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Beständeübersicht

Bestand

10689 Reichsvikariatskommission

Datierung1711 - 1792
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)8,00

Bestand enthält auch 421 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

1. Geschichte des Bestandsbildners

Bei Thronvakanz nach dem Tod des deutschen Königs bzw. Kaisers oder auch bei dessen Abwesenheit bzw. Verhinderung übernahmen Reichsvikare die Herrschaft im Reich. Die Goldene Bulle von 1356 sah hierfür den Rheinpfalzgrafen (für das Gebiet des fränkischen Rechts) sowie den Herzog von Sachsen (für das Gebiet des sächsischen Rechts) vor. Nach dem Aussterben der askanischen Herzöge von Sachsen im Jahr 1422 ging die sächsische Kurwürde und damit auch das Vikariat auf die Wettiner über, die dieses Amt bis zum Ende des Alten Reiches ausübten. Die territoriale Abgrenzung der beiden Vikariatsgebiete war längere Zeit umstritten und konnte erst 1750 vertraglich festgelegt werden: Das sächsische Vikariatsgebiet umfasste demnach den ober- und niedersächsischen Reichskreis, Böhmen, Westfalen und die gefürstete Grafschaft Henneberg.

Den Reichsvikaren standen - bis auf die Vergabe von Fahnlehen und die Veräußerung oder Verpfändung von Reichsgut - alle kaiserlichen Rechte zu. Dazu gehörten vor allem die Fortführung der laufenden Geschäfte des Kaisers und der oberstgerichtlichen Funktionen des Reichshofrats (dessen Tätigkeit während der Thronvakanzen ruhte), die Erhebung von Steuern und die Erteilung von Privilegien. Ferner konnten sie gewisse kirchliche Pfründen bestätigen und Standeserhöhungen (Erhebungen in den Reichsadels-, Reichsritter-, Reichsfreiherren-, Reichsgrafen- und Reichsfürstenstand) vornehmen. Da die Vikare dieses Recht nutzten, um ihnen nahestehende oder zahlungswillige Vasallen bzw. sogar ihre Mätressen in den Adelsstand zu erheben, wurden während der Interregnen besonders viele Adelsdiplome ausgestellt.

Die Wahrnehmung ihrer Vikariatsaufgaben übertrugen die sächsischen Kurfürsten im 18. Jahrhundert speziellen Reichsvikariatskommissionen. Die erste entstand 1711; weitere folgten 1740 - 1742, 1745, 1790 und 1792. Der Tätigkeitsbereich der kollegialisch arbeitenden Behörde umfasste zunächst alle das Reichsvikariat betreffende Sachen, einschließlich der Reichs- und Deputationstage und sonst im Reich und den Reichskreisen sich ergebender Angelegenheiten, sowie die Weiterführung der beim Reichshofrat anhängigen Rechtsstreitigkeiten. Der Kommission wurden spezielle Räumlichkeiten zugewiesen, in denen sie mehrfach wöchentlich tagte. 1711 setzte sie sich aus dem Kanzler der Landesregierung (als Vorsitzendem), drei Geheimen Räten, zwei Hofräten der Landesregierung sowie einem Appellationsrat zusammen. Die Schreib- und Verwaltungsarbeit übernahmen mehrere Sekretäre, Kanzlisten und Aufwärter.

1740 veränderte sich der Aufgabenzuschnitt der Reichsvikariatskommission. Sie war jetzt nur noch für Justizsachen und Rechtsstreitigkeiten zuständig und nahm somit die gerichtlichen Funktionen des Reichshofrats wahr, während die Erledigung aller übrigen mit dem Vikariat verbundenen Aufgaben dem Kurfürsten bzw. dem Geheimen Konsilium vorbehalten wurde. Bei diesem Aufgabenzuschnitt blieb es auch in den folgenden Vikariaten von 1745, 1790 und 1792. Gleichwohl erhöhte sich die Zahl der Kommissionsmitglieder und umfasste 1792 einen Kabinettsminister, fünf Konferenzminister/Geheime Räte, den Kanzler der Landesregierung, zwei Hof- und Justizienräte, den Appellationsgerichtspräsidenten und zwei Appellationsräte. Nach 1792 gab es kein Interregnum mehr, so dass bis zur Auflösung des Alten Reichs 1806 keine weitere Reichsvikariatskommission gebildet wurde.

2. Geschichte des Bestands

Die Reichsvikariatskommissionen unterhielten eigene Registraturen. Der jeweilige Sekretär der Kommission war unter der Aufsicht des Referendars für die richtige Aktenführung zuständig und sollte ordentliche Eingangs- und Ausgangsregistranden sowie Protokolle führen. Um die laufenden Gerichtsprozesse fortzusetzen, kam es mitunter zur Heranziehung von Akten des Reichshofrats; später erfolgten auch Aktenabgaben dorthin, so dass einige sächsische Reichsvikariatsakten heute im Österreichischen Staatsarchiv überliefert sind. Sobald die Reichsvikariatskommissionen ihre Arbeit beendet hatten, wurden ihre Akten an das Geheime Archiv abgegeben und gingen schließlich mit diesem in den Bestand des 1834 gegründeten sächsischen Hauptstaatsarchivs über. Offenbar hat es im Aktenbestand der Reichsvikariatskommissionen nur wenige Verluste gegeben. Einige Akten, die im Hauptstaatsarchiv vor längerer Zeit in die Bestände 10024 Geheimer Rat und 12881 Genealogica gelangt waren, wurden 2023 bei Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten in den Bestand zurückgeführt.

3. Inhalt des Bestands

Mit den überlieferten Unterlagen wird die Tätigkeit der sächsischen Reichsvikariatskommissionen des 18. Jahrhunderts gut dokumentiert. Für 1711 gilt das für das gesamte Spektrum der Vikariatsaufgaben; dagegen enthält der Bestand für die spätere Zeit (wegen der erwähnten Aufgabenteilung zwischen Reichsvikariatskommission und Geheimem Konsilium) fast nur noch Akten zu Justizangelegenheiten und Prozessen, während für die übrigen Vikariatszuständigkeiten auf die Vikariatsakten im Bestand 10025 Geheimes Konsilium zurückgegriffen werden muss. Hinzuweisen ist abschließend noch darauf, dass einige Akten im Bestand 10689 zweifach, jedoch mit gewissen Abweichungen, überliefert sind. Der Grund dafür ist unklar; möglicherweise sollte ein Exemplar an den Reichshofrat abgegeben werden, was dann aber unterblieb.

Oktober 2023
Jörg Ludwig
Römer, Carl Heinrich von: Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen und der dabey befindlichen Lande. Teil 1. Halle, 1787, S. 328 ff.

Roßberg, Adolf: Sachsens Kampf um das Reichsvikariat. Leipzig, 1933. - Dissertation

Hermkes, Wolfgang: Das Reichsvikariat in Deutschland : Reichsvikare nach dem Tode des Kaisers von der Goldenen Bulle bis zum Ende des Reiches. Karlsruhe, 1968 (Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts. A 2)

Vötsch, Jochen: Kursachsen, das Reich und der mitteldeutsche Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Frankfurt/Main, 2003, S. 197 ff.
Justizsachen.- Rechtsstreitigkeiten.- Beschwerden.- Standeserhöhungen.- Privilegien.- Streit zwischen Landesherr und Ständen im Herzogtum Mecklenburg.- Sachsen-Weißenfelsische Schulden.
Bei Thronvakanz nach dem Tod des deutschen Königs und Kaisers, fallweise aber auch bei dessen Abwesenheit oder Verhinderung, übernahmen die Reichsvikare die Herrschaft im Reich. Die Goldene Bulle von 1356 übertrug das Vikariat an den Rheinpfalzgrafen (für das Gebiet des fränkischen Rechts) sowie an den Herzog von Sachsen (für das Gebiet des sächsischen Rechts). Zu deren wichtigsten Aufgaben zählten nach der förmlichen Verkündung eines Reichsvikariats Belehnungen und Standeserhöhungen im Namen des Reichs sowie die Fortführung der oberstgerichtlichen Funktionen des Reichshofrats, dessen Tätigkeit für die Zeit der Thronvakanzen ruhte.

Die Wahrnehmung der Vikariatsaufgaben übertrugen die sächsischen Kurfürsten im 18. Jahrhundert speziellen Reichsvikariatskommissionen (ab 1740 teilweise auch dem Geheimen Konsilium). Die erste Reichsvikariatskommission entstand 1711; weitere folgten 1740 - 1742, 1745, 1790 und 1792. Nach 1792 gab es kein Interregnum mehr, so dass bis zur Auflösung des Alten Reichs 1806 keine weitere Reichsvikariatskommission gebildet wurde.

Weitere Angaben siehe Einleitung und 1.7 Behörden und Einrichtungen des Heiligen Römischen Reichs
  • 2021 | Elektronisches Findmittel
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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