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Beständeübersicht

Bestand

20076 Königliches Gericht Waldheim

Datierung1780 - 1856
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)8,70
Die Reformen von 1831 verliehen der dringend notwendigen Neugestaltung der überholten Gerichtsorganisation in Sachsen wichtige Impulse. Das Beispiel der Entstehung des Königlichen Gerichtes Waldheim und der ersten Jahre seiner Existenz zeigt jedoch, dass die neugebildeten Untergerichte sich oft nur in langwieriger und zäher Auseinandersetzung mit den althergebrachten Formen der Gerichtsbarkeit behaupten konnten.

In der Stadt Waldheim war in den Jahren 1715/16 das ehemalige Schlossgebäude zu einem Landeszucht-, Armen- und Waisenhaus umgebaut worden [01] , wobei dieses seit 1716 seine eigenen Gerichte besaß. [02]

Hier lag ein Ausgangspunkt für die staatlicherseits seit 1832 angestrebte Übernahme der Gerichtsbarkeit durch ein neu zu schaffendes Justitiariat. Die Einführung der Allgemeinen Städteordnung im gleichen Jahr brachte die Landesregierung zusätzlich in eine günstige Verhandlungsposition.

So nahm das Landesjustizkollegium in einem Schreiben vom 24. Januar 1833 die den Stadträten von Hartha und Waldheim widerruflich verliehenen Teile der Gerichtsbarkeit wieder zurück. Diese sollten zusammen mit der Erbgerichtsbarkeit von Geringswalde durch einen besonderen Justitiar verwaltet werden, dessen Wohnsitz in Waldheim vorgesehen war. [03]

Die Städte knüpften jedoch Bedingungen an die ebenfalls vorgesehene Einbeziehung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Während Waldheim erreichen wollte, dass der künftige Justitiar auch die Polizeipflege und die unentgeltliche Protokollführung beim Verwaltungsrat übernimmt, reklamierte Hartha den Wohnort des Justitiars für sich und verlangte noch 275 Taler jährlich; auch Geringswalde stellte finanzielle Forderungen.

Zunächst konnte keine Einigung erzielt werden, so dass 1833 bei der Bildung des Königlichen Gerichts Waldheim die freiwillige Gerichtsbarkeit zunächst ausgeklammert blieb.

Ein Gründungsdatum lässt sich nicht präzise feststellen. Wie aus einer Meldung der Leipziger Zeitung hervorgeht, wurde der bisherige Vize-Aktuar im Justizamt Wolkenstein, Friedrich Moritz Weinhold, mit Datum vom 16. Oktober 1833 auf Anordnung des sächsischen Königs interimistisch als Justitiar bei dem in Waldheim zu errichtenden Königlichen Gericht angestellt. [04]

Entsprechend einer Ministerialverordnung vom 21. September 1833 sollten die Städte Waldheim und Hartha am 7. November 1833 ihre zeitweise ausgeübte Erbpachtgerichtsbarkeit an das Königliche Gericht Waldheim abtreten. [05] Bezüglich der Abgabe der freiwilligen Gerichtsbarkeit kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der Stadt Waldheim und dem Staatsfiskus, der erst 1839 zugunsten des letzteren entschieden wurde. [06]

Auch die Kriminalgerichtsbarkeit über Hartha und Waldheim verblieb zunächst beim Amt Rochlitz. [07]

Am 6. November 1833 übergab die Strafanstalt Waldheim Akten, Inventar, Depositen und Schlüssel an das Königliche Gericht. Der Stadtrat zu Waldheim lieferte einen Teil der Akten, Inventar und Depositen am 7. November ab. Im Rathaus von Hartha verzögerte man die Teilablieferung noch bis zum 25. November.

Die Einweisung des Gerichtspersonals (des Justitiars Weinhold, eines Sporteleinnehmers und eines Frons) fand am 7. November 1833 statt. (Vgl. dazu Anlage 1)

In einem Schreiben der Amtshauptmannschaft und des Justizamtes Rochlitz vom 8. November ist von der erfolgten Eröffnung des Königlichen Gerichts Waldheim die Rede. Alle noch ausstehenden Zweifel über die Kompetenzverhältnisse zwischen diesem und den Stadträten von Waldheim und Hartha sollten alsbald mit dem Justizministerium geklärt werden. [08]

Im Rahmen der sich ausweitenden Befugnisse des Königlichen Gerichts durch Überweisung von bisherigen Zuständigkeiten des Amtes Rochlitz [09] und Abtretung von Patrimonialgerichtsbarkeiten (Vgl. Anlage 2) kam es auch zur personellen Aufstockung: Gegen Ende der 30er Jahre wurde das Amt des Vize-Aktuars eingeführt; die Anzahl der Expedienten nahm kontinuierlich zu. [10] 1856 gingen die Aufgaben des Königlichen Gerichts auf das neugebildete Gerichtsamt Waldheim, an dessen Spitze der letzte Justitiar Dr. Ludwig Konstantin Osterloh als Gerichtsamtmann stand, über.

Probleme gab es von Beginn an mit den Gerichtslokalitäten. Nach dem Stadtbrand von 1831 [11] standen an Amtsgebäuden nur noch das Rathaus und die Strafanstalt zur Verfügung. So nutzte das Justitiariat behelfsmäßig deren entsprechende Räumlichkeiten, immer auf der Suche nach der Anmietung eines geeigneten Privathauses. Schließlich kam ein Mietvertrag zwischen dem Zimmermeister Johann Gottfried Art und dem Königlichen Gericht zustande, der vom 1. Oktober 1837 bis zum 1. Oktober 1840 gelten sollte. Das aus Parterre, 1. Etage und Dachgeschoss bestehende Gebäude konnte allerdings den wachsenden Ansprüchen nicht lange genügen. [12]

Der 1839 ins Amt eingeführte Justitiar Carl Heinrich Hitzschold versuchte vehement, Pläne zur Erbauung eines neuen Gerichtsgebäudes durchzusetzen, was aber zu hoher Kosten wegen immer wieder abgelehnt wurde. Den Anlass der Übergabe der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Stadt Waldheim nutzten Justitiar Hitzschold und Amtshauptmann Richter aus Rochlitz zu erneuten dringenden Appellen an das Justizministerium, die Verbesserung der räumlichen Situation des Gerichts zu unterstützen.

Schließlich kam es zum Ankauf zweier Bürgerhäuser der Kaufleute Pfeil und Killig mit Grundstücken und Nebengelassen, deren Wert auf ca. 10 000 Taler geschätzt wurde und die den Bedürfnissen des Königlichen Gerichts Waldheim entsprachen. [13]

Der Bestand Königliches Gericht Waldheim ist vergleichsweise umfangreich. Zwischen 1956 und 1966 gelangten die Akten im Rahmen der Abgabegemeinschaften "AG Waldheim” und "AH Döbeln” in das damalige Landesarchiv Leipzig (StA-L). Der größte Teil (AG Waldheim 85 lfm) ging 1962 vom Landeshauptarchiv Dresden (StA-D) in die hiesigen Bestände über. 1963 lieferte die gleiche Stelle noch einmal in großem Umfang Gerichtsprotokolle von 22 Amtsgerichten an das Leipziger Archiv, darunter auch Waldheimer Bände.

Weitere Abgaben erfolgten 1963 vom Kreisgericht Döbeln (30 lfm) sowie zwischen 1957 und 1966 vom Rat des Kreises und dem Kreisarchiv Döbeln (insgesamt 118 lfm) [14] , wobei letztere Quellen für den heutigen Bestand von geringerer Bedeutung sind.

Bereits in den 60er Jahren wurde nach Provenienzprüfungen aus den o. g. Beständen der Bestand Königliches Gericht Waldheim gebildet. Die Akten konnten zunächst durch eine Findkartei zugänglich gemacht werden.

Im Rahmen einer intensiveren Bearbeitung der Justizbestände des 19. Jh. Ende der 90er Jahre machte sich eine Überprüfung weiterer Bestandsgruppen und die Herauslösung entsprechender Akten aus den Stadt- und Patrimonialgerichtsbeständen (v. a. Stadtgerichte Waldheim und Hartha, Patrimonialgerichte Gebersbach und Otzdorf) erforderlich.

Die Verzeichnung der Akten erfolgte mit dem Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch das Orts- und Personenregister erstellt wurde. Soweit vorhanden, wurden die alten Registratursignaturen mit erfasst.

Der Bestand Königliches Gericht Waldheim zeichnet sich durch eine besonders gute Aktenlage bezüglich der Entstehung und Organisation des Gerichtes aus, wobei sich das Bild eines langen und schwierigen Prozesses voller Kompetenzstreitigkeiten ergibt. Weiterhin sind zahlreiche Kauf-, Konsens- und Quittungsprotokolle, Zivilprozessakten, die sich fast ausschließlich mit Eigentumsstreitigkeiten oder Geldforderungen befassen und Unterlagen zu Konkursen und Zwangsversteigerungen überliefert.

Der Bereich Strafgerichtsbarkeit ist im Bestand Königliches Gericht Waldheim stärker als in den meisten anderen Beständen dokumentiert. Die betreffenden Akten haben zum großen Teil Untersuchungen im Zusammenhang mit den revolutionären Ereignissen von 1848/49 zum Inhalt.

Als korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig können das Gerichtsamt Waldheim und das Amt Rochlitz sowie die Akten der Stadtgerichte Waldheim und Hartha herangezogen werden.

Für die gesamte Bestandsgruppe Königliche Gerichte ist eine übergreifende Findbucheinleitung erarbeitet worden [15] , so dass hier nur in verkürzter Form auf den konkreten Bestand eingegangen wurde.

Dem Zweck übergreifender Recherchen dient die ebenfalls für die gesamte Bestandsgruppe erarbeitete Klassifikation, die diesem Findbuch zugrundeliegt. Da einige Klassifikationsgruppen nicht belegt sind, erscheint in Klammern der Vermerk "entfällt”.


Anlage 1
Personalbestand des Königlichen Gerichtes Waldheim von 1833 bis 1856



Justitiare:
- Friedrich Moritz Weinhold (1833 - 1839)

- Carl Heinrich Hitzschold (1839 - 1845)

- Friedrich Gottlob Schwäbe (1845 - 1847)

- Friedrich Gustav Edler (1847 - 1851)

- Hugo Alexius Ferdinand Richter (1851 - 1856)

- Dr. Ludwig Konstantin Osterloh (1856) danach Gerichtsamtmann am Gerichtsamt Waldheim


Vize-Aktuare (erst ab 1839):
- Eduard Hartenstein

- Emanuel Martin Aurel von Schlieben

- Herrmann Petzold

- Ernst Gottschald



Sporteleinnehmer und Kopisten:
- Heinrich August Finsterbusch

- Carl Traugott Schröder



ca. 1840 Trennung der Ämter




Sporteleinnehmer:
- Carl Hoffmann

- Immanuel Wilhelm Schneider



Kopist und Sportelkontrolleur:
-Christian Gottlieb Gerber



Bei Gründung des Königlichen Gerichtes 1833 gab es daneben noch einen Gerichtsdiener. Ab ca. 1845 wurden ein zweiter Kopist und ein zweiter Gerichtsdiener angestellt.




Anlage 2
Abgabe von Patrimonialgerichtsbarkeiten an das Königliche Gericht Waldheim


Ort

Gerichtsherrschaft

Jahr

Monat

Tag

Waldheim

Strafanstalt

1833

11

06

Waldheim

Stadt (Teilabgabe)

1833

11

07

Hartha

Stadt (Teilabgabe)

1833

11

25

Waldheim

Stadt

1840

02

01

Grünlichtenberg

Pfarrlehen

1843

04

26

Lichtenberg

Mannlehngut

1849

09

19

Gebersbach

Erb- und Allodialgut

1851

10

28

Heyda

Rittergut

1856

05

20

Otzdorf

Rittergut

1856

05

21

Ehrenberg

Rittergut

1856

05

31





[01] Vgl. Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, hrsg. v. A. Schumann, Bd. 12, Zwickau 1825, S. 392.
[02] Deutsches Städtebuch, Bd. II, Mitteldeutschland, hrsg. v. E. Keyser, Stuttgart - Berlin 1941, S. 228.
[03] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 68.
[04] LZ, 24.10.1833, S. 2673.
[05] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 68.
[06] StA-L, Amt Rochlitz 2568; Kgl. Gericht Waldheim 108.
[07] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 79.
[08] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 68.
[09] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 87, 91, 169.
[10] Staatshandbuch für das Königreich Sachsen, Dresden 1837 ff.
[11] N. Wehrstedt, Kennen Sie Waldheim?, in: Leipziger Blätter, 1988, Nr. 13, S. 87.
[12] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 86.
[13] StA-L, Kgl. Gericht Waldheim 135.
[14] Vgl. StA-L, Verwaltungsarchiv, Zu- und Abgangsbuch 1954 - 1975, Nr. 187.
[15] Vgl. V. Jäger, Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Königliche Gerichte, 1998.

Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Ablösungen.- Lokalverwaltung.
Im Oktober 1833 wurde das Königliche Gericht Waldheim errichtet. Die Eröffnung dieses Gerichts war die Voraussetzung für die staatlicherseits angestrebte Übernahme der Gerichtsbarkeit der Strafanstalt Waldheim. Noch im selben Jahr folgten Teilabgaben der Gerichtsbarkeit der Stadtgemeinden Hartha und Waldheim. Das Justizamt Rochlitz überwies die von ihm bisher ausgeübte Obergerichtsbarkeit über Waldheim und Umgebung. Das Stadtgericht Waldheim übergab seine Gerichtsbarkeit dem Königlichen Gericht im Jahre 1840. Bis 1856 folgte die Abgabe der Patrimonialgerichtsbarkeit des Pfarrlehens Grünlichtenberg sowie der Rittergüter Ehrenberg, Gebersbach, Heyda, Lichtenberg und Otzdorf. Nachfolger war das Gerichtsamt Waldheim.
Weitere Angaben siehe 2.3.4.2.3 Königliche Gerichte.
  • 1999 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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