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Beständeübersicht

Bestand

10724 Sächsische Gesandtschaft für Frankreich, Paris

Datierung1808 - 1870
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)5,20
1. Geschichte des Bestandsbildners

Diplomatische Beziehungen bestanden zwischen Sachsen und Frankreich seit 1664, übereinstimmend mit dem generellen Zustand der sächsischen Außenpolitik, die sich zum Ende des 17. Jahrhunderts insofern institutionalisierte, als die kursächsischen Gesandtschaften nunmehr dauerhaften Charakter und eine behördenmäßige Einrichtungsweise erlangten. Zu diesem Zeitpunkt unterhielt Kursachsen neben der besonders wichtigen Vertretung am Regensburger Reichstag (seit 1663) noch sieben weitere ständige Gesandtschaften in Wien, Berlin, Moskau/St. Petersburg, Kopenhagen, London, Den Haag und Paris.
Die französische Gesandtschaft war unter den Auslandsvertretungen Sachsens einer der wichtigsten Posten, die der Dresdner Hof zu vergeben hatte, da dieser sowohl eine Beobachtungsstelle für die Ereignisse der großen europäischen Politik darstellte als auch ein gewichtiger Hebelpunkt der sächsischen Diplomatie in ihren Bemühungen war, die Zwangslage Sachsens zwischen den Nachbarn Preußen und Österreich auszutarieren. Darüber hinaus fand nach dem Wiener Kongress neben der Politik auch verstärkt die französische Zivilisation Nachhall in der sächsischen Öffentlichkeit, die damit Italien ablöste, das während des 18. Jahrhunderts die dominante kulturelle Rolle im "Elb-florenz" gespielt hatte. Dazu kam außerdem eine gewisse Verbundenheit mit jener europäischen Großmacht, die sich bei den Verhandlungen von 1814/15 für den Erhalt des sächsischen Staatswesens eingesetzt hatte. Zudem gab es in Frankreich und zumal in Paris eine zahlenmäßig relevante sächsische Aussiedlerkolonie, die ebenfalls eine diplomatische Vertretung in der Stadt notwendig machte. Angesichts dieser besonders engen Beziehung, die sich auch in der frühen Aufnahme der Gesandtschaftsaktivitäten widerspiegelt, hatte man in Dresden stets dafür Sorge getragen, den Posten in Frankreich mit besonders fähigen Männern zu besetzen.

Der Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 und die Gründung des Deutschen Reiches im Jahr darauf führten zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen Sachsens zu Frankreich und nach der Reichsgründung, als die eigenständigen diplomatischen Möglichkeiten der Bundesstaaten zwangsläufig eigeschränkt wurden, zur Aufhebung der Gesandtschaft.

Im Zeitraum des vorliegenden Bestandes leiteten nachstehende sächsische Diplomaten die Geschäfte der Gesandtschaft Paris:
1815-1827: Emil Freiherr von Üchtritz (1783-1841)
1827-1828: Georg Rudolph von Gersdorf (1804-1894)
1828-1849: Johann ("Hans") Heinrich Freiherr (seit 1852: Graf) von Könneritz (1790-1863)
1850-1852: Karl Adolf Graf von Hohenthal-Knauthain (1811-1875)
1853-1870: Albin Leo Freiherr (seit 1864: Graf) von Seebach (1811-1884)
1870-1871: vakant
1871: Aufhebung der Gesandtschaft

2. Geschichte des Bestandes

Der Bestand umfasst die Überlieferung der sächsischen Gesandtschaft in Paris ab 1830 und behandelt vorrangig die politisch instabile Phase Frankreichs von der Julirevolution 1830 bis zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges. Sowohl Sachsen als auch Frankreich nahmen in dieser Periode wesentliche Veränderungen ihrer staatlichen Strukturen vor. Als wesentliche Ereignisse der sächsischen Geschichte in dieser Zeit wären die große Verfassungsreform von 1831 und die letztendliche Eingliederung in das neugegründete Deutsche Reich 1871 zu nennen. Frankreich erlebte die Julimonarchie und die Gründungen der Zweiten Republik und des Zweiten Kaiserreiches. Die Revolution von 1848 war ein bedeutender Wendepunkt in der Geschichte beider Länder.

Die personalbezogenen Schwerpunkte der Überlieferung bilden dabei die langjährigen Dienstzeiten des Hans Heinrich von Könneritz (1790-1863) und des Albin Leo von Seebach (1811-1884) als Vertreter Sachsens in der französischen Hauptstadt, die die Leitung der dortigen Gesandtschaft von 1828 bis 1849 bzw. von 1853-1870 innehatten. Seit der Verfassungsreform regelte das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten den gesandtschaftlichen Schriftverkehr, welches diese Aufgabe vom bisher zuständigen Departement der auswärtigen Verhältnisse des Geheimen Kabinetts übernommen hatte.
1852 erfolgte eine erste Übergabe alter Akten durch das Ministerium an das Staatsarchiv. Diese umfasste die Geschäftskorrespondenz der Jahre 1808 bis 1839, Berichtskonzepte der Jahre 1840 bis 1847 sowie verschiedene andere Akten. Vom Jahr 1860 datiert zudem die Übergabe einer über die Gesandtschaft zu Paris angekauften Autographensammlung. Der restliche Bestand wurde vermutlich nach der Schließung der Gesandtschaft 1871 an das Staatsarchiv gegeben, spätestens jedoch nach dem Ersten Weltkrieg, als in den Jahren 1924 bis 1931 die Restbestände der außenpolitischen Überlieferung Sachsens ihren Weg ins Archiv fanden.

Die archivarische Bearbeitung der Ministerial- und Gesandtschaftsbestände erfolgte ab dem Jahr 1937 durch Dr. Horst Schlechte, der sämtliche Verzeichnungseinheiten des Bestandes der französischen Gesandtschaft in einem handschriftlichen Findbuch (Sächsische Gesandtschaften. Sammelfindbuch von Dr. Horst Schlechte, 1939) erschloss. Die Konvertierung der gesammelten Erschließungs-informationen in elektronische Form erfolgte im Jahr 2007 in einem von Dr. Nils Brübach betreuten Fremdkräfteprojekt. Die endgültige Erschließung der Gesandtschaftsakten erfolgte im Jahr 2024.

3. Inhalt des Bestandes

Der vorliegende Bestand mit einem Gesamtumfang von 5,20 lfm bzw. 58 Akten, beinhaltet vorrangig den diplomatischen Geschäftsverkehr zwischen der Gesandtschaft in Paris und dem Außenministerium in Dresden auf der Basis einer Vielzahl von Depeschen und Berichten in französischer und deutscher Sprache. Im wesentlich kleineren Umfang sind verwaltungsspezifische Unterlagen wie Registranden und Passregister überliefert. Den zweiten Schwerpunkt des Bestandes bildet einerseits die Korrespondenz der sächsischen Diplomaten sowohl mit den politischen Vertretern und Behörden Frankreichs oder anderen ausländischen Gesandten im anfallenden diplomatischen Austausch zu verschiedenen Anlässen als auch andererseits jene mit Privatpersonen, die sich - oftmals als sächsische Staatsbürger - mit Anfragen, Bittgesuchen oder weiteren variierenden Belangen an die Gesandtschaft wenden, wodurch sich ein Einblick in das Arbeitsaufkommen der Einrichtung gewinnen lässt. Anhand dieses umfangreichen Austauschs, der von Erbschaftsangelegenheiten über Rechtsstreitigkeiten bis hin zu grenzübergreifenden Strafverfolgungsverfahren einen vielfältigen Bereich an Themen aufgreift, ist gleichermaßen auch die Interaktion der Gesandtschaft mit den französischen Ansprechpartnern nachvollziehbar, mit welcher konkrete Probleme zu einer Lösung gebracht wurden.

Bisweilen finden sich in den Unterlagen Querverweise zur sächsischen Gesandtschaft in Brüssel, deren Überlieferung unter der Bestandssignatur 10723 zu finden ist. Des Weiteren ist ein Konvolut an Schriftverkehr der Jahre 1847 bis 1848 überliefert, welches dem ernestinischen Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach zugeordnet ist. Es liegt die Vermutung auf der Hand, dass der königlich-sächsische Gesandte in diesem Zeitraum auch die Interessen des Großherzogtums in Paris vertreten hat, obgleich der Nachweis dafür aussteht. Es ist daher angeraten, ergänzend den Bestand der Gesandtschaft Weimar (Bestandssignatur 10732) hinzuzuziehen.

4. Andere Bestände im eigenen Archiv und in fremden Archiven

Für weitere Informationen zum Bestand hinsichtlich von Detailfragen oder Personalia der sächsischen Gesandtschaft Paris sind die Akten des Bestandes 10717 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten heranzuziehen, speziell die Signaturen 970, 971, 3015, 3016 und 3017.

Im Bestand fehlen drei Akten zu politischen Berichten für die Jahre 1849 bis 1851, denen in dem in der Vorkriegszeit von Dr. Schlechte aufgestellten Findbuch die Signaturen 32-34 zugewiesen wurden. Diese wurden durch die Archivabteilung der Sowjetischen Militäradministration Sachsen ausgeliehen, nicht wieder zurückgegeben und befinden sich heute vermutlich in einem russischen Archiv.

Die ältere, bis 1830 entstandene Überlieferung der Gesandtschaft Paris ist kein Bestandteil des Bestands 1724, sondern wurde dem Bestand 10026 Geheimes Kabinett zugeordnet und gehört dort in die Gliederungsgruppe 53.21 Gesandtschaft von Sachsen an Frankreich.


5. Weiterführende Literatur

- Tobias C. Bringmann: Handbuch der Diplomatie 1815-1863. Auswärtige Missionschefs in Deutsch-land und deutsche Missionschefs im Ausland von Metternich bis Adenauer, München 2001.
- Hellmut Kretzschmar: Zur Geschichte der sächsischen Diplomatie, in: Amt und Volk. Monatsschrift des Landesverbandes der höheren Beamten Sachsen, 6. Jahrgang, Heft 3, Dresden 1932, S. 36-39.
- Hellmut Kretzschmar/Horst Schlechte: Französische und sächsische Gesandtschaftsberichte aus Dresden und Paris 1848-1849, Berlin 1956.
- Jörg Ludwig: Zur Geschichte des sächsischen Konsulatswesens (1807-1933), in: Consuls et services consulaires au XIXe siècle, Hamburg 2010, S. 365-378.
- Otto Friedrich Winter: Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, 3. Band: 1764-1815, Graz/Köln 1965.

Registranden und Geschäftsübersichten.- Berichte und Depeschen.- Geschäftskorrespondenz.- Privatangelegenheiten, u. a. des Gesandten von Seebach.
Angaben siehe 2.3.2 Auswärtige Angelegenheiten
  • 1939 | Findbuch
  • 2024 | Elektronisches Findmittel
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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