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Beständeübersicht

Bestand

10019 Stände des Meißner Kreises

Datierung1500 - 1946
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)89,49
1. Geschichte des Bestandsbildners

In der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts lassen sich in Sachsen Ansätze einer landständischen Vertretung nachweisen. Die Stände, eingeteilt in drei Kurien, hielten 1438 ihren ersten Landtag ab. Die kursächsische Kreiseinteilung unter Kurfürst Moritz 1547, der verschiedene ständische Kreiseinteilungen zur Steuererhebung vorausgingen, führte in den Erblanden zur Bildung von zunächst fünf, später sieben Kreisen. Die Kreise bildeten auch den Rahmen für die regionale ständische Organisation. Die Kreisstände bestanden jeweils aus zwei Korporationen, der schriftsässigen Ritterschaft und den Städten, die sich zu Kreistagen, Konventtagen und Wahlkonventen versammelten. Kreistage wurden insbesondere vor der Einberufung von Landtagen abgehalten. An der Spitze der Kreisstände standen ein Direktor und ein Kondirektor.

Die Wirksamkeit der Kreisstände erstreckte sich auf das Wohl des Kreises, die Durchführung der kreisständischen Wahlen, das Kassen- und Rechnungswesen, auf Militärangelegenheiten sowie die Erledigung von Angelegenheiten, die den Ständen vom Landesherrn aufgetragen wurden. Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte die Führung verschiedener Kreiskassen, in denen die durch Ortsobrigkeiten und Amtsschösser eingenommenen Steuergelder verwahrt und anschließend an die Steuerhauptkasse in Dresden weitergeleitet wurden.

Wie die sächsischen Landstände bildeten auch die Kreisstände für einzelne Aufgaben zeitweilige Ausschüsse, die als Deputationen bezeichnet wurden. Ihre Einrichtung und die Festlegung der Aufgaben erfolgten entweder auf Anordnung des Landesherrn oder auf Beschluss der Kreisstände. Besonders hervorzuheben ist die 1806 gebildete Kreisdeputation zur Erfüllung der finanziellen und materiellen Forderungen der französischen Armee und nach 1813 der verbündeten Armeen Preußens und Russlands.

Vor der Teilung Sachsens im Jahr 1815 gehörten folgende Ämter zum Meißner Kreis: das Kreisamt Meißen, das Prokuraturamt Meißen, das Stifts- und Schulamt Meißen sowie die Ämter Dippoldiswalde, Dresden, Finsterwalde, Großenhain, Hohnstein, Mühlberg, Oschatz, Pirna, Radeberg, Senftenberg, Stolpen und Torgau. Der nördliche Teil des Meißner Kreises, mit den Ämtern Senftenberg, Finsterwalde, Mühlberg und Torgau, fiel 1815 an Preußen.

Mit der Verfassung von 1831 verloren die Stände als gesellschaftliche Gruppen sowohl auf Landes- als auch auf Kreisebene ihre politische Rolle. So nahm z. B. der Anteil des Adels in der Zweiten Kammer des Landtags schnell ab, als im Jahre 1867 das Recht der Rittergutsbesitzer endete, ein bestimmtes Kontingent von Abgeordneten in dieses Haus zu wählen. Politische Parteien ersetzten bald die alten ständisch orientierten Interessengruppen. Auf Kreisebene gingen viele der bislang von den Kreisständen wahrgenommenen Aufgaben an andere, oft neue Behörden und Einrichtungen über.

Die Kreisstände existierten nach der Staatsreform in Sachsen von 1831 als Selbstverwaltungsorgan des Adels und der Städte zunächst weiter. Ihr Vermögen stammte aus dem Überschuss bei den eingezahlten Donativgeldern sowie den Beiträgen zu den "außerordentlichen Staatsbedürfnissen". Die vor allem aus Zinseinkünften bestehen Einnahmen wurden für bildungspolitische und karitative Zwecke im Kreis verwendet. Im Landtag bzw. ab 1831 in der Ersten Kammer des Landtags brachten die gewählten, meist adligen Vertreter der Kreisstände Angelegenheiten ihres Kreises in die Versammlungen ein und trugen Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Verfassung des Freistaates Sachsen von 1920 hob die politischen Sonderrechte des Adels und die alte Kreisverfassung auf, die Tätigkeit der in eine Stiftung umgewandelten Kreisstände beschränkte sich nun mehr oder weniger auf die Verwaltung der Kreiskasse.

2. Geschichte des Bestandes

Die Anfänge des Archivs der Stände des Meißner Kreises reichen in das frühe 17. Jahrhundert zurück. Um 1600 wurde die etwa 50 Jahre zuvor verfasste Landtagsordnung durch eine Regelung ergänzt, wonach im Thüringer Kreis, im Vogtländischen Kreis sowie im Erzgebirgischen und Meißner Kreis je eine "wohlverwahrte Lade" zur Aufnahme beglaubigter Abschriften der Landtagsakten angeschafft werden sollte. Verantwortlich für die "Lade" des Meißner und Erzgebirgischen Kreises war Oberhauptmann Heinrich von Schönberg, der auch dafür zu sorgen hatte, dass die darin verwahrten Unterlagen vor Feuer und anderen Gefahren sicher waren.

Für das entstehende Kreisarchiv, das durch Landtagsaktenabschriften sowie durch bei der Ritterschaft des Meißner Kreises entstandene Unterlagen nach und nach Zuwachs erhielt, dürfte seit Beginn des 17. Jahrhunderts ein prominentes adliges Mitglied der Kreisstände verantwortlich gewesen sein, wahrscheinlich der jeweilige Kreisvorsitzende. Zu Beginn der 1740er-Jahre lagerte es in Dresden in der Meißner Kreissteuereinnahme, wurde 1746 in das Haus des Kreissteuereinnehmers Carl Adolph von Carlowitz transportiert und dort gegen eine Jahresmiete von 20 Talern in einem Zimmer untergebracht. Nach Carlowitz´ Tod fand das Archiv gegen das gleiche Entgelt in einem Raum des Hauses von Caspar Abraham von Schönberg Unterkunft.

Nach dem Siebenjährigen Krieg erfolgte die Unterbringung in Dresdner Bürgerhäusern, so von 1764 bis 1785 in dem in der Wilsdruffer Gasse gelegenen Haus des Geheimen Kammerschreibers Heinrich Gottlieb Zachariae bzw. seiner Erben. Für den Archivraum war nun eine jährliche Miete von 40-50 Talern zu entrichten. Fachlich zuständig für das Archiv war der jeweilige Sekretär des Meißner Kreises, dem dafür ein geringes Honorar zustand. Der Kreissekretär Johann Ernst Mücke erhielt in den 1770er-Jahren für die Beaufsichtigung des Archivs jährlich 30 Taler.

Als Mücke im Jahr 1779 starb, stellte sich heraus, dass er seine archivischen Aufgaben vernachlässigt und Anweisungen der Kreisstände zur Ordnung und Verzeichnung nicht umgesetzt hatte. Die Kreisstände ernannten 1781 den Finanzprokurator August Wilhelm Schroth zum Kreissekretär und Verantwortlichen für das Archiv und setzten außerdem vier kreisständische Deputierte ein, die die Aufsicht über das Archiv wahrnehmen sollten. Schroth arbeitete Erschließungsrückstände des Archivs auf und erstellte ein "Hauptrepertorium".

Im Jahr 1802 konnte die räumliche Situation des Archivs durch den Umzug aus dem dunklen und staubigen Zimmer in der Wilsdruffer Gasse in drei Räume des Hauses Moritzstraße Nr. 747 verbessert werden, wo es bis 1835 verblieb. Im Zusammenhang mit der Umlagerung erfolgte die Kassation von mehrfach vorhandenen Unterlagen. Etwa ab 1812 war der Obersteuer- und Landtagsarchivar Carl Gottlob Voigt im Nebenamt Sekretär der Meißner Kreisstände und betreute somit auch deren Archiv. Seine große archivpraktische Erfahrung dürfte sich günstig auf das Meißner Kreisarchiv ausgewirkt haben. Amtsvorgänger Voigts als Kreisarchivar war der 1806 zum ritterschaftlichen Archivsekretär ernannte Finanzprokurator Johann August von der Ahée.

Die Teilung Sachsens im Jahr 1815 verursachte im Kreisarchiv einige Bestandsverluste. Auf Grund von Artikel 7 des zwischen Preußen und Sachsen abgeschlossenen Friedensvertrages mussten Urkunden, Akten, Risse und sonstige Unterlagen über die abgetretenen sächsischen Landesteile an Preußen übergeben werden. Demgemäß erfolgte 1819 und 1820 die Aushändigung von Akten zu Orten des Meißner Kreises, die nun zum preußischen Herzogtum Sachsen gehörten, an preußische Beauftragte.

Da die Ritterschaft bis in die 1820er-Jahre hinein allein über alle Angelegenheiten des Archivs entschied und auch dessen Unterhaltungskosten bestritt, handelte es sich bei dem Bestand bis dahin eigentlich um das ritterschaftliche Archiv des Meißner Kreises. Sein Charakter als Einrichtung des gesamten Kreises festigte sich Ende 1825, als Ritterschaft und Städte eine gemeinsame Finanzierung des Archivs vereinbarten.

Die aus der Verfassung von 1831 resultierenden Kompetenzverluste der Kreisstände, deren Aufgaben nun meist auf andere Behörden und Einrichtungen übergingen, berührten das Meißner Kreisarchiv zunächst nur indirekt. Durch den Wegfall bisheriger Zuständigkeiten verringerte sich der Überlieferungszuwachs, der besonders während und nach den Napoleonischen Kriegen sehr umfangreich gewesen war. Auf dem Kreiskonvent vom 29. Juli 1844 stimmten die Kreisstände erstmals der Anstellung eines Archivars oder Archiv-Sachverständigen zur Ordnung der "in größter Verwirrung aufgeschichteten Schriften" zu und legten als dessen Jahresgehalt 200 Taler fest. Letztlich verblieb die Zuständigkeit für das Archiv aber bei dem jeweiligen Registrator bzw. Sekretär des Meißner Kreises.

Von 1835 bis 1844 befand sich das Kreisarchiv im Kanzleihaus in Dresden-Neustadt, siedelte dann in das Landhaus über, wo es erst in der vierten, dann in der dritten Etage und ab 1855 schließlich im Erdgeschoss untergebracht war. 30 Jahre später (1885) musste ein kleineres Zimmer bezogen werden, da im Ständehaus Räume für die Unterbringung der neu eingerichteten Staatsschuldverwaltung benötigt wurden. Der erneute Umzug veranlasste eine archivische Neuordnung und -organisation: Neben der Beschaffung neuer Möbel und Regale erfolgte eine Einschätzung der Archivwürdigkeit des Bestandes, wobei zwischen dem historischen Wert der Unterlagen bis 1831 und dem praktischen Wert danach unterschieden wurde. Nachdem die Kreisstände 1885 einer entsprechenden Vorlage des Kreisvorsitzenden Ludwig Erhard Victor von Zehmen zugestimmt hatten, wurden Duplikate der älteren Landtags- und Ausschusstagsakten dem Hauptstaatsarchiv und Akten über die Prüfung von Stammbäumen dem Oberhofmarschallamt übergeben. Gleichzeitig begann die Kassation verschiedener nicht als archivwürdig angesehener Unterlagen, die allerdings nicht systematisch und konsequent durchgeführt wurde.

Das Archiv des Meißner Kreises verblieb anschließend noch 34 Jahre im Landhaus bzw. ab 1909 im neugebauten Ständehaus. Nachdem die Verfassung von 1920 die verbliebenen Sonderrechte des Adels (nicht zuletzt in der Ständeversammlung) und die alte Kreistagsverfassung aufgehoben hatte, erschien eine weitere Verwahrung des Archivs der Meißner Kreisstände im Gebäude des demokratisierten Landtags nicht mehr angebracht. Auf Verlangen der Staatskanzlei beschloss der Meißner Kreistag am 13. Juni 1922, "den bisher im Landtagsgebäude benutzten Archivraum aufzugeben und die dort untergebrachten Kreisständischen Akten im Hauptstaatsarchiv unterzubringen". Die Übergabe erfolgte als Depositum der Meißner Kreisstände, welche nach Aufhebung der Sonderrechte der alten Kreise als Stiftung bis 1945 weiterexistierten. Der Archivbestand wurde durch kleinere Übernahmen in den Jahren 1954 und 1967 ergänzt.

3. Inhalt des Bestands

Der Inhalt des Bestandes spiegelt die Aufgaben und die Tätigkeit der Meißner Kreisstände umfassend wieder. Dazu gehören zahlreiche Unterlagen zur Tätigkeit der Meißner Kreisstände auf den Landtagen in Dresden bis 1831 sowie zur Abhaltung von Abgeordnetenwahlen für die konstitutionellen Landtage ab diesem Jahr. Zu nennen ist ferner die Überlieferung zu wahrgenommenen kreisständischen Aufgaben, darunter zur Durchführung von Kreiskonventen und Kreistagen, zur Organisation der Gendarmerie sowie zum karitativen und sozialen Wirken der Kreisstände. Die kreisständischen Aufgaben bei der Erhebung und Weiterleitung von Steuern sowie der Organisation der dazu dienenden Kassen werden durch zahlreiche Akten dokumentiert. Mit ihnen lassen sich das System der Steuererhebung im Kreis sowie die finanzielle Lage der kreisständischen Ritterschaft bzw. der Kreisstände gut nachvollziehen. Besonders umfangreich ist die Überlieferung der Kreisstände jedoch für Kriegs- und Militärangelegenheiten. Dies gilt zunächst für den Siebenjährigen Krieg, besonders jedoch für die Napoleonzeit. Die Akten enthalten umfassende Informationen zur Tätigkeit der 1806 eingerichteten Kreisdeputation, zu verschiedenen Leistungen der Zivilbevölkerung für das Militär (wie Spanndiensten oder Naturallieferungen), zum Abrechnungs- und Lastenausgleichswesen nach 1813, zu verschiedenen Abgaben und Steuern der Kriegszeit, zum Magazinwesen, aber auch zu Kriegsschulden und -schäden, zu Hospitälern und Lazaretten sowie zur 1813 gegründeten Landwehr.

Durch die vielseitige Tätigkeit der Kreisstände weist der Bestand inhaltliche Bezüge zu zahlreichen anderen Beständen des Hauptstaatsarchivs Dresden auf. Dies gilt u. a. für die Bestände 10015 Landtag, 10016 Landeshauptdeputation, 10025 Geheimes Konsilium, 10036 Finanzarchiv (mit den Akten der Landeskommission) und 10040 Obersteuerkollegium. Zu verweisen ist außerdem auf die Überlieferung der Stände des Erzgebirgischen, Leipziger und Vogtländischen Kreises in den Abteilungen Staatsarchiv Chemnitz und Staatsarchiv Leipzig (Bestände 20002, 30001-30004) sowie auf einzelne Akten der Meißner Kreisstände im Bestand 11445 Sammelstiftungen des Bezirkes Dresden.

Jörg Ludwig
August 2018
Kühn, Helga-Maria: Die Geschichte der sächsischen Mittelbehörden im Meißnischen Kreis. 1958

Blaschke, Karlheinz: Sächsische Verwaltungsgeschichte. Berlin 1958, S. 42 (Lehrbriefe für das Fachschulfernstudium für Archivare, Verwaltungsgeschichte des Staates, Lehrbrief 3)
Akten und Protokolle der Landtage, Ausschusstage, Kreistage und Konventtage.- Deputationsakten.- Militärangelegenheiten und Kriegsschäden, insbesondere des Siebenjährigen Krieges.- Ritterpferdsgelder und Donativgelder.- Rechnungswesen und Kassenwesen.- Unterstützungen für Kommunen, Bildungseinrichtungen und gemeinnützige Zwecke.- Gehe-Stiftung.- Gendarmerie und Landwehr.- Etappenkommissariate.
Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts lassen sich in Sachsen Ansätze einer landständischen Vertretung nachweisen. Die kursächsische Kreiseinteilung unter Kurfürst Moritz 1547 führte in den Erblanden zur Bildung von zunächst fünf, später sieben Kreisen. Die Kreise bildeten auch den Rahmen für die regionale ständische Organisation.
Die Wirksamkeit der Kreisstände erstreckte sich auf das Wohl des Kreises, die Durchführung der kreisständischen Wahlen, das Kassen- und Rechnungswesen, auf Militärangelegenheiten sowie die Erledigung von Angelegenheiten, die den Ständen vom Landesherrn aufgetragen wurden.
Mit der Verfassung von 1831 verloren die Stände als gesellschaftliche Gruppen sowohl auf Landes- als auch auf Kreisebene ihre politische Rolle. Die Kreisstände existierten als Selbstverwaltungsorgan des Adels und der Städte zunächst weiter. Die vor allem aus Zinseinkünften bestehen Einnahmen wurden für bildungspolitische und karitative Zwecke im Kreis verwendet.
Die Verfassung des Freistaates Sachsen von 1920 hob die politischen Sonderrechte des Adels und die alte Kreisverfassung auf. Die Tätigkeit der in eine Stiftung umgewandelten Kreisstände beschränkte sich nun mehr oder weniger auf die Verwaltung der Kreiskasse und erlosch im Jahr 1945.
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