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Beständeübersicht

Bestand

20839 Dromos-Werk Richard Stölzel GmbH, Leipzig

Datierung1928 - 1950
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)2,31
Zur Geschichte der Dromos-Werk Richard Stölzel GmbH

Im Jahre 1906 gründete der aus Dommitzsch stammende Mechaniker und Kaufmann Richard Stölzel die Firma "Fahrrad-Industrie Richard Stölzel", ein Geschäft mit Fahrradwerkstatt in Leipzig, Sebastian-Bach-Str. 39/41, aus dem am 27. August 1913 die "Leipziger Fahrrad-Industrie Richard Stölzel, Leipzig, GmbH", das spätere Werk I des Unternehmens, hervorging (1). Alleinige Gesellschafter waren das Ehepaar Richard und Anna Stölzel (2). Das Stammkapital betrug seinerzeit 20.000 Mark (3).

Um sich von vergleichbaren Unternehmen, u. a. Norma-Fahrradwerke Baur & Müller, Leipzig, Budissa-Fahrradwerke Paul Preibisch GmbH, Bautzen und Molto-Fahrradwerke GmbH, Görlitz zu unterscheiden, wurde 1924 der Begriff "DROMOS" dem Geschäftsnamen "Fahrradwerk Richard Stölzel GmbH " vorangestellt (4). Die Gesellschaft war ein eigenständiges mittelständisches Familienunternehmen (5). Anfangs wurden in drei Abteilungen, eigener Werkstatt, Dreherei, Löterei, Vernickelung und Emaillierung Fahrräder, Ersatzteile und Zubehör, Nähmaschinen, Wringmaschinen und sogenannte "Elektrische Neuheiten" produziert sowie Reparaturen ausgeführt (6).

In den 1930er Jahren konzentrierte sich das Unternehmen auf die Herstellung von Gespann- und Panjewagen sowie auf die Produktion ein- und mehrachsiger PKW- bzw. LKW-Anhänger mit Spezialaufbauten. Eigens dafür entstand 1937 das Werk II in Leipzig, Merseburger Landstraße 158 (7), und es wurde dort vorrangig für die Wehrmacht produziert, u. a. beteiligte sich das Unternehmen zwischen 1942 und 1944 an der Heeresschlittenproduktion für die "Ostfront" (8). 1941 wurde die Fahrradproduktion im Werk I eingestellt (9).

Zwischen 1924 und 1938 beschäftigte das Unternehmen durchschnittlich 80 Arbeitskräfte, im Jahre 1939 waren es 132. 1941 wurden erstmals Ausländer sowie Dienstverpflichtete eingesetzt. Bis 1944 stieg die Anzahl der Beschäftigten auf 301 an, darunter 187 ausländische Zwangsarbeiter und zivile Ausländer, v. a. aus Weißrußland (10). Eine namentliche Meldung vom Januar 1946 (SMAD-Befehl Nr. 163 vom 7.Dez.1945) erfaßte, einschließlich 15 Kleinkindern, insgesamt 344 "...beschäftigt gewesene Ausländer" aus zwölf Nationen, sogenannte Volksdeutsche und Staatenlose (11).

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte im Dezember 1945 die Sequestration des Unternehmens (SMAD-Befehle Nr. 124 und 126 vom 30. Oktober 1945 sowie Befehl Nr. 20 des sowjetischen Stadtkommandanten von Leipzig vom 7. August 1945). Der Betrieb wurde zunächst treuhänderisch weitergeführt, im Dezember 1946 dem Land Sachsen übereignet (12) und als Zweigbetrieb Landeseigener Betrieb der Industrieverwaltung bzw. 1949 der VVB Fahrzeugbau (Land Sachsen) unterstellt. Das ehemalige Werk I des Betriebes führte 1947/48 den Geschäftsnamen "Ifa Fahrradbau, Leipzig" und firmierte 1949 als "Dromos Fahrradbau, Leipzig". Das Werk II der GmbH nannte sich 1949 "Dromos-Hängerbau, Leipzig" (13) und gehörte ab 1951 als Werk IV zum VEB Blechverformungswerk Leipzig (14).


Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Gemeinsam mit den Unterlagen der Eberspächer GmbH, Leipzig und Auto Kühler GmbH, Leipzig befand sich das Schriftgut des Dromos-Werkes viele Jahre im Verwaltungsarchiv des VEB Blechverformungswerk Leipzig. 1978 wurde ein Teil des Archivgutes vom Staatsarchiv Leipzig übernommen, im selben Jahre einfach verzeichnet und eine Findkartei ausgefertigt. 1991 übernahm das Sächsische Staatsarchiv Leipzig, vorbereitet durch eine Erfassung und Bewertung vor Ort, aus dem Verwaltungsarchiv weitere 12 lfm, darunter 1,0 lfm Archivgut des Unternehmens (15). Der Umfang der ursprünglichen Registratur läßt sich nur schwer einschätzen, ein Repertorium oder eine alte Registraturordnung sind nicht überliefert.

1994 erfolgte die vorliegende Bestandsbearbeitung. Dabei wurden die 1991 übernommenen Akten gemäß OVG einfach verzeichnet (16), die Findkartei von 1978 redaktionell überarbeitet, der gesamte Bestand neu geordnet sowie das Findbuch mit dem PC-Programm AUGIAS ausgefertigt. Die allgemein gehaltene Gruppenverzeichnung "Rüstungsproduktion" wurde durch die Verzeichnung der einzelnen Sachakten korrigiert, die Personalunterlagen deutscher und ausländischer Arbeitskräfte neu verzeichnet und die Namen in korrekter alphabetischer Folge geordnet (17). Abschließend wurde der gesamte Bestand in Kartons verpackt.

Der Bestand "Dromos-Werk Richard Stölzel GmbH, Leipzig" umfaßt 2,0 lfm (87 AE), zeitlich die Jahre zwischen 1928 und 1946, vereinzelt bis 1950. Hauptkriterium für die Bestandsabgrenzung ist die Überleitung der Gesellschaft in Treuhandverwaltung des Landes Sachsen. Akten, die danach weitergeführt wurden, befinden sich deshalb i. d. R. im Bestand 20841 VEB Blechverformungswerk Leipzig (18).

Überlieferungsschwerpunkte

Die Überlieferung ist insgesamt lückenhaft. Besonders auffällig ist das Fehlen der Geschäftsunterlagen aus der Gründungszeit und den 1920er Jahren. Die ingenieurtechnische Dokumentation der Produktion liegt ebenfalls nicht vor. Wesentlich günstiger ist die Situation der Überlieferung der Personalunterlagen deutscher und ausländischer Arbeitskräfte (19), die sehr umfangreich dokumentiert sind. Die Unterlagen enthalten u. a. Arbeitspapiere mit persönlichen Daten, Angaben über die damalige Staatszugehörigkeit und Nationalität, Tätigkeit, Dauer der Beschäftigung bzw. des Einsatzes, Adressen einschließlich Lageradressen (20), Dokumente über die Entlohnung und Korrespondenz zwischen dem Dromos-Werk und den Behörden. Der Bestand enthält außerdem aussagekräftige Korrespondenz über die Rüstungsproduktion zwischen dem Dromos-Werk und den verschiedenen nationalsozialistischen Behörden und Wehrmachtsstellen, Dokumente zum Produktionsumfang und der Auslieferung über die damaligen Leipziger Heeresabnahmestellen bei den Firmen Sack und Büssing (21).

Insgesamt ermöglichen die Dokumente einen Einblick in die Entwicklung des Betriebes. Insbesondere, wie sich das mittelständische Unternehmen des Leipziger Fahrzeugbaus während des Zweiten Weltkrieges an der Rüstungsproduktion beteiligte und ausländische Arbeitskräfte einsetzte. Personal-, Lohn- und Gehaltsunterlagen sowie Versicherungsdokumente können für internationale und nationale personenbezogene Nachforschungen benutzt werden (22) und sie ermöglichen aussagekräftige Beschäftigungsnachweise bei persönlichen Anfragen bzw. Amtshilfeersuchen.

Jürgen Hallert

Leipzig 1994

(1) Vgl. StAL, AG Leipzig HR B Nr. 655.— Vgl. auch Leipziger Wirtschaftshandbuch, Bd. 3, S. 50, Leipzig 1930 und Leipziger Adreßbücher, Jg. 1906-1943.
(2) Vgl. HR B Nr. 655.— Vgl. auch StAL, PP-M Nr. 1237 (Friedrich Otto Richard Stölzel, geb. am 6. Juni in Dommitzsch; Wilhelmine Anna Stölzel, geb. Freiberger, geb. am 19. Sept. 1885 in Großzschochern, verstorben am 17. Febr. 1949 in Leipzig).
(3) Vgl. HR B Nr. 655 (Stammeinlagen: Richard St. 15.000 M, Anna St. 5.000 M; nach der Währungsreform im Jahre 1924 wurde das Stammkapital auf 50.000 RM heraufgesetzt, Stammeinlagen: Richard St. 37.500 RM, Anna St. 12.500 RM).
(4) Vgl. ebenda.
(5) Vgl. ebenda.— Vgl. auch Nr. 57 (Richard St., Geschäftsführer, Anna St., in den 40er Jahren Kassiererin und Max Heinz St., 1939-1945 Prokurist).
(6) Vgl. HR B Nr. 655.
(7) Vgl. ebenda.
(8) Vgl. Nr. 29-31, 35-49, 51-53.
(9) Vgl. Nr. 41. (10 Vgl. Nr. 27, 28, 33, 86.
(11) Vgl. Nr. 87.
(12) Vgl. Nr. 52.-- Vgl. auch HR B Nr. 655.
(13) Vgl. Leipziger Adreßbücher, Jg. 1947/48 und 1949.
(14) Vgl. Branchenadreßbuch der Stadt Leipzig, Ausgabe 1952.
(15) Vgl. StAL, VEB Blechverformungswerk Leipzig, Einleitung zum Findbuch.
(16) Vgl. Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätze für die Staatlichen Archive der DDR, Potsdam 1964 ( §§ 83, 86).
(17) Vgl. ebenda (§§ 87, 88 und §§ 302, 303).
(18) Vgl. StAL, VEB Blechverformungswerk Leipzig, Findbuch Pkt. 1.03.01. (Nr. 444), 1.04.04. (Nr. 432-443), 1.06.04.03. (Nr. 48), 1.06.07. (Nr. 424).
(19) Vgl. Findbuch Pkt. 2.
(20) Vgl. Nr. 62 (Lager Antonienstraße), 65, 86 (Lager Merseburger Str. 158, Merseburger Brücke)
(21) Vgl. Nr. 51, 53.
(22) Vgl. StAL, Zwangsarbeiterinventar, Leipzig 1993 (S. 56 ist nicht mehr aktuell, siehe Nachtrag)
Lohnkonten.- Bilanzen.- Personalunterlagen, auch von Fremd- und Zwangsarbeitern.- Rüstungsproduktion.
Im Jahr 1906 gründete der Mechaniker und Kaufmann Richard Stölzel die Firma Fahrrad-Industrie Richard Stölzel. Dem Firmennamen wurde 1924 die Bezeichnung Dromos vorangestellt. Wurden anfangs vor allem Fahrräder, Ersatzteile, Zubehör und Nähmaschinen produziert, konzentrierte sich die Firma seit den 30er Jahren auf die Herstellung von Anhängern mit Spezialaufbau für PKW und LKW. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb zunächst treuhänderisch weitergeführt, im Dezember 1946 dem Land Sachsen übereignet und als Zweigbetrieb Landeseigener Betrieb der Industrieverwaltung bzw. 1949 der VVB Fahrzeugbau (Land Sachsen) unterstellt. Das ehemalige Werk I des Betriebes führte 1947/48 den Geschäftsnamen Ifa Fahrradbau, Leipzig, und firmierte 1949 als Dromos Fahrradbau, Leipzig. Das Werk II nannte sich 1949 Dromos-Hängerbau, Leipzig, und gehörte ab 1951 als Werk IV zum VEB Blechverformungswerk Leipzig.
  • 1994 | Findbuch / Datenbank
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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