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Beständeübersicht

Bestand

21624 Gelbke, Karl (KPD)

Datierung1893 - 1980
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)1,10
Zur Biografie von Karl Gelbke

Karl Gelbke wurde am 9. Juli 1899 in Rochlitz geboren. Aufgrund seiner Fronterfahrungen im Ersten Weltkrieg (1917 bis 1918) entschloss er sich nach seinem Notabitur 1919 zu einem Medizinstudium. Das Studium finanzierte er durch Arbeiten im Baugewerbe, auf See, im Bergbau und in der Landwirtschaft. Hier kam er erstmals mit der Arbeiterbewegung in Kontakt. 1923 lernte er seine spätere Ehefrau Dina Elpern kennen, eine russische Emigrantin mit intensiven Kontakten zu Kommunist/-innen in Leipzig und Berlin. Sie hatte 1905 an der Revolution in Russland teilgenommen und vermittelte ihm, laut eigener Angabe im Lebenslauf, den "wissenschaftlichen Sozialismus" und "die dialektische Denkmethode".[01] 1926 promovierte Gelbke in Leipzig zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe. 1927 folgte die Heirat mit Dina Elpern. Bereits in dieser Zeit engagierte er sich für die Abschaffung des § 218. Bis Kriegsende war er in Leipzig als frei praktizierender Arzt tätig, von 1930 bis 1933 auch als Betriebsarzt der Sowjetischen Handelsgesellschaft in der Katzbachstraße. Während dieser Zeit stellte das Ehepaar Gelbke seine Wohnung, ein Sommerhaus in der Dübener Heide und die Praxis in Leipzig-Gohlis für die Arbeit der KPD zur Verfügung. Verletzte Kommunist/-innen wurden medizinisch versorgt, Verfolgte kurzfristig untergebracht. Es bestanden Kontakte zu illegalen Gruppen in KPD und SPD, aber auch zu katholischen und evangelischen Geistlichen. Enge Kontaktpersonen waren u. a. Dr. Fritz Gietzelt, Gerhard Ellrodt, Friedrich Würzberger, Fritz Selbmann, Alfred Schmidt-Sas, Karl Hagemann, Georg Schwarz, Alfred Kästner, Kurt Tucholsky, Karl Kraus und Erich Weinert.
Ab 1933 leitete Gelbke die Untergruppe Ellrodt-Plache-Gelbke der Widerstandsbewegung Georg Schumann. Seine Praxis diente als Treffpunkt und zum Informationsaustausch für die kommunistische Bewegung im Raum Leipzig und teilweise darüber hinaus. Er und seine Frau hörten ausländische Radiosender und waren so über die internationale Lage informiert. Nachrichten über die jeweils aktuelle Situation in den Konzentrationslagern erhielten sie über Angehörige von Inhaftierten. Arbeiter aus Rüstungsbetrieben lieferten interne Informationen, um Sabotageakte an Maschinen und Anlagen zu planen. Gelbke schrieb Arbeiter häufig krank, um die Produktion zu behindern. Kurz vor dem Einmarsch amerikanischer Truppen im Leipziger Norden entließ er Soldaten durch Eintragungen in ihr Soldbuch aus dem Wehrdienst, um die Kampfhandlungen zu stören. Gelbke verfasste und verteilte Flugblätter. In seiner Patientenkartei verschlüsselte er Namen und Aufenthaltsorte illegal tätiger Genossen als Krankheiten. Die Gestapo war nicht in der Lage, diese Informationen zu entschlüsseln. Nach einer Verhaftungswelle 1944, bei der auch viele im Widerstand aktive Kommunist/-innen verhaftet worden waren, konnten die entsprechenden Positionen mit Hilfe dieser Kartei wieder besetzt werden. Die kurz vor seinem Tod begonnene Rekonstruktion der Daten konnte Gelbke nicht mehr zu Ende führen. Zwischen 1932 und 1945 kam es durch SA, Gestapo und Polizei zu 25 Hausdurchsuchungen, zahlreichen Vernehmungen und mindestens fünf Haftbefehlen. Obwohl seine Verbindungen und Methoden bekannt waren, konnte ihm bis Kriegsende nie etwas nachgewiesen werden. 1939 gelang es mit Hilfe gefälschter Papiere, Dina Gelbke von der Judenliste der Stadt Leipzig streichen zu lassen. Die umfangreiche marxistische Bibliothek brachte Dina Gelbke mit Hilfe von Otto Runki in einem Leipziger Messehaus in Sicherheit. Karl Gelbke engagierte sich im Arbeiter-Samariter-Bund, im Rotsport, bei der Marxistischen Abendschule (MASCH), im Bund sozialistischer Geistesarbeiter, war Mitglied der Roten Hilfe Deutschland (RHD), des Bundes der Freunde der Sowjetunion, der Gesellschaft für Deutsch Sowjetische Freundschaft (DSF), des FDGB, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) Leipzig.
1927 war er bereits der KPD beigetreten, wegen seiner besonderen Aufgaben als Arzt blieb die Mitgliedschaft jedoch inoffiziell. Ab 1945 legal der KPD angehörend wurde er 1946 SED-Mitglied (im Zuge der Vereinigung von KPD und SPD). Von 1945 bis 1948 war er Stadtrat für Gesundheitswesen, Leiter des Gesundheitsamtes beim Rat der Stadt Leipzig (Amtsarzt) und Mitglied des ersten Stadtparlaments. Ein funktionierendes Gesundheitswesen war unmittelbar nach dem Krieg praktisch nicht vorhanden. Gelbke war für dessen Aufbau verantwortlich. Bei der Aufteilung der Stadt in acht Stadtbezirke ließ er für jeden Bezirk ein eigenes Gesundheitsamt unter einem gemeinsamen zentralen Gesundheitsamt einrichten. Freiwillige Mitarbeiter unterstützten die Gesundheitsämter, z. B. bei der Betreuung der Betriebe. Seine wichtigste Aufgabe bestand in der Bekämpfung von Tuberkulose, Typhus, Geschlechtskrankheiten und der hohen Kindersterblichkeit. Der Arzt setze sich für vorbeugenden Gesundheitsschutz ein, beispielsweise gegen Rachitis und Diphterie. Unter seiner Leitung entstanden zahlreiche Polikliniken, die eine flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung sichern sollten. Er baute außerdem ein umfassendes Betriebsgesundheitswesen auf. Am 1. September 1948 wurde Karl Gelbke zum Leiter der Hauptabteilung Gesundheitswesen im Ministerium für Arbeit und Sozialfürsorge der Landesregierung in Dresden ernannt. In dieser Funktion war er maßgeblich an der Entwicklung des Gesundheitswesens in Sachsen beteiligt. Die in Leipzig begonnene Arbeit führte er bis zur Auflösung der Länder 1952 auf Landesebene weiter. Gelbke war Mitglied des Ersten Deutschen Volksrates der DDR. Von 1952 bis 1956 bekleidete er eine Professur mit Lehrstuhl für Sozialhygiene an der Karl-Marx-Universität in Leipzig, wo er zugleich Direktor des Instituts für Sozialhygiene an der Medizinischen Fakultät und für dessen Aufbau zuständig war. Von 1950 bis 1958 war er Leiter des Medizinischen Dienstes der Kasernierten Volkspolizei (KVP) bzw. später der Nationalen Volksarmee (NVA), wo er als Leiter der Medizinischen Verwaltung für den Aufbau des Medizinischen Dienstes zuständig war. Ab 1956 war Karl Gelbke als Oberst und Chefarzt der medizinischen Verwaltung des Hauptstabes der NVA mit dem Aufbau des Sanitätswesens der NVA betraut. 1957 bis 1959 lebte er in Berlin, kehrte dann nach Leipzig zurück. 1958 schied er aus gesundheitlichen Gründen als Oberst der Reserve aus dem Dienst aus und übernahm die Funktion des Ärztlichen Direktors der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Er erhielt eine Titularprofessur für Sozialhygiene. 1964 ging der Mediziner in den Ruhestand. Karl Gelbke erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. die "Medaille Kämpfer gegen den Faschismus 1933-1945" (1958) und den "Vaterländischen Verdienstorden in Silber" (1959). Er verstarb am 27. Januar 1965 in Leipzig. Seine Urne wurde im Ehrenhain der Antifaschisten auf dem Leipziger Südfriedhof bestattet. Dina Gelbke war nach dem Tod ihres Mannes weiterhin publizistisch tätig und bemühte sich intensiv um die Würdigung der Kriegsfotografin Gerda Taro, nach der 1970 eine Straße in Leipzig benannt wurde. Dina Gelbke verstarb am 5. Mai 1980 in Leipzig und wurde ebenfalls im Ehrenhain der Antifaschisten auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt. Auf der offiziellen Seite der Stadt Leipzig ist ihr ein ausführliches Porträt gewidmet: https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseite-frauenportraets/projekt/gelbke-dina-geb-elpern.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Der aus 52 Verzeichnungseinheiten bestehende Bestand wurde vor 1989 im Bezirksparteiarchiv Leipzig der SED durch eine Findkartei mit überwiegend einfacher Verzeichnung erschlossen. Im Jahr 1993 wurde er mit den übrigen Beständen des Bezirksparteiarchivs vom PDS-Landesvorstand Sachsen dem Staatsarchiv Leipzig übergeben. Die Übertragung der Findkartei in die Archivsoftware AUGIAS-Archiv erfolgte im Jahr 2001. In Vorbereitung der Online-Stellung der Verzeichnungsangaben wurden die Verzeichnungs- und Bestandsangaben bei Bedarf überarbeitet oder ergänzt (u. a. Ergänzung und Korrektur von Datierungen), die Gliederung angepasst und die vorliegende Einleitung erstellt.

Hinweise für die Benutzung

Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 21624 Gelbke, Karl (KPD), Nr. (fettgedruckte Zahl).

Hinweise auf korrespondierende Bestände

21691 SED, Sammlung Darstellungen und Dokumente, Nr. 0577
21692 SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/449
20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 16565 (Gelbke, Dina in Leipzig)
21699 SED, Sammlung Kaderunterlagen, Nr. 0189
21690 SED, Sammlung Biografien, Nr. 0852

Nora Frießner

Oktober 2020


[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 16565.

Persönliche Dokumente.- Auszeichnungen und Glückwunschschreiben.- Ausarbeitungen zu medizinisch-wissenschaftlichen Themen.- Korrespondenz.- Arbeitsmaterialien aus der beruflichen, politischen und gesellschaftlichen Tätigkeit.- Materialien aus der Tätigkeit des Ehepartners (Gelbke, Dina, Redakteurin).- Kondolenzschreiben.
09.07.1899 - 27.01.1965; Arzt, Landesgesundheitsamt/Ministerium für Gesundheitswesen Land Sachsen (1948 - 1952), Direktor des Instituts für Sozialhygiene und Lehrstuhlinhaber für Sozialhygiene an der Universität Leipzig, Chefarzt der medizinischen Verwaltung des Hauptstabes der NVA (1955 - 1958), Ärztlicher Direktor der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig (1958 - 1964)
  • 2020 | Findbuch / Datenbank
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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