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Beständeübersicht

Bestand

20927 Leipziger Baumwollspinnerei

Datierung1884 - 1950
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)11,98
Vorbemerkung

Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1983. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben mit minimalen inhaltlichen Veränderungen in die digitale Form überführt. Die im Findbuch von 1983 verwendete Terminologie, welche auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bearbeitung widerspiegelt, blieb folglich unberührt.

Geschichte der Leipziger Baumwollspinnerei

Die Leipziger Baumwollspinnerei wurde im Juni 1884 von elf Leipziger Kaufleuten und Bankiers als Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 3 Mio. RM zum Bau, Erwerb und Betrieb von Baumwollspinnereien und damit zusammenhängenden Geschäftszweigen in Leipzig gegründet. Die Direktion wurde 1885 dem aus der Schweiz stammenden Johann Morf, Spinnereibesitzer in Sontheim am Neckar, übertragen. Die Wahl des Bauareals fiel auf ein angebotenes Grundstück längs der Alten Salzstraße in Lindenau (seit 1891 nach Leipzig eingemeindet) unweit des Bahnhofs Plagwitz mit einer Größe von 59.000 qm. Ende 1884 konnte der Bau des ersten Fabrikgebäudes abgeschlossen werden. Mit fünf Spinnstühlen wurde die Produktion aufgenommen. 1885 stand die erste Spinnerei mit 30.000 Selfaktorspindeln und dem dazugehörigen Vorwerk in voller Produktion, Sitz des Unternehmens war jetzt Lindenau. 1887 beschäftigte es 318 Arbeiter und Angestellte. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 70 - 77 Stunden, die erstmalig ausgeschüttete Dividende 5,5%. In den nächsten Jahren entstanden das Hochhaus in der Spinnereistraße, ein als Sanitätsraum, Garderobe und Ärztezimmer genutztes Gebäude, 1886 das erste Arbeiterwohnhaus, 1888 die 2. Spinnerei nebst Färberei und 1889 die dritte Spinnerei.

Am 22. Juli 1886 übernahm die Leipziger Baumwollspinnerei das gesamte Aktienkapital der 1886 gegründeten Leipziger Baumwollweberei Wolkenburg, die damit Tochtergesellschaft wurde. 1894 kündigte der Aufsichtsrat dem Direktor Johann Morf fristlos und setzte 1895 Gustav Hertle als Vorstand des Unternehmens ein. 1895 bzw. 1907 konnte auf Grund der gestiegenen Nachfrage eine vierte und fünfte Spinnerei und eine Kämmerei gebaut werden. Der Jahresumsatz betrug 1902 rund 10 Millionen Mark, die Dividende 14%. Es entstanden sechs weitere Arbeiterwohnhäuser, 1906 ein neues Verwaltungsgebäude, 1908 der Anschluss der Leipziger Baumwollspinnerei an eine elektrische Zentrale.

1912 wurde mit der Einrichtung der Motorstoffweberei im Färbereigebäude der Grundstock zur größten und leistungsfähigsten Autocord-Zwirnerei (Herstellung von Reifencord für die Reifen von Autos) in Deutschland gelegt. 1921 erfolgte wegen des ständig wachsenden Bedarfs an Motorstoff die Gründung der Zwirnerei und Weberei. Auch in den folgenden Jahren waren hohe Gewinne erzielt worden, die Nachfrage konnte nie ganz gedeckt werden. Um die Jahrhundertwende trug sich die Leipziger Baumwollspinnerei mit dem Gedanken, in Ägypten und Deutsch-Ostafrika eigene Baumwollpflanzungen zu erwerben, um sich im Bezug auf Baumwolle vom Markt unabhängig zu machen. Ab Januar 1908 wurden Pflanzungen übernommen, die in den folgenden Jahren beträchtlich erweitert wurden. Das Pflanzungsunternehmen trug den Namen "Leipziger Baumwollspinnerei-Pflanzungen Cherhani bei Sadani und Kissauke am Wami". Auf den Plantagen waren bei Kriegsbeginn über 2000 einheimische Arbeitskräfte beschäftigt. Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde die Gesamtanlage, die mehrere Mio. Mark gekostet hatte, für wenig Geld von England an Indien verkauft.

1915 schied der Vorstand bzw. Direktor Gustav Hertle aus und die Leitung des Unternehmens übernahm jetzt der aus Augsburg stammende Textilkaufmann Heinrich Hans. 1916 musste die Leipziger Baumwollspinnerei teilweise stillgelegt werden, man produzierte Papier-Garne und -Gewebe und im begrenzten Maße wurden Granaten gedreht. Nach 1919 erfolgte schrittweise die Wiedereinführung von Baumwolle.

1935 beteiligte sich die Leipziger Baumwollspinnerei mit 500.000 RM an der neu gebildeten Sächsischen Zellwolle-AG in Plauen und 1938 mit 100.000 RM an der Neugründung Flockenbast-AG, die ebenfalls in Plauen ihren Sitz hatte. 1939 - 1942 verringerten sich Produktion und Belegschaft trotz Kriegsproduktion immer mehr. Es wurden einzelne Abteilungen stillgelegt und Mietfirmen aufgenommen. Im Verlaufe des Krieges beschäftigte die Leipziger Baumwollspinnerei über 500 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene und unterhielt ein eigenes Ausländerlager in der Spinnereistraße.

1943 erklärte der bisherige Direktor der Leipziger Baumwollspinnerei Heinrich Hans seinen Rücktritt und der Aufsichtsrat bestimmte die zwei bereits 1942 bestellten stellvertretenden Vorstandsmitglieder zum Vorstand, die die Aktiengesellschaft bis zu ihrer Enteignung leiteten. 1944 beteiligte sich die Leipziger Baumwollspinnerei an einem von zehn Spinnereien gebildeten Konsortium Spinnerei-Verlagerungs-G.m.b.H. Am 6. April 1945 fand die letzte ordentliche Hauptversammlung der Aktionäre der Leipziger Baumwollspinnerei statt. Im Juni 1945 wurde das Unternehmen beschlagnahmt. Durch Volksentscheid vom 30. Juni 1946 (Liste A) ging er in das Eigentum des Bundeslandes Sachsen über. Der 1945 eingesetzte Treuhänder Ludwig Hesse leitete den Betrieb als Direktor bis 1948. Im Handelsregister wurde im März 1947 der alte Vorstand der Aktiengesellschaft und im Aug. 1948 das gesamte Unternehmen gelöscht.[01]

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Der Bestand wurde 1983 in das Staatsarchiv übernommen und im selben Jahr im Rahmen der Ausbildung von drei Lehrlingen des Staatsarchivs geordnet und in einem maschinenschriftlichen Findbuch verzeichnet. 2005 wurde das Findbuch durch Übertragung in die archivische Erschließungssoftware AUGIAS-Archiv retrokonvertiert. 2016 wurden in Vorbereitung der Freigabe der Verzeichnungsinformationen für die Online-Recherche die Einleitung gekürzt und überarbeitet, offenkundige Fehler in der Verzeichnung korrigiert, die Gliederungspunkte 8 und 9 neu angelegt sowie der Gliederungspunkt 3.2 zur Erhöhung der Übersichtlichkeit weiter untergliedert. Im Übrigen wurde die Verzeichnung und Gliederung mit dem Stand 1983 belassen.
Zusätzlich konnte 2016 die Bestandstrennung zum VEB korrigiert werden. Es sind aus dem Bestand 20940 VEB Baumwollspinnerei Leipzig 32 Akten (0,66 lfm) aus der Zeit bis 1948 herausgelöst, neu verzeichnet und dem Bestand 20927 Leipziger Baumwollspinnerei zugeordnet worden, jetzt die Signaturen Nr. 381 ff. Vier Akten mit einem zeitlichen Umfang 1947-1951 (Signaturen 347, 353 und 358-359, jetzt Fehlsignaturen) wurden dem Bestand entnommen und zum VEB geordnet.

Überlieferungsschwerpunkte

Hervorzuheben ist die vollständige Reihe der Geschäftsberichte, die Protokolle des Aufsichtsrates und der Generalversammlung sowie Statute und Arbeitsordnungen des Unternehmens. Eine Besonderheit bilden die Unterlagen über die Besitzungen im damaligen Deutsch-Ostafrika und Ägypten vor dem 1. Weltkrieg, insbesondere zwei Fotoalben.
Seltenheitswert kommt auch der Zeitung der Betriebszelle der KPD "Die rote Spinne" zu, die in einigen Exemplaren überliefert ist.

Verweise auf korrespondierende Bestände des Staatsarchivs Leipzig

20940 VEB Baumwollspinnerei Leipzig

Dolores Herrmann

Febr. 2016


[01] Die Erarbeitung der Einleitung erfolgte auf Grundlage der Handelsregisterakte, in: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20124 Amtsgericht Leipzig HRB 266 (sechs Bände mit Statuten und Geschäftsberichten) und der ausführlichen Betriebschronik, in: StA-L, 20927 Leipziger Baumwollspinnerei, Nr. 70.
Hdb. der AG 1944 S. 1261
Rechtsstellung des Unternehmens.- Aufsichtsratssitzungen.- Geschäftsberichte.- Arbeit und Soziales.- Zwangsarbeiter.- Finanzen und Vermögen.- Material.- Absatz und Werbung.
Die Leipziger Baumwollspinnerei wurde 1884 als AG in Lindenau (heute Leipzig) gegründet. 1886 übernahm sie die Leipziger Baumwollweberei Wolkenburg. Zur Jahrhundertwende unterhielt das Unternehmen in Leipzig mehrere Spinnereifabriken mit Färberei und Kämmerei sowie eigenen Baumwollplantagen im damaligen Deutsch-Ostafrika und in Ägypten. Die Enteignung erfolgte durch den Volksentscheid von 1946 zum 30. Juni 1946, die Löschung des Unternehmens im Handelsregister 1948. Der Nachfolgebetrieb firmierte als VEB Leipziger Baumwollspinnerei.
  • 2016 | Findbuch / Datenbank
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