Brief an Clara Herrmann aus Brüssel: Luise dankt für den liebevollen Brief vom 22. Januar, der sie sehr berührt hat. Die Liebe Claras, die sie durch leidvolle Zeit immer begleitet ist ihr ein großer Trost. An ihrer Lage hat sich nichts geändert. Vor ein paar Tagen hat sie die Rente für Dezember bis Februar erhalten, (das Geld entspricht 7,75 Franken). Die Mark ist völlig wertlos geworden. Seine Majestät der König hat ihr eine außerordentliche Geldspende zukommen lassen, eineinhalb Millionen Mark, 1027,44 Franken. Das entspricht der Hälfte der Wohnungsmiete eines Semesters. Sie sieht mit tiefer Trauer und großer Empörung, wie das deutsche Volk leiden muss und es kann seiner Regierung und den "Grossfinanzlern danken, die es roh und herzlos erst in den Krieg getrieben hat und jetzt verhungern lassen." Man jammert hier, weil der Kaffee und der Zucker teuer wird - aber die Leute sollten das Elend in den deutschen Arbeiterfamilien sehen, wo es kaum was zu essen gibt. "Wenn man aber Nichts hat - wie ich - muss man betteln gehen - mit welch wunden Herzen ich Almosen annehme, können Sie sich vorstellen.- Wie hart muss es sein, sich alles versagen zu müssen und wie schwer als Hausfrau der Einkauf! Ich gehe selbst jeden Tag auf den Markt und zum Bäcker und kehre oft mit meinem leeren Korb heim, da Gemüse so unverschämt teuer geworden sind. Fleisch esse ich einmal pro Woche." Sie fragt noch nach den Kindern, Hans, Erich, Walther, dem lieben Georg und ihrer Namensschwester Luise und nach Dr. Schmidt in Wachwitz. Sie selbst ist vor 21 Jahren gegangen, ihr ist aber so, als wäre sie erst gestern gegangen.
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Sächsisches Staatsarchiv, 12568 Nachlass Ludovica (Luise), Prinzessin von Sachsen, Nr. 089Benutzung im:
Hauptstaatsarchiv Dresden
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