen des Reichsbankpräsidenten unterworfen. Neben der Zentralverwaltung leitete es auch die Reichshauptbank mit der Reichshauptkasse, d. h. es übte zugleich die Geschäftsleitung im Bankbezirk Berlin aus.

Direkt unterstellt waren dem Reichsbankdirektorium die "Reichsbankhauptstellen". Sie wurden an bedeutenderen Bankplätzen eingerichtet und waren damit betraut, innerhalb ihres Bezirks die gesetzlichen Aufgaben der Reichsbank selbständig umzusetzen. Sie leiteten ihre Machtbefugnisse direkt vom Reichsbankdirektorium ab und genossen nach außen hin unbeschränkte Vertretungsbefugnisse. Ihre Leitung oblag jeweils zwei Vorstandsbeamten, die wiederum durch einen vom Kaiser ernannten "Reichsbankkommissar" sowie durch einen Bezirksausschuss der Anteilseigner beaufsichtigt wurden. Die Koordination der Geschäftsoperationen zwischen den Reichsbankhauptstellen, die voneinander unabhängig wirtschafteten, erfolgte über Vermittlung des Reichsbankdirektoriums sowie durch alljährliche Konferenzen des Direktoriums mit den Vorstandsbeamten.

Hierneben wurden an kleineren Bankplätzen "selbständige Reichsbankstellen" eingerichtet. Auch sie waren direkt dem Reichsbankdirektorium unterstellt und leiteten von diesem für ihren Bezirk die unbeschränkte Vertretungsbefugnis ab. Es bestand daher kein Unterstellungsverhältnis zu den Reichsbankhauptstellen. Die Aufsicht über die Leitungstätigkeit ihrer Vorstandsbeamten oblag bei den selbständigen Reichsbankstellen lediglich einem "Reichsbankjustitiar", es fehlte also ein unmittelbares Aufsichtsorgan der Anteilseigner.

Die unterste Instanz der Reichsbankorganisation bildeten schließlich die "Reichsbanknebenstellen". Sie waren nicht dem Reichsbankdirektorium, sondern unmittelbar einer Reichsbankstelle bzw. Reichsbankhauptstelle unterstellt. Örtlich auf den Amtssitz beschränkt, standen sie sowohl im Innen- als auch Außenverhältnis in vollständiger Abhängigkeit zum vorgesetzten Reichsbankinstitut. Über dieses erfolgten Dienstverkehr und Abrechnung; und ihre Geschäfte unterlagen auch grundsätzlich der Genehmigungspflicht durch das vorgesetzte Institut. Insbesondere im Gründungsjahrzehnt der Reichsbank handelte es sich bei den Nebenstellen vielfach lediglich um nebenamtlich besetzte Agenturen oder bloße Warenlager. Im Interesse eines geregelteren Geschäftsablaufs wurde die materielle und personelle Ausstattung der Nebenstellen jedoch kontinuierlich verbessert. In Teilbereichen des Geschäftsverkehrs erfolgte auch ein gewisser Kompetenzzuwachs, insbesondere die Heranziehung zum Giroverkehr. Die grundsätzliche Abhängigkeit vom vorgesetzten Institut in allen Geschäftssparten bestand hiervon unberührt jedoch fort.

Der bislang skizzierte bankgesetzliche Rahmen blieb in seinen Grundzügen bis 1914 unverändert. Abänderungen des Bankgesetzes und des Reichsbankstatuts von 1875 erfolgten lediglich als organisatorische Detailpräzisierungen bzw. in Form von Modifikationen bei der Höhe des Grundkapitals und der Ausschüttung der Reichsbankgewinne. Grundlegende Veränderungen vollzogen sich jedoch hinsichtlich der Stellung und Bedeutung der Institution im deutschen Wirtschaftsleben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die sich außerhalb Preußens bzw. des Einzugsbereich der ehemaligen Preußischen Bank durch mangelnde Verwurzelung in der regionalen Wirtschaft auftaten, expandierte die Reichsbank bis zum Kriegsausbruch 1914 kontinuierlich zu einer institutionell und wirtschaftlich gefestigten Zentralbank. Das von der Preußischen Bank übernommene Zweigstellennetz wurde kontinuierlich ausgebaut. Im Jahre 1914 verfügte die Reichsbank bereits über 20 Hauptstellen, 78 selbständige Stellen und 389 Nebenstellen, was gegenüber dem Gründungsbestand einen Stellenzuwachs von 168 Prozent bedeutete. Bei den Nebenstellen handelte es sich nunmehr auch nur noch in Ausnahmefallen um Institute ohne Kasseneinrichtung – 1876 belief sich der Anteil derartiger Institute noch auf rund 35 Prozent. Damit verbunden war auch ein erheblicher Personalausbau. Gegenüber dem Gründungsjahr 1876 erfolgte ein Zuwachs von 1094 auf 3749 Beamte, wobei der Anteil der Hilfs- bzw. nicht etatmäßigen Beamten kontinuierlich sank. Der institutionelle Ausbau korrespondierte mit der wirtschaftlichen Expansion der Reichsbank. Ihr Jahresumsatz stieg kontinuierlich, allerdings forciert ab der Jahrhundertwende, von ca. 45,6 auf 418 Milliarden Mark (Jahresdurchschnittswerte 1876-1880 bzw. 1910-1914) an. Den Schwerpunkt ihrer Geschäftsaktivitäten bildete dabei im Sinne des gesetzlichen Auftrags, die Zahlungsausgleichungen zu erleichtern und verfügbares Kapital nutzbar zu machen, der Giro- und Kreditverkehr mit "Privaten". Ihr Anteil am Umsatzvolumen stieg bis zur Jahrhundertwende von ca. 60 auf rund 75 Prozent (Jahresdurchschnitt 1876-1880 bzw. 1896-1900) an. Ab der Jahrhundertwende, forciert im Vorkriegsjahrfünft, deutete sich hier allerdings eine Trendwende an (Jahresdurchschnitt 1910-1914: 66 Prozent). Nunmehr erhöhte sich im Zeichen gesteigerten staatlichen Kapitalbedarfs, u. a. aufgrund der forcierten Rüstungsbestrebungen, merklich der vordem nur geringfügige staatliche Umsatzanteil. Er steigerte sich von ca. 4 Prozent (jährlicher Durchschnitt 1876-1880) auf immerhin bereits 23 Prozent (jährlicher Durchschnitt 1910-1914). Eine durchgängig untergeordnete Rolle kam dem Depotgeschäft mit Wertpapieren zu. Der Anteil am Gesamtumsatz der Reichsbank lag hier beständig unterhalb von 2 Prozent. Die Entwicklung der Reingewinne der Reichsbank verlief in Relation zur Umsatzentwicklung eher krisenhaft. Auch hier erfolgte zwar zwischen 1876 und 1914 (Jahresdurchschnitte 1876-1880 bzw. 1910-1914) mehr als eine Vervierfachung, damit blieb die Gewinnmarge jedoch deutlich hinter der Umsatzsteigerungsrate zurück. Zudem erfolgte hier auch keine kontinuierliche Steigerung. Bis zur Jahrhundertwende verlief die Reinertragsentwicklung im Gegenteil eher stagnativ. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erforderte eine grundlegende Umorientierung der Reichsbank. Ihre Geld- und Geschäftspolitik war bislang wesentlich an der Währungsstabilität und kreditpolitischen Flankierung des Wirtschaftsaufschwungs orientiert. Sie war durch das Bankgesetz zur Noteneinlösung verpflichtet und daher um weitestgehende Deckung des Notenumlaufs durch Goldreserven bemüht. Der staatliche Kreditbedarf blieb zudem bis über die Jahrhundertwende hinaus eher marginal. Durch den Kriegsausbruch wurde jedoch die Kriegsfinanzierung, die Befriedigung des immens gesteigerten staatlichen Kapitalbedarfs, zur neuen Zentralaufgabe der Reichsbank. In diesem Sinne wurden bereits am 4. August 1914 die sogenannten "Notgesetze für das Geld- und Währungswesen" verabschiedet, die der Reichsbank eine Abwendung von der strikten Golddeckungspolitik ermöglichten. Aus finanzpsychologischen Gründen wurde zwar noch zumindest eine Dritteldeckung des Notenumlaufs durch Goldreserven postuliert, der Reichsbank auch nicht die Verwendung von Lombarddarlehen als sekundäre Deckung zugestanden. Sie wurde jedoch der Verpflichtung zur Noteneinlösung in Gold enthoben und konnte nun unabhängig von der Entwicklung ihrer Reserven Noten in Umlauf bringen. Als weiteres grundlegendes Element der Kriegsfinanzierung wurden zudem neben der Reichsbank die "Darlehenskassen des Reichs" eingerichtet. Sie sollten durch die Ausgabe von Darlehenskassenscheinen die erwartete Zunahme des Bedarfs an Lombardkrediten befriedigen. Die Darlehenskassenscheine wiederum wurden als primäre Deckung der Reichsbank zugelassen, als sekundäre Deckung zudem noch kurzfristige Schuldtitel des Reichs. Durch diese Konstruktion blieb der Anschein einer geregelten Refinanzierung und damit Währungsstabilität gewahrt, wurde der Reichsbank jedoch indirekt doch eine nahezu ungehemmte Kreditgewährung an das Reich und ungedeckte Notenausgabe ermöglicht. Sie machte von dieser Option auch nachhaltig Gebrauch. Von August 1914 bis Jahresende 1918 wurde zwar durch "Goldopfer" der Bevölkerung und die Konzentration der deutschen Goldbestände ihre Goldreserve nahezu verdoppelt. Gleichzeitig erhöhte sich jedoch der durchschnittliche Notenumlauf um rund 700 Prozent und nahm die Umlaufmenge bei den Wechseln und Schatzanweisungen sogar um rund 3600 Prozent zu. Die durchschnittliche Golddeckung sank daher mit beträchtlichen inflationären Begleiterscheinungen bis Kriegsende auf nur noch ca. 10 Prozent der Notenumlaufmenge herab.

Der Umbruch von 1918/1919, der überdies mit dem bankgesetzlichen Aufkündigungsintervall der Reichsbank zusammenfiel, erbrachte wider Erwarten nur geringfügige Veränderungen der Reichsbankorganisation und ihrer bankgesetzlichen Rahmenbedingungen. Sie wurde ausdrücklich ermächtigt, ihre infolge der Gebietsverluste nunmehr "ausländischen" Anstalten weiter zu betreiben - dies betraf v. a. die Reichsbankhauptstellen Danzig und Saarbrücken. Die Oberaufsicht über die Reichsbank blieb wie bisher dem Reichskanzler vorbehalten, das Reichsbankkuratorium wurde lediglich personell aufgestockt und dabei das Ernennungsverfahren "republikanisiert". Auch die Aufsichtsorgane der Anteilseigner blieben weitgehend unverändert bestehen. Der Zentralausschuss wurde lediglich in der Weise "demokratisiert", dass nunmehr ergänzend jeweils ein Vertreter (mit Stellvertreter) der Arbeiterschaft, der Sparkassen und der Genossenschaften in das Gremium aufgenommen wurde. Beim Gewinnausschüttungsverfahren trat eine jährliche gesetzliche Regelung an die Stelle der bisherigen statuarischen Festschreibung. Wichtigste Neuerung im Bereich des Geschäftsverkehrs war die Ermächtigung der Reichsbank zum Devisengeschäft. Hierneben wurde auch ihre Stellung als Hauptnotenbank des Reichs durch weitere Restriktionen für die verbliebenen vier privaten Notenbanken ausgebaut. Das Gebot der Dritteldeckung des Notenumlaufs durch kursfähiges deutsches Geld, Reichskassenscheine, Darlehnskassenscheine, Barrengold und ausländische Münzen, realiter bereits obsolet, wurde dabei fortpostuliert.

Die desolate Wirtschaftslage des Reichs sowie die durch innere Unruhen und äußere Einwirkungen wie das "Londoner Ultimatum" noch forcierte Zerrüttung der Staatsfinanzen zwangen die Reichsbank indessen über das Kriegsende hinaus zur Befriedigung massiven staatlichen Kreditbedarfs durch ungedeckte Notenausgabe. Die Deckungsreserven schmolzen derweilen durch die Reparationszahlungen und Importfinanzierung weiter dahin. Das Dritteldeckungsgebot musste im Mai 1921 – offiziell befristet – aufgehoben werden, um der Reichsbank eine weitere Erhöhung der Geldumlaufmenge zu ermöglichen. Allerdings erschwerte das deutsche Finanzchaos den Siegermächten die Eintreibung ihrer Reparationsforderungen; und sie erkannten als Ursache der Misere die unmittelbare Abhängigkeit der Reichsbank von der Reichsregierung. Durch massiven Druck erreichten sie im Mai 1922, dass die Reichsregierung ihre gesetzlichen Befugnisse zum Eingriff in die Geschäftsleitung der Reichsbank aufgab. Durch das sogenannte "Autonomiegesetz" vom Mai 1922 gingen die Leitungsbefugnisse des Reichskanzlers auf das Reichsbankdirektorium über und die seiner Mitglieder wurde von der Reichsregierung abgekoppelt.

Die Reichsbankautonomie bestand jedoch de facto nur auf dem Papier und wurde zudem alsbald durch die Reparationspolitik der Siegermächte selbst konterkarriert. Die "Ruhrbesetzung", d. h. der Verlust des bedeutendsten deutschen Wirtschaftsraumes, brachte die Exportwirtschaft des Reiches zum Erliegen, erzwang zusätzliche Importe und damit Aufzehrung auch der letzten Devisen- und Goldreserven - die "Mark" war gegenüber den Auslandwährungen bereits nicht mehr konvertibel und schied als Zahlungsmittel im Außenhandel aus. In Verbindung der Finanzierung des "Ruhrkampfes" gerieten die Staatsfinanzen und damit auch die ungedeckte Notenausgabe völlig außer Kontrolle. Die Reichsbank allein vermochte den immens gesteigerten Papiergeldbedarf nicht mehr zu befriedigen, weshalb die Kommunen, Unternehmen und selbst einzelne Privatpersonen zur Ausgabe von "Notgeld" ermächtigt wurden. Durch die hemmungslose Notenausgabe büßte die Mark, als Wertaufbewahrungsmittel und Wertmesser bereits funktionslos, im Herbst 1923 selbst ihre Funktion als Zahlungsmittel zunehmend ein. In den besetzten Gebieten setzte sich zunehmend der französische Francs als Verkehrswährung durch und betrieb die separatistische Bewegung bereits die Gründung einer rheinisch-westfälischen Notenbank mit Eigenwährung. Um weiterer "Finanzanarchie" und Verelendung der Unter- und Mittelschichten zu begegnen, musste der "Ruhrkampf" abgebrochen und eine grundlegende Währungsreform eingeleitet werden.

Eine erste – noch provisorische – Stabilisierung erfolgte Ende 1923 durch die Einrichtung der "Deutschen Rentenbank". Die Rentenbank, geleitet von den Wirtschaftsverbänden, gab nach festgeschriebenen und kontingentierten Verteilungsschlüssel als ergänzendes wertbeständiges Zahlungsmittel Rentenbriefe bzw. "Rentenmark" aus, die fiktiv durch hypothekarische Belastung des Grundbesitzes und der Unternehmen gedeckt waren. Die Mark wurde im festen Kursverhältnis an die Rentenmark angekoppelt. Längerfristig erstrebte man jedoch eine Wiederanbindung der Mark an die Golddeckung. In diesem Sinne wurde unter Führung der Reichsbank die "Deutsche Golddiskontbank" gegründet, die der Erwirtschaftung von Gold- und Devisenreserven dienen sollte. Die endgültige Währungsstabilisierung war jedoch in hohem Maße von der Zustimmung und Unterstützung des Auslands und damit einer Einigung in der "Reparationsfrage" abhängig. Hier deutete sich im Zusammenhang des Dawes-Plans im Frühjahr 1924 auch ein Entgegenkommen an. Die Vorstellungen der Reparationskommission liefen dabei aufgrund der beständigen "Instrumentalisierung" der Reichsbank für die Zwecke der Reichsregierung zunächst auf die Abwicklung der Reichsbank und die Einrichtung einer neuen deutschen Zentralnotenbank unter ausländischer Leitung und mit Sitz im Ausland hinaus. Mit Rücksicht auf die Akzeptanz des Instituts und das gewachsene Zweigstellennetz der Reichsbank wurde von diesem Ansinnen wieder Abstand genommen, jedoch zugleich eine tiefgreifende Reorganisation der Reichsbank durchgesetzt. Sie wurde vollständig aus der Abhängigkeit von der Reichsregierung herausgelöst und internationaler Kontrolle unterworfen. Zwischen Reich und Reichsbank hatte eine finanzielle Auseinandersetzung zu erfolgen. Sämtliche Leitungsbefugnisse wurden beim Reichsbankdirektorium konzentriert und dessen Mitglieder dem Beamtenstatus enthoben. Das Reichsbankkuratorium wurde aufgelöst und durch eine hälftige Vertretung der deutschen Anteilseigner sowie unabhängiger ausländischer Finanzexperten, den Generalrat, ersetzt. Die Generalversammlung sowie der Zentralausschuss als Organe der Anteilseigner blieben bestehen. Die Aufgabenstellung der Reichsbank lehnte sich zwar weiterhin an das Bankgesetz vom 14. März 1875 an. Die bisherigen Verflechtungen der Reichsbank im Geschäftsverkehr mit dem Reich wurden jedoch durch Restriktionen im Kredit-, Lombard-, Depositen- und Giroverkehr aufgehoben. Reichsbankkredite an das Reich, die Länder oder Kommunen wurden de facto unterbunden. Für die vier fortbestehenden privaten Notenbanken wurden Ausgabehöchstgrenzen festgelegt und zugleich das Notenprivileg der nunmehr autonomen Reichsbank auf fünfzig Jahre verliehen. Das Reich verlor also auch den Einfluss auf die Notenausgabe. Für den Notenumlauf wurde der Reichsbank indessen nun wieder eine "Golddeckung" von mindestens 40 Prozent vorgeschrieben, wobei der Anteil effektiver Goldbestände an der Deckungsreserve 75 Prozent nicht unterschreiten durfte. Das Folgejahrfünft erbrachte eine "Scheinblüte" im Finanz- und Währungswesen. Ungeachtet der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage vermochte die Reichsbank die neugeschaffene Währungsstabilität aufrechtzuerhalten und steigerte kontinuierlich ihren Gesamtumsatz (1924- 1929: ca. 73 Prozent). Die Reichsbanküberschüsse fielen dabei trotz massiven Personalabbaus (1924-1929: - 31,5 Prozent) jedoch sehr bescheiden aus (Jahresdurchschnitt 1925-1929: 26,8 Millionen Reichsmark). Die günstige Währungs- und Umsatzentwicklung entbehrte zudem eines soliden außenwirtschaftlichen Fundaments. Aufgrund der anhaltenden Reparationslasten und Exportschwäche der deutschen Wirtschaft konnte das Außenhandelsdefizit nur durch vermehrte Auslandskredite und ausländisches Anlagekapital ausgeglichen werden. Die Weltwirtschaftskrise, insbesondere aber die europäische Kreditkrise nach dem Zusammenbruch der Österreichischen Credit-Anstalt im Mai 1931, traf Deutschland als den bedeutendsten Auslandsschuldner der Welt daher besonders hart. Die panische Abrufung ausländischen Anlagekapitals ließ die Deckungsreserven der Reichsbank schlagartig dahinschmelzen (bis Dez. 1932: - 67 Prozent). Die Gegensteuerung durch Hochzinspolitik verschärfte wiederum den Binnenkreditmangel und forcierte Firmenzusammenbrüche und Massenarbeitslosigkeit. Auf dem Höhepunkt der deutschen Bankenkrise im Juli 1931, ausgelöst durch den Zusammenbruch der "Danat-Bank", wandte sich die Reichsregierung mit Unterstützung der Reichsbank einer rigiden Interventionspolitik zu. Die Banken wurden zum Schutz vor Kapitalflucht und Zahlungsunfähigkeit zeitweilig geschlossen, insbesondere die Großbanken auch mit Reichshilfen saniert. Der gesamte Auslandszahlungs- bzw. Devisenverkehr wurde drastischen Beschränkungen unterworfen.

Die nationalsozialistische Bankpolitik, im wesentlichen vom Reichsbankpräsidenten Hjalmar von Schacht konzipiert, knüpfte hier nahtlos an. Der Kurs der Reichsmark wurde zwar seit 1933 ("Gesetz gegen den Verrat der deutschen Volkswirtschaft") durch immer schärfere Restriktionen des Devisenverkehrs international stabil gehalten und erfuhr sogar zunächst gegenüber den internationalen Leitwährungen eine merkliche Aufwertung. Durch die wechselfinanzierten Konjunktur- und Rüstungsprogramme mit kontinuierlich erhöhter Geldumlaufmenge leistete die nationalsozialistische Finanzpolitik gleichwohl einer neuen Inflation Vorschub, die durch Lohn- und Preisstopps lediglich verdeckt bzw. angestaut wurde.

Die Reichsbank war dabei willfähriges Instrument der nationalsozialistischen Finanzpolitik. Ihre in den 1920er Jahren gesetzlich verankerte Autonomie wurde schrittweise zurückgebildet. Durch die Banknovelle vom 27. Okt. 1933 wurde der Generalrat beseitigt und das Reichsbankdirektorium wieder enger an den Reichskanzler gebunden. Seinen Präsidenten und seine Mitglieder ernannte nun wieder unmittelbar der Reichskanzler bzw. "Führer". Durch das Bankgesetz von 1937 wurden die letzten internationalen Bindungen der Reichsbank gekappt und die Unabhängigkeit der Reichsbank von der Reichsregierung auch formell wieder aufgehoben. Von einer tatsächlichen Autonomie der Reichsbank konnte allerdings bereits zuvor nicht mehr die Rede sein, da seit Mitte 1934 Reichsbankpräsident Schacht in Personalunion als Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister fungierte. Den Schlusspunkt der nationalsozialistischen Transformation der Reichsbank setzten schließlich die Entmachtung Schachts und das Bankgesetz vom 15. Juni 1939. Der durch Kritik an der Währungspolitik inzwischen in Ungnade gefallene Schacht wurde durch den "linientreuen" Walter Funk ersetzt. Die Reichsbank, nunmehr in "Deutsche Reichsbank" umbenannt, diente nunmehr gesetzlich "der Verwirklichung der durch die nationalsozialistische Staatsführung gesetzten Ziele im Rahmen des ihr anvertrauten Aufgabenbereichs". Die formelle Leitung oblag dem Reichsbankdirektorium mit dem Reichsbankpräsidenten und Reichswirtschaftsminister an der Spitze, unmittelbar beaufsichtigt durch den "Führer". Die Aufsichtsorgane der Anteilseigner bestanden hierneben lediglich nominell noch fort. Zugleich wurde die Reichsbank auf die Erfordernisse der nationalsozialistischen Kriegsplanung umgestellt. Die Notenausgabe wurde endgültig bei ihr monopolisiert – verbunden mit einem unbeschränkten Notenausgaberecht. Offiziell hielt man an den bisherigen Geschäftsbestimmungen der Reichsbank und an der Goldparität fest. Die Bestimmungen wurden dabei jedoch so ausgehöhlt, dass eine unbegrenzte Kreditgewährung an das Reich und "geräuschlose" Kriegsfinanzierung möglich wurde. Dieser Aufgabe zeigte sich die Reichsbank im Zweiten Weltkrieg auch überaus gewärtig. Zunächst dehnte sie ihr Zweigstellennetz – wie beim Anschluss Österreichs schon erprobt – zügig auf die annektierten Territorien aus und garantierte in enger Zusammenarbeit mit den Oberfinanzpräsidien eine lückenlose Kontrolle des Auslandszahlungsverkehrs. Insbesondere aber verschaffte sie dem Dritten Reich entgegen aller ökonomischer Bedenken durch Goldtransfers in die Schweiz, Anleihenplazierung und maßlose Kredit- und Notenausgabe die für die Kriegsführung notwendigen Finanzmittel. Diese Geldmarktpolitik zeitigte einen fatalen Geldüberhang, der sich nach 1945 in erneuter Hyperinflation niederschlug und erneut nur durch eine Währungsreform beseitigt werden konnte.



Mit den Folgen ihrer Geldmarktpolitik seit den 1930er Jahren wurde die Reichsbank allerdings nicht mehr konfrontiert. Zwar bildeten die Provinzialinstitute vielfach die Grundlage für die neu errichteten Länderzentralbanken, als Zentralbank ging sie jedoch faktisch mit der sowjetischen Einnahme Berlins Ende April 1945 unter. Der Befehl Nr. 01 der SMAD über die Neuorganisation der deutschen Finanz- und Kreditorgane entzog ihr in der sowjetischen Besatzungszone im Juli 1945 auch die Rechtsgrundlage. In den westallierten Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland bestand sie dagegen noch als Gesellschaft in Liquidation weiter fort. Ihr Fortbestand war dabei jedoch rein rechtlicher Natur und der Entschädigung ihrer Anteilseigner geschuldet. Durch das Abwicklungsgesetz vom 14. Juni 1961 wurde die Reichsbank hier erst in einem dritten Anlauf auch rechtlich abgewickelt – verbunden mit vollständiger Entschädigung ihrer Anteilseigner.

Martin Kukowski (November 1997)



Der Bestand enthält Unterlagen der Reichsbankhauptstelle Dresden sowie der Reichsbank- bzw. Reichsbanknebenstellen Bautzen, Brieg, Elbing, Freiberg, Görlitz, Hirschberg, Lauban, Löbau, Meißen, Oelsnitz/V., Pirna, Riesa und Zittau.
Depotaufstellungen.- Altguthaben.- Abwicklungsunterlagen.- Bilanzen.- Devisen.- Reichsanleihen.- Lombardsicherheiten.- Wechselsicherheiten.- Personal.- Handelsregisterabschriften.- Grundstücksakten.- Bauakten.- Strafsachen.- Asservatenbücher.- Ausländische Wertpapiere.- Devisenkundenkonten 1944.- Girobelege.- Bankabrechnungen.- Kassenberichte.- Unterschriftenblätter.
Im Zuge der Neuorganisation des Banken- und Geldwesens nach der Reichsgründung (Bankgesetz vom 14.03.1875) wurde 1876 die Reichsbank mit Hauptsitz in Berlin eingerichtet. Sie ging aus der 1848 gegründeten Preußischen Bank hervor, die wiederum Nachfolgerin der 1765 eröffneten Königlichen Giro- und Lehnbank war. Ihre Aufgaben bestanden in der Regelung des Geldumlaufs, der Erleichterung der Zahlungsausgleichungen sowie der Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals. Zur Durchführung dieser Aufgaben wurden im gesamten Reichsgebiet Zweiganstalten errichtet. Diese Reichsbankhauptstellen bzw. Reichsbankstellen waren dem Reichsbankdirektorium - der obersten Leitung und Verwaltung der Reichsbank - direkt unterstellt und besaßen nach außen unbeschränkte Vertretungsbefugnis. Ihnen unterstanden unmittelbar die Reichsbanknebenstellen als unterste Instanz. In Dresden bestand seit 1875/76 eine Reichsbankhauptstelle und seit 1883 eine Abrechnungsstelle. Im August 1945 wurde die Deutsche Reichsbank geschlossen und durch die Sächsische Landesbank abgewickelt.

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