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Beständeübersicht

Bestand

20297 Pädagogische Schule für Kindergärtnerinnen "Henriette-Goldschmidt-Schule", Leipzig

Datierung(1924 - 1945) 1947 - 1993
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)4,95

Bestand enthält auch 13 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Geschichte der Henriette-Goldschmidt-Schule

Die Geschichte der Schule ist eng mit ihrer Namensgeberin und deren Engagement für die Umsetzung des Rechtes auf Bildung für Frauen und die Reformierung der Kindererziehung verbunden. Henriette Goldschmidt hatte bereits 1871 den "Verein für Familien- und Volkserziehung" in Leipzig gegründet. Sein Ziel war die Einrichtung von Kindergärten auf Basis der pädagogischen Ideen Friedrich Fröbels. In Folge dieser Bestrebungen wurden 1872 der erste Volkskindergarten und das Seminar für Kindergärtnerinnen gegründet, 1878 nahm das "Lyzeum für Damen" seine Tätigkeit auf. Henriette Goldschmidts erklärtes Ziel war auch die Errichtung einer Hochschule für Frauen. Die Finanzierung eines Schulneubaus in der damaligen Königsstraße 18/20 (heute Goldschmidtstraße 20) durch Dr. Henri Hinrichsen, Besitzer des Leipziger Musikverlags C. F. Peters, ermöglichte dieses Vorhaben im Jahr 1911, zunächst in Form einer privaten Schule.[01] Dr. Henri Hinrichsen engagierte sich auch weit darüber hinaus für das Bildungsprojekt, indem er 1916 die Stiftung "Hochschule für Frauen" gründete und großzügig ausstattete.
Am 1. November 1911 nahm die pädagogisch-soziale Bildungseinrichtung den Lehrbetrieb auf. Es wurden Vorlesungen für alle interessierten Frauen und Studienkurse angeboten, für die sich im ersten Semester 873 Hörerinnen bzw. 24 Studentinnen einschrieben.[02] Die Vorlesungen behandelten philosophische, historische, literatur- und kunstgeschichtliche sowie naturwissenschaftliche Themen und wurden von Dozenten der Universität gehalten. Für die Studentinnen standen die Institute für Erziehungskunde und Sozialwissenschaften zur Verfügung, die 1914 durch die Naturwissenschaften ergänzt wurden. Im selben Jahr entstand ein Erweiterungsbau, da mehr Unterrichtsräume benötigt wurden. 1916 wurde außerdem eine Abteilung für Krankenpflege eingerichtet. Einen hohen Stellenwert hatte die praktische Ausbildung der Studentinnen, die im städtischen Säuglingsheim, drei Volkskindergärten, acht Schulhorten und der zentralen Jugendfürsorge stattfand.
Die Hochschule bildete u. a. Lehrerinnen für pädagogische Fächer aus, qualifizierte Frauen für die soziale Arbeit in Wohlfahrtseinrichtungen, bildete Krankenschwestern zu Fürsorgerinnen und Oberinnen weiter. 1916 wurde die Einrichtung dem Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts unterstellt und die Ausbildung damit staatlich anerkannt.[03]
Nach dem Tod Henriette Goldschmidts am 30. Januar 1920 begann eine schrittweise Umgestaltung der Hochschule. Zunächst löste sich am 1. April 1921 der "Verein für Familien- und Volkserziehung" auf, sein gesamtes Vermögen wurde in die von Dr. Henri Hinrichsen gegründete Stiftung überführt, die später auch nach ihm benannt wurde. Am 1. Juli 1921 wurde die Schule per Vertrag durch die Stadt Leipzig übernommen und erhielt am 1. Oktober 1921 die Bezeichnung "Sozialpädagogisches Frauenseminar". Es wurde ein breites Spektrum an beruflichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Zu den bereits o. g. kam unter anderem die Ausbildung zur Jugendleiterin hinzu.[04]
Nach 1933 veränderte sich das Bildungsziel des Seminars vollständig, pädagogische Inhalte bezogen sich nicht mehr auf das einzelne Kind sondern auf das Kind als Teil der sogenannte "Volksgemeinschaft". Das ehrende Andenken an die Schulgründerin wurde nicht mehr gepflegt und der Stifter Dr. Henri Hinrichsen durfte die Schule aufgrund seiner jüdischen Herkunft nicht mehr betreten.[05] Seine Stiftung wurde 1941 in "Stiftung für das Sozialpädagogische Frauenseminar" umbenannt. Dr. Henri Hinrichsen wurde am 17. September 1942 in Auschwitz ermordet.

Nach Kriegsende konnte der Unterricht am 1. Oktober 1945 unter dem Namen "Henriette-Goldschmidt-Schule" wieder aufgenommen werden. Möglich waren nunmehr die einjährige Ausbildung zur Kinderpflegerin und Jugendleiterin sowie die zweijährige Ausbildung zur Kindergärtnerin und Wohlfahrtspflegerin. Die Ausbildungsrichtungen Jugendleiterin und Wohlfahrtspflegerin liefen allerdings 1952 aus. Über einen kurzen Zeitraum wurden auch Hort- und Heimerzieherinnen ausgebildet, seit 1952 ausschließlich Kindergärtnerinnen. Für bereits in Kindergärten beschäftigte pädagogische Hilfskräfte gab es seit 1955 die Möglichkeit, sich im Rahmen einer zweijährigen externen Vorbereitung zur staatlich anerkannten Kindergärtnerin zu qualifizieren.
Die Lehrinhalte an der Schule, die seit 1952 die Bezeichnung "Pädagogische Schule für Kindergärtnerinnen Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig" trug, waren stark ideologisch geprägt, Marxismus-Leninismus war ein Grundlagen- und Prüfungsfach. Eingang in die Ausbildung fanden aber auch neue Fächer wie z. B. Didaktik und Methodik der Vorschulerziehung und Kinderbeschäftigung sowie Instrumentalunterricht. Großer Wert wurde weiterhin auf die praktische Ausbildung in den Kindergärten gelegt, wobei den Studentinnen erfahrene Erzieherinnen als Mentorinnen zur Seite gestellt wurden.
Das Niveau des dreijährigen Studiums war hoch, die von den Kreisen vergebenen Studienplätze sehr begehrt, die Absolventinnen gefragt. Auf der Website der Henriette-Goldschmidt-Schule heißt es dazu unter der Rubrik "Schulgeschichte": "Tüchtige Kindergärtnerinnen wurden ausgebildet, die nicht nur die Bedeutung vorschulischer Bildung kannten, sondern auch in der Lage waren, die kindliche Persönlichkeit sprachlich, mathematisch, künstlerisch und musikalisch zu fördern."[06]
Der Bedarf an Kindergärtnerinnen wuchs ständig, so dass nicht ausgebildete, im Kindergarten arbeitende Frauen, Frauen und Mädchen aus anderen Berufen und nicht berufstätige Frauen für das Studium geworben wurden. Ihnen stand seit 1966 die Möglichkeit offen, sich bei den Kreisschulräten für ein Fernstudium mit dem Abschluss als staatlich anerkannte Kindergärtnerin zu bewerben. Dieses Fernstudium an der Goldschmidt-Schule dauerte dreieinhalb Jahre.[07] Seit 1976 sollte der Anspruch eines jeden Kindes auf einen Kindergartenplatz umgesetzt werden. Infolgedessen stiegen die Studentenzahlen weiter an und die Ausbildung von Erziehungshelferinnen wurde aufgenommen. Dieser Umstand und die Einführung einer neuen Bildungskonzeption führte die Schule an die Grenzen ihrer personellen und räumlichen Belastbarkeit.[08] Zum 1. Februar 1988 wurde außerdem ein Sonderstudium eingeführt, das für vollbeschäftigte Helferinnen bzw. Erziehungshelferinnen die Erlangung eines Fachschulabschlusses als Kindergärtnerin ermöglichte. Die Dauer dieses Fernstudiums betrug drei Jahre, nach eineinhalb Jahren wurde nach der Zwischenprüfung die Teilqualifikation zur Erziehungshelferin erworben.[09]
Die politischen Veränderungen des Jahres 1990 erforderten eine generelle Umstrukturierung des Schulbetriebs und der Lehrinhalte. Es stellte sich auch die Frage nach einer freien bzw. öffentlichen Trägerschaft. 1991 wurde die Pädagogische Fachschule für Kindergärtnerinnen zunächst in die Fachschule für Sozialpädagogik umgewandelt. Seit 1992 besteht die Bildungseinrichtung unter der Bezeichnung "Henriette-Goldschmidt-Schule" als Berufsschulzentrum 11 Sozialwesen der Stadt Leipzig. Die Ausbildung zum Erzieher und Heilpädagogen erfolgt nicht mehr im Rahmen eines Studiums, sondern endet mit Erlangung eines Berufsabschlusses.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Der vorliegende Bestand gelangte im Rahmen von fünf Anbietungen 1997 - 1998 aus der Henriette-Goldschmidt-Schule in das Staatsarchiv Leipzig. 2002 wurden nochmals zwei Einzelakten nachgeliefert. Der Gesamtumfang der übernommenen Unterlagen betrug rund 28 lfm. Es handelte sich schwerpunktmäßig um Studentenakten, Prüfungsunterlagen und Klassenbücher. Im Zuge der Einlagerung wurde ein Ablieferungsverzeichnis erstellt, das als vorläufiges Findmittel diente. 2015 wurde eine Bewertung der übernommenen Unterlagen vorgenommen und eine archivwürdige Auswahl getroffen. 2016/17 erfolgte die Erschließung des Bestandes. Aus den Aktenbündeln wurden jeweils mehrere Verzeichnungseinheiten gebildet. Gleichzeitig erfolgte eine Feinbewertung der Unterlagen in deren Folge Doppelüberlieferung im Umfang von 40 cm kassiert wurde. Die Eingabe der Verzeichnungsangaben zu den einzelnen Akteneinheiten erfolgte auf Basis der Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchivs in die Archivdatenbank (Archivsoftware AUGIAS 9.1). Aufgrund des vielschichtigen Inhalts der Unterlagen wurde im Rahmen der erweiterten Verzeichnung mit Enthält- und Darin-Vermerken gearbeitet. Die zu Beginn der Erschließung erstellte Klassifikation wurde während der Verzeichnungsarbeiten weiterentwickelt und die Akten der entsprechenden Sachgruppe zugeordnet. Der Bestand umfasst nunmehr 4,95 lfm und betrifft den Zeitraum 1924 - 1993. Mit dem Zugang von Unterlagen aus der Zeit nach 1993 ist nicht zu rechnen, da die Schule in kommunale Trägerschaft übergegangen ist.

Überlieferungsschwerpunkte

Die überlieferten Unterlagen entstanden fast ausschließlich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, lediglich eine Studentinnenkartei setzt 1924 ein. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Bestandes liegen im Bereich Prüfungsangelegenheiten. Daneben bieten Lehrpläne und Unterrichtsanalysen einen guten Einblick in die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und den hohen Anspruch an vorschulische Bildung in der DDR. In diesem Zusammenhang sind auch die Hausarbeiten und die praktischen Prüfungen der Studentinnen in den Kindergärten als besonders aussagefähige Quellen zu sehen. Über Studentinnen der Pädagogischen Schule geben die vorliegenden Karteien Auskunft.

Hinweise für die Benutzung

Für die Einsichtnahme sind die Regelungen zum Datenschutz zu beachten. Es gelten die im § 10 Abs. 1 Satz 3 des Sächsischen Archivgesetzes[10] festgelegten Schutzfristen. Aktentitel mit personenbezogenen Daten und laufenden Schutzfristen sind in der Online-Version des Findbuchs nicht einsehbar.

Verweise auf korrespondierende Bestände

20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig

K. Heil

Februar 2017


[01] Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig (Hrsg.), "Henriette-Goldschmidt-Schule, 1911 – 2001", Leipzig, 2001, S. 10.
[02] Ebenda, S. 11.
[03] Ebenda, S. 16.
[04] Ebenda, S. 19.
[05] http://www.goldschmidtschule-leipzig.de/wp/?page_id=6 (Aufruf vom 19.01.2017).
[06] http://www.goldschmidtschule-leipzig.de/wp/?page_id=6 (Aufruf vom 19.01.2017).
[07] 20297, Pädagogische Schule für Kindergärtnerinnen "Henriette-Goldschmidt-Schule", Nrn. 68, 84
[08] Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig (Hrsg.), "Henriette-Goldschmidt-Schule, 1911 – 2001", Leipzig, 2001, S. 34.
[09] 20297, Pädagogische Schule für Kindergärtnerinnen "Henriette-Goldschmidt-Schule", Nrn. 29, 38, 140.
[10] SächsArchivG vom 17. Mai 1993 (SächsGVBl S.449), zuletzt durch das Gesetz vom 18. Dezember 2013 (SächsGVBl. 2014 S. 2) geändert.
Henriette- Goldschmidt- Schule (Hrsg.), "Henriette- Goldschmidt- Schule, 1911 - 2001", Leipzig, 2001
Studentenakten.- Lehrpläne.- Prüfungsunterlagen.- Studentenkarteien.- Klassenbücher.
Die von Henriette Goldschmidt gegründete Bildungseinrichtung für Frauen konnte nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Grundlage des Befehls Nr. 40 der SMAD am 1. Oktober 1945 als Sozialpädagogisches Frauenseminar wieder eröffnet werden. Zunächst waren Abschlüsse als Kinderpflegerinnen und Jugendleiterinnen (einjährige Ausbildung) bzw. als Kindergärtnerinnen und Wohlfahrtspflegerinnen (zweijährige Ausbildung) möglich. Bei der Wiedereröffnung erhielt die Schule den Namen Henriette-Goldschmidt-Schule. Nach 1949 veränderte sich das Ausbildungsprofil. Neben den Kindergärtnerinnen wurden vorübergehend auch Hort- und Heimerzieherinnen, ab dem Jahr 1952 nur noch Kindergärtnerinnen ausgebildet. Die Bezeichnung der Einrichtung lautete ab 6. November 1952 Pädagogische Schule für Kindergärtnerinnen Henriette-Goldschmidt-Schule Leipzig. Sie erlangte den Status einer Fachschule. Mit dem Schuljahr 1974/75 begann die dreijährige Fachschulausbildung für Kindergärtnerinnen, die mit einem Staatsexamen endete. 1991 entstand in ihrer Nachfolge die Fachschule für Sozialpädagogik, die 1992 in das Berufliche Schulzentrum 11 Sozialwesen der Stadt Leipzig umgewandelt wurde.
  • 2017 | Findbuch / Datenbank
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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