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Musikverlage

Das Staatsarchiv Leipzig verwahrt Archivgut von 25 vorwiegend Leipziger Musikverlagen aus dem 19. und 20. Jahrhundert mit einem Gesamtumfang von rund 700 laufenden Metern. Worum handelt es sich inhaltlich?

Musikverlage sind wirtschaftlich tätige Unternehmen, bei denen im Zuge der Geschäftstätigkeit Unterlagen entstehen:

  • Briefe gehen ein und werden versendet (Konzepte oder Kopien bleiben beim Verlag)
  • Verträge werden geschlossen, Lizenzen vergeben, Rechtsstreitigkeiten geführt
  • Partituren werden zugesandt und dienen direkt oder in Kopie als Stich-/Druckvorlage, Korrekturabzüge tragen Revisionsvermerke von Lektoren oder Herausgebern
  • Leihmaterial wird an Orchester oder Rundfunkanstalten versendet
  • Vertriebs- und Absatzzahlen werden dokumentiert und ausgewertet
  • Werbematerial und Kataloge werden produziert.

Bei allen diesen Tätigkeiten entstehen schriftliche Aufzeichnungen. Bis in das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war der Träger dieser Aufzeichnungen Papier, es entstanden Korrespondenz- oder Sachakten, Geschäftsbücher, Stichvorlagen und gedruckte Musikalien.

Die folgenden Hinweise sollen Ihnen die Nutzung dieser Unterlagen erleichtern. Eine allgemeine Einführung zur Musikverlagsüberlieferung finden Sie auf dem Youtube-Kanal des Sächsischen Staatsarchivs. Wenden Sie sich auch gern an das Staatsarchiv Leipzig.

Die Überlieferung von Musikverlagen im Staatsarchiv Leipzig setzt um das Jahr 1800 ein und wird v. a. gegen Ende des 19. Jahrhunderts umfangreicher. Die Bildung der Bestände berücksichtigt den historischen, durch gemeinsame Herkunft bedingten Entstehungszusammenhang der Unterlagen. In der Regel bilden die Geschäftsunterlagen eines Verlags einen Bestand. In einzelnen Fällen wurden auch die Unterlagen aufgekaufter Verlage im Bestand belassen, diese sind in der folgenden Übersicht ausgewiesen.

Über einen Klick auf den Bestandsnamen gelangen Sie zu weiteren Informationen und zu den Verzeichnungsangaben. Ist der "Bestand nicht online recherchierbar", liegen die Findmittel nur im Staatsarchiv Leipzig vor. Für einzelne Archivalien sind Digitalisate online verfügbar.

Das Eigentum an den Beständen 21081 Breitkopf & Härtel, 21072 Friedrich Hofmeister und 21070 C. F. Peters wurde nach 1990 an die Alt-Eigentümer rückübertragen. Sie befinden sich auf der Grundlage von Depositalverträgen im Sächsischen Staatsarchiv. Einschränkungen bestehen bei der Nutzung für kommerzielle Zwecke. Teilweise behalten sich die Eigentümer die Genehmigung zur Herstellung von Kopien vor. Konkrete Hinweise dazu finden Sie in den Einleitungen zum jeweiligen Bestand im Abschnitt „Hinweise zur Benutzung“.

Das Staatsarchiv Leipzig verwahrt das Archivgut der beiden bedeutenden Leipziger Musikverlage in der DDR, den VEB (Volkseigenen Betrieben) Edition Peters und Deutscher Verlag für Musik. In Ergänzung zum bedeutenden Altbestand von C. F. Peters wurde auch Archivgut des nach 1945 in Frankfurt am Main tätigen Parallelverlags übernommen. Von dort gelangten auch Unterlagen des Düsseldorfer Verlags Edition Schwann ins Staatsarchiv.

Über einen Klick auf den Bestandsnamen gelangen Sie zu weiteren Informationen und zu den Verzeichnungsangaben. Ist der "Bestand nicht online recherchierbar", liegen die Findmittel nur im Staatsarchiv Leipzig vor.

Bei der Benutzung sind personenbezogene Schutzfristen, Urheberrechte und Verlagsrechte zu beachten. Wir empfehlen die Kontaktaufnahme mit dem Staatsarchiv Leipzig zur Verständigung über das weitere Vorgehen bei Ihrem Forschungsvorhaben.

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    Ältere Kopierbücher 1818-1861

    Altersgebräuntes Blatt Papier mit Handschrift
    Beispielseite aus einem Kopierbuch der älteren Serie bis 1861, Ausschnitt  © gemeinfrei

    In (Brief-)Kopierbücher wurden die abgehenden Geschäftsbriefe in der Reihenfolge ihrer Erledigung bzw. Versendung eingetragen. Im Bestand 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig ist eine fast geschlossene Serie von rd. 560 Briefkopierbüchern des Verlags ab dem Datum 20. Februar 1818 bis zur Umstellung der Schriftgutverwaltung im Jahr 1910 erhalten geblieben. Zu unterscheiden sind 1. die älteren Kopierbücher bis zum Jahr 1861, 2. die neueren Kopierbücher ab dem Jahr 1862 sowie 3. weitere Kopierbuchserien. In allen Fällen gilt, dass die Abschriften (ab 1862: Abklatsche) der Briefe chronologisch in die Bücher eingetragen wurden.

    Diese Kopierbücher liegen in Form großformatiger Bände vor, in die die Briefe per Hand kopiert wurden. Die Bände sind mit Seitenzahlen versehen; in den eingebundenen Personenregistern finden sich die Verweise darauf. Es handelt sich um die Verzeichnungseinheiten Nr. 113 bis Nr. 131/15, die nicht im Original, sondern über Schutzfilme benutzt werden.

    Beispiele für Verzeichnungsangaben:

    Titel Enthält Datierung Benutzerfilmsignatur Nr.
    Kopierbuch I, Bl. 1-538 Enthält auch: Register für die Kopierbücher Nr. 113 und 114. 20. Febr. 1818 - 24. Dez. 1819 F 1675 113
    Kopierbuch II, Bl. 539-1203   24. Dez. 1819 - 12. Apr. 1823 F 1675 114
     

    Neuere Kopierbücher 1862-1910

    Seite aus Schreibbuch, weißes Papier mit roter Linierung und Handschrift
    Beispielseite aus dem Registerband zu einem Jahr (d. h. zu den Kopierbüchern dieses Jahres), Ausschnitt  © gemeinfrei

    Bei diesen Kopierbüchern handelt es sich um vorgefertigte Geschäftsbücher mit Blättern aus Transparentpapier. Die für die Versendung bestimmten Briefe wurden in das Buch eingelegt und mittels einer Presse wurde ein Abdruck (Abklatsch) hergestellt, der durch das Transparentpapier hindurch (von der anderen Seite her) "seitenrichtig" gelesen werden konnte. Die Kopierbücher wurden pro Jahrgang mit fortlaufenden Buchstaben versehen, im Januar begann man jeweils mit Buch "A", in späteren Jahrgängen auch mit der römischen Ziffer „I“.

    Zu allen Büchern eines Jahres wurde ein gemeinsamer Registerband (Register der Adressaten in alphabetischer Reihenfolge) angelegt. Zur Ermittlung der Briefe an bestimmte Personen muss man diese Registerbände einsehen, in denen dann die konkreten Kopierbücher (durch Angabe der Buchstaben, z. B. "A" oder „I“) und die jeweiligen Seitenzahlen mit den Briefkopien ermittelt werden können. Ein möglicher Verweis wäre z. B. "A 314", also das Kopierbuch A (eines bestimmten Jahres), dort die Seite 314. Die Archivaliensignatur (Nr.) des konkreten Kopierbuchs muss dann im nächsten Schritt über das (Online-)Findbuch festgestellt werden.

    Bei den Kopierbüchern ab 1862 handelt sich um die Verzeichnungseinheiten Nr. 132 bis Nr. 808. Die Registerbände werden über Schutzfilme benutzt, die Kopierbücher selbst sind weitgehend, aber noch nicht vollständig verfilmt.

    Beispiel der Verzeichnungsangaben für das Jahr 1880:

    Titel Datierung Nr. Benutzerfilmsignatur
    Kopierbuch A

    1. Jan. - 13. Febr. 1880

    235 F-17982
    Kopierbuch B 13. Febr. - 17. März 1880 236 F-17983
    Kopierbuch C 17. März - 24. Apr. 1880 237 F-19063
    Kopierbuch D 24. Apr. - 3. Juni 1880 238 F-19064
    Kopierbuch E 3. Juni - 3. Juli 1880 239 F-19065
    Kopierbuch F 3. Juli - 20. Aug. 1880 240 F-19066
    Kopierbuch G 21. Aug. - 30. Sept. 1880 241 F-19068
    Kopierbuch H 1. Okt. - 9. Nov. 1880 242 F-19074
    Kopierbuch I 9. Nov. - 14. Dez. 1880 243 F-19075
    Kopierbuch J 14. - 31. Dez. 1880 244 F-19076
    Register zu den Kopierbüchern 1880 1880 855 F-22095

    Zu beachten ist, dass mehrseitige Briefe oft nicht in der normalen Reihenfolge kopiert sind, sondern sich die Kopie der zweiten Seite vor der der ersten Seite befindet.

    Blatt Papier mit Handschrift
    Beispielseite aus einem Kopierbuch der jüngeren Serie ab 1862 (mit Verweisen auf die Fundstelle des früheren Briefes – im Kopierbuch C desselben Jahres - und des nachfolgenden Briefes im selben Kopierbuch)  © gemeinfrei

    Die mit blauem Stift auf vielen Kopierbuchseiten meist oben links eingetragenen Angaben verweisen auf die vorhergehende und / oder nachfolgende Seite mit Briefkopien an denselben Adressaten. Anhand dieser Verweise kann man sich auch ohne Nutzung des Registers in den Kopierbüchern orientieren.

    Weitere Kopierbuchserien

    Für die Jahre 1890 bis 1910 kommt die Serie "Kopierbücher Expedition" hinzu, die rd. 115 Bücher mit den Abklatschen ausgehender Briefe umfasst und den weltweiten Vertrieb von Musikalien durch Breitkopf & Härtel dokumentiert. Weitere Kopierbücher dokumentieren u. a. die ausgehenden Schreiben an die Zweigstelle in Brüssel (für den Zeitraum 1885-1910) und die Zweigstelle in London (Zeitraum 1890-1909). Daneben existieren weitere kleinere Kopierbuchserien (s. Findbuch).

    Beim Verlag eingegangene Briefe

    Leider hat sich die Gegenüberlieferung, die beim Verlag eingegangenen Briefe, für fast das ganze 19. Jahrhundert nicht erhalten. Erst mit dem Jahr 1896 setzt – dann gleich sehr umfangreich – diese Überlieferung ein. Für den Zeitraum 1896 bis 1910 können daher zur Rekonstruktion einer Korrespondenz die Kopierbücher und die (bisher allerdings nur unzureichend verzeichneten und technisch bearbeiteten) eingehenden Briefe parallel zur Recherche herangezogen werden. 1910/1911 erfolgte die Umstellung der Schriftgutverwaltung, Breitkopf & Härtel ging zur Anlage von Korrespondenzakten über.

    Thekla Kluttig: Geschäftsbücher: verdichtete betriebliche Informationen zum musikalischen Leben im 19. Jahrhundert

    Beitrag in: Die Tonkunst, 13 (2019), H. 4, S. 451-460

    Um »Speicher musikalischen Wissens« aufzuspüren und abrufen zu können, werden interdisziplinäre Ansätze benötigt – daher soll der folgende archivfachliche Beitrag »historischen, materiellen Überbleibseln« musikalischer Praktiken gewidmet sein.[1] Als zentrale Speicher musikverlegerischen Wissens können die Geschäftsbücher von Leipziger Musikverlagen aus dem 19. Jahrhundert bezeichnet werden, die gleichzeitig Zeugnisse der zeitgenössischen Nachfrage nach musikalischen Werken sind. Die vorzustellenden Bücher wurden je nach den konkreten Bedürfnissen der Verleger angelegt und teilweise über viele Jahrzehnte geführt. In ihnen ist musikverlegerische Praxis kondensiert: Welche Werke welcher Komponisten wurden wann verlegt und mit welchen Auflagen? Wann wurden Nachauflagen gedruckt und in welcher Höhe? Also auch: Welche Akzente setzte der Musikverleger und welche Werke wurden in welchem Maße durch das Publikum nachgefragt?

    Die Darstellung beschränkt sich dabei auf Geschäftsbücher, die sich unmittelbar auf die Verlagspublikationen beziehen: ihre Herstellung, ihre Lagerung (als Druckplatten und Drucke) und ihren Absatz. Briefkopierbücher – bei denen es sich auch um betriebliche Geschäftsbücher handelt – werden ebenso wenig behandelt wie Bücher der kaufmännischen Buchführung im engeren Sinne (z. B. Kassen- und Kontenbücher).[2] Auch die Materialität der einzelnen Bücher wird nicht thematisiert, hingewiesen sei lediglich darauf, dass in einigen Fällen ein gebundenes Buch der Ausgangspunkt der Einträge war, in anderen Fällen erst nachträglich eine Bindung zuvor beschriebener Lagen erfolgte.

    Wie deutlich werden wird, haben Nummern in den Geschäftsbüchern eine zentrale Funktion: Sie strukturieren die Aufzeichnungen als ordnende Elemente. In der Regel handelt es sich um Plattennummern: Um die Druckplatten übersichtlich zu lagern, erhielten sie am unteren Seitenrand in der Mitte eine Nummer, die für alle Seiten eines Notendrucks identisch war. Für den nächsten Notendruck wurde die nächste Nummer vergeben. Teilweise waren die Plattennummern identisch mit den Verlagsnummern: Nummern, die ein Musikverlag für die von ihm verlegten Werke in der Regel numerisch aufsteigend vergab und die der Bestellung der Musikalien dienten. Diese Funktion konnten aber auch von den Plattennummern unabhängige Verlagsnummern übernehmen; dies war z. B. bei den Notendrucken unter der Marke Edition Peters ab 1867 der Fall. Da Plattendrucke in der Regel nicht datiert sind, ist die Plattennummer eine wichtige Datierungshilfe (terminus post quem).[3]

    Obwohl die musikverlegerische Produktion von elementarer Aussagekraft für die Verbreitung und Rezeption von musikalischen Werken ist, sind die Geschäftsbücher bisher nur in wenigen Fällen mehr als punktuell zur Kenntnis genommen und ausgewertet worden.[4] Dass ihre Aussagekraft seitens verwahrender Institutionen geschätzt wird, zeigt u. a. die Digitalisierung der 40 Stich- und Druckbücher des Mainzer Musikverlags Schott durch die Bayerische Staatsbibliothek in München und der 13 Bücher (»Libroni«) des heute zu Bertelsmann gehörenden Mailänder Archivio Storico Ricordi.[5].

    Gemeinsam ist den im Folgenden vorgestellten Geschäftsbüchern, dass sie sich heute im Staatsarchiv Leipzig (StA-L), einer Abteilung des Sächsischen Staatsarchivs (StA), befinden und dort – zum Teil auch bereits digitalisiert und seit August 2019 online zugänglich – der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stehen.[6] Aktuell verwahrt das StA-L in 20 nach dem Provenienzprinzip gebildeten Beständen Archivalien aus dem 19. und 20. Jahrhundert; sie stammen von 25 vorwiegend Leipziger Musikverlagen und haben einen Gesamtumfang von rd. 700 laufenden Metern. Die Bildung der Bestände berücksichtigt den historischen, durch gemeinsame Herkunft bedingten Entstehungszusammenhang der Unterlagen. In der Regel bilden die Geschäftsunterlagen eines Verlags einen Bestand. In einzelnen Fällen wurden auch die Unterlagen aufgekaufter Verlage im Bestand belassen. So befindet sich Archivgut des Verlags Rieter-Biedermann als Fremdprovenienz im Bestand 21070 C. F. Peters, Leipzig.[7]

    Die Geschäftsbücher stehen im Kontext des jeweiligen Verlagsbestands und werden daher im (Online-)Archivinformationssystem des StA provenienzbezogen verzeichnet und ausgewiesen. Sie gehören – in der chronologischen Reihenfolge der einsetzenden einschlägigen Überlieferung – zu den Verlagen C. F. Peters, Friedrich Hofmeister, Rieter-Biedermann, C. F. W. Siegel, Heinrichshofen's Verlag sowie (erst um 1900 einsetzend) Fr. Kistner.[8] Ihre Beschreibung mag sich etwas spröde lesen, dahinter offenbart sich aber ein bisher nicht im Ansatz ausgeschöpftes Reservoir für vielfältige musikgeschichtliche Fragestellungen.[9]

    C. F. Peters, Leipzig

    Das 1800 von Franz Anton Hoffmeister und Ambrosius Kühnel gegründete Bureau de Musique ging 1814 in den Besitz von Carl Friedrich Peters über. 1828 erwarb Carl Gotthelf Siegmund Böhme das Unternehmen. 1852 trat August Theodor Whistling als Geschäftsführer ein und führte es nach dem Tod Böhmes 1855 weiter. Ab 1860 erlebte die Firma C. F. Peters Leipzig und Berlin, Bureau de Musique unter der Leitung des Berliner Buch- und Musikalienhändlers Julius Friedländer einen Aufschwung. 1863 wurde Max Abraham Teilhaber der Firma; 1867 begann die Herausgabe der musikalischen Universalbibliothek Edition Peters. Die durch diese Verlegerwechsel markierten zeitlichen Zäsuren zeigen sich teilweise auch in den Geschäftsunterlagen. Von C. F. Peters sind mehrere Geschäftsbücher von großer Aussagekraft erhalten geblieben, die im 19. Jahrhundert angelegt und teilweise über Jahrzehnte geführt wurden:

    Nr.

    Titel

    Datierung

    5156

    Lagerbuch

    um 1830–um 1860

    5157

    »Druckbuch Lra A gehalten von Carl Gotthelf Siegm. Böhme unter der Fa. C. F. Peters in Leipzig«

    1831–1867

    5015

    Lagerbuch über die vorhandenen Musikalien

    1860–1862

    5223

    Plattenbuch [»Platten-Lager«][10]

    1874–1905/06

    5222

    Auflage-Buch

    1875–1944

    5209

    Absatzbuch [erstes Buch einer bis 1926 laufenden Serie]

    1877–1881

    Tabelle 1: Geschäftsbücher des Verlags C. F. Peters, Leipzig (Auszug) [11]

    Das von etwa 1830 bis 1860 geführte Lagerbuch (Nr. 5156) umfasst vor allem eine Liste sämtlicher Verlagswerke in alphabetischer Reihenfolge der Komponisten mit Angaben über die Zahl der noch vorrätigen Exemplare.[12] Daneben enthält es ein Verzeichnis von Verlagsartikeln, deren Preise bei ankommenden Remittenden sofort geändert werden müssen, ein Verzeichnis Diverse alte Sortimentsartikel sonst lagernd auf dem Tabackboden bei Böhme & Co. und eine Übersicht in der Reihenfolge der Plattennummern 1-2688 mit Angabe der Seitenzahl, »wo die betreffenden Werke vorkommen«.[13] Vermutlich anlässlich des Eigentümerwechsels wurde 1860 eine erneute Aufstellung des Lagerbestands erstellt: Das Geschäftsbuch (Nr. 5015) enthält zwei Lagernachweise über die vorhandenen Notendrucke in alphabetischer Reihenfolge der Komponisten mit Angaben v. a. zu vorhandener Stückzahl, Werktitel und Preis der Notendrucke.

    Näher vorgestellt werden soll das von 1831 bis 1867 geführte Druckbuch (Nr. 5157).[14] Es enthält in alphabetischer Reihenfolge der Komponisten und unter Nennung der Plattennummern Angaben über Auflagen- und Nachauflagenhöhen und über die Zeitpunkte des Einschmelzens der Platten. Hilfreich (und leider in Geschäftsbüchern selten zu finden) sind erläuternde Bemerkungen des buchführenden Verlegers: Am 1. Juli 1831 notiert Böhme, dass im vorliegenden Druckbuch sämtliche Verlagsnummern eingetragen seien, zu denen er beim Kauf des Geschäftes 1828 die Platten erhielt, früher Eingeschmolzene hingegen nicht. Eingetragen seien auch alle neuen Werke, die seitdem in seinem Verlag erschienen seien. Außerdem sei die Größe der bisherigen Auflage aus dem vorigen Druckbuch »zur bequemen Übersicht in Gegenwärtigen wiederholt mit rother Tinte angemerkt worden. Bei denen wo nur ein rother Strich (– ) angegeben, ist die Anzahl der gedruckten Exemplare nicht zu ersehen gewesen«. Das Druckbuch gibt folglich für die vor 1831 erstmals erschienenen Drucke keinen Hinweis auf den Zeitpunkt der Erstveröffentlichung. Am Beispiel von Louis Spohr, op. 47: Erfasst sind zum einen die Angaben zur Plattennummer 1530, der erstmals 1820 erschienenen Fassung für Violine mit Orchester,[15] zum anderen zur Plattennummer 2075, der im Frühjahr 1830 erschienenen Fassung für Violine und Klavier (wobei die Violin-Stimme weiter mit der Plattennummer 1530 gedruckt wurde).[16] Die rote Ausgangszahl (130 bzw. 530) gibt – so Böhme 1831 – die frühere Auflagenhöhe an, es folgen jeweils die Jahre und die jeweilige Höhe der Nachauflagen. Im Fall der Plattennummer 2075 sind Nachauflagen von 1831 bis 1865 erfasst, deren Höhe sich zwischen 25 und 100 bewegte; sie zeugen von der gleichmäßig hohen Nachfrage nach dieser Ausgabe.

     
    Altersgebräuntes Papier mit Handschrift
    Abbildung 1: Ausschnitt zu verschiedenen Werken von Louis Spohr  © gemeinfrei

    Einem anderen Zweck als dem Nachweis von im Lager vorhandenen Notendrucken oder der Auflagehöhe diente ein 1874 begonnenes und bis 1905/1906 fortgeführtes Plattenbuch (Nr. 5223, Selbstbezeichnung Platten-Lager). In ihm wurden in der Reihenfolge der Platten-/Verlagsnummern (Nr. 21 bis 9295) u. a. die Anzahl der vorhandenen Platten und Bögen und die Bestellnummer vermerkt.[17] Dieses Plattenbuch wurde 1907 durch ein neues Buch ersetzt, das die bei C. G. Röder lagernden Platten zu den Verlagsnummern 204–13560 mit weiteren Angaben erfasste und bis 1990 (sic!) fortgeführt wurde (Nr. 5224). Es enthält auch Verzeichnisse von Platten bei anderen Druckereien und anderen Verlagen: Hugo Wolf (1908 von Heckel übernommen), Gustav Heinze, G. W. Körner, Schuberth & Co. (bei O. Brandstetter), Whistling, Carl Simon (Moszkowski, Klose), N. Simrock (Reger), Kistner & Siegel (Bruch), Richard-Strauss-Werke (Universal-Edition), Bote & Bock, Robert Forberg.

    Die beiden Plattenbücher ergänzen ein Auflage-Buch, das von 1875 bis 1944 geführt wurde (Nr. 5222).[18] Es erfasst Angaben zu Monat/Jahr und Auflagenhöhe der Ausgaben der Edition Peters im Zeitraum 1868 bis 1943 (EP-Nummern 1–4449). Die zwischen 1868 und Ende 1874 erzielten Auflagenhöhen sind summiert übertragen; ab EP-Nummer 1226 sind die Eintragungen originär. Am Beispiel der EP-Nummer 154 (Franz Schubert, Ausgewählte Lieder): Zwischen Oktober 1868 und Oktober 1874 lag die Auflage bei 17.000, zwischen März 1876 und April 1941 wurden 31 Auflagen (zwischen 1000 und 5000 Stück) nachgedruckt.

     
    Papierseite mit roten Linien und handschriftlichen Einträgen
    Abbildung 2: Ausschnitt zu Franz Schubert, Nummern 154, 155a und 155b  © gemeinfrei

    Die jährlichen Absatzzahlen lassen sich anhand der Absatzbücher nachvollziehen, die 1877 einsetzend in einer geschlossenen Geschäftsbuchserie bis 1926 vorliegen (Nr. 5209 bis 5219). Sie enthalten in der Reihenfolge der EP-Verlagsnummern den Notenbestand am Ende eines Jahres und den jährlichen Absatz pro Werk. Die Absatzbücher stehen zusammen mit den Auflagenbüchern des Verlags Friedrich Hofmeister und den Kalkulationsbüchern des Verlags Rieter-Biedermann im Mittelpunkt des Arbeitsprogramms eines Projektes, das von der Hochschule für Musik und Theater Leipzig und der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden geplant und bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Förderung beantragt worden ist.[19]

    Friedrich Hofmeister, Leipzig

    Friedrich Hofmeister eröffnete 1807 in Leipzig eine Musikalienhandlung, der auch ein Verlag angeschlossen war. 1829 übernahm Hofmeister den Verlag C. F. Whistling, 1852 übergab er seinen Verlag an die Söhne Adolph Moritz und Wilhelm Friedrich Benedict. Nach dem Tod der Söhne ging der Verlag 1877 an Wilhelm Hofmeisters Erben über. Bis 1905 leitete der ehemalige Prokurist Albert Röthing das Unternehmen, dann übernahm Carl Wilhelm Günther, ein Enkel Wilhelm Hofmeisters, den Verlag. Leider sind nur wenige der Geschäftsunterlagen erhalten geblieben; hierzu zählen aber drei Archivalien von großem Aussagewert:

    Nr.

    Titel

    Datierung

    43

    »Druck-Auflagen der Werke Nr. 1-2380«

    1832–1839

    44

    »Druck-Auflagen der Werke Nr. 2381-7433« [Verlagsverzeichnis, S. 1-304]

    1839–1874 (-1920)

    45

    »Druck-Auflagen der Werke Nr. 7434-10399« [Verlagsverzeichnis, S. 305-501]

    1874–1929 (-1954)

    Tabelle 2: Geschäftsbücher des Verlags Friedrich Hofmeister, Leipzig (Auszug)

    Die Blätter im ersten der drei großformatigen Bände wurden vermutlich ab 1832 angelegt, enthalten aber in der Nummernfolge die Verlagstitel (in Kurzform) seit Beginn der Verlagstätigkeit (Nummern 1 bis 2380) mit Angaben zu Datum und Höhe von Nachauflagen. Enthalten ist auch ein alphabetisches Register zu den Komponisten mit Verweis auf die Verlagsnummern.[20] Der Ausschnitt zeigt die Eintragungen zu den Nummern 2168 (Louis Berger, op. 22 in zwei Heften) und 2169 (Clara Wieck, op. 7, Solo-Stimme und Orchesterstimmen). Nach einer Erstauflage von 200 Stück im Januar 1837 und zwei Nachauflagen im Mai 1837 und im April 1839 (je 50 Stück) vergingen fast fünfzig Jahre, bis im Oktober 1888 wieder 50 Stück des op. 7 von Clara Schumann nachgedruckt wurden.

     
    Blatt Papier mit Linien und handschriftlichen Einträgen
    Abbildung 3: Ausschnitt u. a. zu Clara Wieck, Nummer 2169  © gemeinfrei

    Hans Rheinfurth hat den ersten Band (Nr. 43) für den Zeitraum bis September 1831 ausgewertet und das enthaltene Chronologische Verzeichnis der Verlagswerke genauer beschrieben.[21] Danach enthält das Verzeichnis durchaus nicht nur Druckwerke des Verlags, sondern auch solche, für die Hofmeister das Verlagsrecht erworben hatte oder die er als Kommissionär vertrieb.

    Bemerkenswert ist auch eine spätere Serie von fünf Lagerbüchern des Hofmeister-Verlags, die zwischen etwa 1908 und 1938 geführt wurden. Die Bücher enthalten in alphabetischer Reihenfolge der Komponisten (von Lagerbuch Nr. 1: Abendroth – Favorit-Gal[oppen] bis Lagerbuch Nr. 5: Tonel – Zutz) Angaben zu den Plattennummern der jeweiligen Werke, Datum und Höhe von Nachauflagen und zur Einschmelzung der Platten. Diese Bücher befanden sich bis zum Jahr 2013 im Bestand 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig, und wurden nach Feststellung ihrer Provenienz im Einverständnis mit den Eigentümern dem richtigen Bestand zugeordnet.[22]

     

    C. F. W. Siegel

    Erst seit 2017 befindet sich Archivgut der Leipziger Verlage Fr. Kistner und C. F. W. Siegel im Eigentum des Freistaates Sachsen und bildet mit einem Umfang von 27 lfm den zusammengefassten Bestand 22418 Fr. Kistner & C. F. W. Siegel, Musikverlag und Sortiment.[23] Hierzu gehören auch 13 Geschäftsbücher, die allerdings zum großen Teil Brandschäden aufweisen. Die betroffenen Bände sind für die Benutzung gesperrt, bis die notwendigen restauratorischen Maßnahmen durchgeführt worden sind. Aufgrund ihrer Bedeutung sollen sie in diesem Beitrag aber kurz vorgestellt werden.

    Carl Friedrich Wilhelm Siegel und Edmund Stoll eröffneten 1846 die Firma C. F. W. Siegel, die 1870 an Richard Linnemann (1845–1909)  verkauft wurde. 1902 übernahmen dessen Söhne Carl und Richard Linnemann (1874–1932) die Firma. Von diesem Verlag existiert folgende Serie von Platten- und Druckbüchern, die über die Verlegerwechsel hinweg kontinuierlich geführt wurden:

    Nr.

    Titel (Originalbeschriftung des jeweiligen Bandes)

    Datierung

    1

    »Platten- und Druckbuch der Firma C. F. W. Siegel in Leipzig 1846, Verlagsnr. 1–3000«

    1846–1933

    2

    »Platten- und Druckbuch der Firma C. F. W. Siegel in Leipzig 1865, Verlagsnr. 3001–6000« [korrekt: bis 6330]

    1865–1940

    3

    »Verlagsbuch von C. F. W. Siegel's Musikalienhandlung (R. Linnemann) in Leipzig 1880, Verlagsnr. 6331–9300« [korrekt: bis 9483]

    1880–1930

    4

    »Verlagsbuch von C. F. W. Siegel's Musikalienhandlung (R. Linnemann) in Leipzig 1891, Verlagsnr. 9484–13586«

    1891–1934

    5

    »Verlagsbuch von C. F. W. Siegel's Musikalienhandlung R. Linnemann in Leipzig, Verlagsnr. 13587–16515«

    um 1900–1934

    6

    »Verlagsbuch von C. F. W. Siegel's Musikalienhandlung (R. Linnemann) in Leipzig« [zu Verlagsnr. 16516–16895 und 27820–29999]

    um 1920–1972

    Tabelle 3: Geschäftsbücher des C. F. W. Siegel im Bestand 22418 Fr. Kistner & C. F. W. Siegel, Musikverlag und Sortiment (Auszug)

    Alle Bände enthalten in der Reihenfolge der angegebenen Verlagsnummern Angaben über Anzahl der Platten, Honorar, Zeit des Erscheinens oder der Übernahme, Übersicht aller gedruckten oder übernommenen Exemplare sowie Bemerkungen (v. a. Zeitpunkt des Einschmelzens der Platten). Das erste Buch wurde 1846 angelegt und fast ein Jahrhundert lang fortgeführt.

     

    J. Rieter-Biedermann

    Zum Bestand 21070 C. F. Peters, Leipzig gehört auch Archivgut des Musikverlags Rieter-Biedermann. Dieser Verlag war 1848 vom Winterthurer Jakob Melchior Rieter-Biedermann gegründet worden. 1862 eröffnete er eine Zweigstelle in Leipzig. Nach dem Tode von Rieter-Biedermanns Sohn Karl erlosch die Firma in Winterthur, Leipzig wurde 1882 neuer Hauptsitz des Verlags. 1917 ging der Verlag in das Eigentum von C. F. Peters über. Das bei Rieter-Biedermann entstandene Schriftgut ist im Findmittel zum Bestand 21070 C. F. Peters, Leipzig in einem eigenen Klassifikationspunkt ausgewiesen.[24] Es handelt sich um eine Splitterüberlieferung; so sind Kopierbücher lediglich aus dem Zeitraum 1899 bis 1918 überliefert, eingegangene Briefe nur aus dem Zeitraum 1908 bis 1917. Bemerkenswert und von zentraler Bedeutung für die Forschung zum Verlag und zu den bei ihm erschienenen Werken sind aber vier Geschäftsbücher, die die Zeiten überdauert haben:

    Nr.

    Titel

    Datierung

    3970

    Kalkulationsbuch I

    1856–1918

    3971

    Kalkulationsbuch [II]

    1875–1919

    3972

    Kalkulationsbuch [III]

    1898–1919

    4476

    Register über Verlagsnummern, Plattenanzahl und Herstellungskosten[25]

    1856–1918

    Tabelle 4: Geschäftsbücher von Rieter-Biedermann im Bestand 21070 C. F. Peters, Leipzig (Auszug)

    Das erste der drei Kalkulationsbücher wurde 1856 noch in Winterthur angelegt.[26] Es umfasst Angaben zu den Verlagsnummern 1–852; die Fortführung zu den Nummern 853–2194 folgte im 1875 angelegten zweiten Buch. Das dritte Buch wurde 1898 begonnen und umfasste die Nummern 2195–2951/56. Nachträge in den drei Büchern aufgrund des Druckes weiterer Auflagen zu den einzelnen Nummern erfolgten bis in das Jahr 1918. Die drei Bücher sind im Grundsatz gleich aufgebaut: Jede Seite ist in eine obere und eine untere Hälfte geteilt und enthält Einträge zu zwei Verlagsnummern. Wenn die halbe Seite gefüllt war, wurden die Einträge auf einer späteren Seite fortgeführt und die summierten Zahlen auf diese Seite "transportiert". An unserem Beispiel erläutert: [27]

     
    Blatt Papier mit handschriftlichen Einträgen in Tabellenform
    Abbildung 4: Kalkulationsbuch, Nr. 3970: Ausschnitt zu Berlioz, Nummer 3  © gemeinfrei

    Der erste Druck eines Klavierauszugs von Hector Berlioz' op. 7 Die Sommernächte erfolgte im Juli 1856 mit einer Auflage von 150 Exemplaren. Aufgeführt sind u. a. die Kosten für die Zinnplatten (die 1928 eingeschmolzen wurden), den Drucklohn, Korrekturen, Honorar und Papier. Der Notenstich erfolgte bei C. G. Röder. Zwischen 1868 und 1886 folgten acht Nachdrucke in Auflagen zwischen 30 und 100 Exemplaren. Die Angaben auf Seite 2 des Kalkulationsbuchs wurden fortgesetzt auf den Seiten 620 (für den 9. bis 27. Nachdruck des Klavierauszugs in den Jahren 1887 bis 1895) und später Seite 691 (für den 28. bis 67. Nachdruck in den Jahren 1895 bis 1917). Die Auflagenhöhe schwankte zwischen 25 und 200 Stück, sie lässt sich mittels des Geschäftsbuches über einen Zeitraum von über sechzig Jahren nachvollziehen.

    Zahlreiche weitere Informationen sind in den Büchern zu finden. Als Beispiel seien die Angaben zur Verlagsnummer 861, einem Werk von Edvard Grieg, genannt. Vermerkt ist u. a. "Für England abgetreten an Augener & Cie London für 75 Mark [...].[28] Intensiv einbezogen wurden die Informationen aus den Kalkulationsbüchern in die Einleitung und den kritischen Bericht der neuen Ausgabe von Brahms: Ein deutsches Requiem.[29]

     

    Heinrichshofen's Verlag, Magdeburg

    Bei dem von Wilhelm Heinrichshofen in Magdeburg gegründeten Verlag erschienen in den 1820er Jahren erstmals Notendrucke. 1840 übernahm sein Sohn Theodor Heinrichshofen den Verlag und führte ihn bis 1884. Er verlagerte den Schwerpunkt des Geschäftes auf die Musik. 1884 gingen der Verlag sowie die Buch- und Musikalienhandlung im Magdeburg an Theodors Sohn Adalbert Heinrichshofen über. Unter seiner Leitung übernahm das Unternehmen mehrere Verlage, u. a. den M. Bahn Verlag (Berlin, M. Bahn hatte 1890 die T. Trautwein'sche Buch- und Musikalienhandlung übernommen), Luckhardt's Verlag (Stuttgart), Albert Rathke (Magdeburg) sowie Max Schimmel (Berlin). Nachdem das Magdeburger Stammhaus im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden war, siedelte das Unternehmen im April 1946 nach Leipzig über. Mit dem Wegzug des Eigentümers nach Wilhelmshaven 1948 endete die Leipziger Verlagstätigkeit. Das Archivgut, fast ausschließlich Notendrucke, wurde 1971 an das StA-L abgegeben.

    Bei der Erschließung des Bestandes im Jahr 2012 erfolgte die Verzeichnung der Einheiten in der Reihenfolge der bei einer früheren groben Erfassung im Archiv vergebenen laufenden Signaturen. Erst unter der Signatur 115 wurde unter anderem ein – im alten Findmittel nicht aufgeführtes – Plattenbuch ermittelt, das für einen Zeitraum von gut sechzig Jahren (1879 bis 1941) genaueren Aufschluss über die zeitliche Einordnung der Musikalien anhand der Plattennummern bietet (jetzt Nr. 115/1).[30] Unter der Selbstbezeichnung Plattenbuch des Heinrichshofen'schen Verlages enthält es vor allem ein Verzeichnis der Verlagsnummern 1 bis 13.840 mit Angaben zum Namen des Komponisten, opus-Nummer, Kurztitel des Werkes und angewandter Drucktechnik (Bl. 1-275). Die dadurch mögliche Präzisierung der Datierung von ab 1879 erschienenen Drucken konnte im Rahmen des Erschließungsprojektes nicht mehr nachträglich umgesetzt werden. Anhaltspunkte bietet aber eine online zugängliche Übersicht, die angibt, welche Plattennummern in welchen Jahren erstmals genutzt wurden.[31]

     
    Blatt Papier mit handschriftlichen Einträgen in Tabellenform
    Abbildung 5: Ausschnitt u. a. zu Weide und Egger-Rieser, Nummern 3791 und 3792  © gemeinfrei

    Das Plattenbuch enthält auch zahlreiche andere Eintragungen, die Informationen über die Zusammenarbeit mit der Leipziger Notenstecherei C. G. Röder und Verbindungen mit anderen Musikverlagen bieten, darunter: Verzeichnis Lager von gestochenen Platten bei C. G. Röder, Lg., 1912-1920; Verzeichnisse Lager von gestochenen Platten bei H. Stürtz AG, Würzburg, 1913-1919, Lager von gestochenen Platten bei Mandruck, München, 1917/18; Verzeichnisse von Platten bei Moritz Dreissig, Hamburg, 1884-1881, Dr. Rokotnitz GmbH Berlin, 1923, R. von Waldheim-Eberle & Co. in Wien, o. D., Breitkopf & Härtel, Leipzig, 1911, F. W. Garbrecht Nachfolger, Oscar Brandstetter in Leipzig, 1871-1920, F. M. Geidel, Leipzig, 1885-1912, E. v. C. Paris, Berlin (seit 1909: Berliner Musikaliendruckerei), 1901, H. Litolff's Verlag, Braunschweig, 1876-1896, Max Müller, Leipzig, 1891/92, Tetzner & Zimmer, Chemnitz, 1893 sowie ein Verzeichnis C. G. Röder in Leipzig erhielt von Heinrichshofen's Verlag nachstehende Platten, 1880-1912.[32]

     

    Fr. Kistner

    Carl Friedrich Kistner übernahm 1831 eine 1823 von Heinrich Albert Probst gegründete Musikalien-Verlagshandlung und führte die Firma (seit 1836 unter seinem eigenen Namen) fort. Sie blieb in der Familie, bis sie 1919 an die Brüder Carl und Richard Linnemann verkauft wurde; 1923 fusionierte sie mit C. F. W. Siegel. Auch hier existiert eine Serie von Geschäftsbüchern, die allerdings erst geschlossen um etwa 1900 angelegt wurde und in der früher erschienene Werke nur retrospektiv erfasst worden sind. Die Bände enthalten Angaben vermutlich zum Absatz der Werke, zudem Bemerkungen (v. a. Stempel "Eingeschmolzen" oder "Vergriffen").

    Nr.

    Titel

    Datierung

    7

    Verlagsbuch zu Werken von H. A. Probst–Fr. Kistner, Verlagsnummern 1–2200

    um 1900–1939

    8

    Verlagsbuch zu Werken von Fr. Kistner, Verlagsnr. 2201–4200

    um 1900–1939

    9

    Verlagsbuch zu Werken von Fr. Kistner, Verlagsnr. 4201–6200

    um 1900–1939

    10

    Verlagsbuch zu Werken von Fr. Kistner, Verlagsnr. 6201–8200

    um 1900–1939

    11

    Verlagsbuch zu Werken von Fr. Kistner, Verlagsnr. 8201–10200

    um 1900–1939

    12

    Verlagsbuch zu Werken von Fr. Kistner, Verlagsnr. 10201–10924

    1908–1943

     

    Tabelle 5: Geschäftsbücher zu Werken von H. A. Probst und Fr. Kistner im Bestand 22418 Fr. Kistner & C. F. W. Siegel, Musikverlag und Sortiment (Auszug)

    Zur Kistner Edition, Verlagsnummern 1 bis 115, wurde zwischen 1892 und 1937 ein weiteres Verlagsbuch geführt, das ebenfalls Angaben zu Nachauflagen und Absatz sowie Bemerkungen enthält (Nr. 13).

     

    Ausblick

    Die Geschäftsbücher von Leipziger Musikverlagen sind Wissensspeicher. Im Staatsarchiv wurden und werden sie archiviert, d. h. sachgerecht gelagert, verzeichnet und der Forschung – zunehmend auch digital online – zur Verfügung gestellt. Die Verleger, die diese Bücher führten, haben die Musikgeschichte im 19. Jahrhundert maßgeblich mit geprägt und reagierten zugleich auf Veränderungen im Musikgeschmack ihrer Zeit. Die Bücher ermöglichen Detailforschungen zu einzelnen Werken ebenso wie umfassende Untersuchungen zu Verlagsprogrammen. Zweifellos wird es zum musikwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn beitragen, wenn diese Quellen genutzt werden.[33] Das vorliegende Themenheft der Tonkunst ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, das Themenfeld Musikverlage in den Fokus der Forschung zu rücken. Die Verfasserin ist zuversichtlich, dass weitere folgen werden.

    [1] Evelyn Buyken, Marie Louise Herzfeld-Schild, Melanie Unseld: Speicher musikalischen Wissens: Konzepte zwischen Wissenschaft und Praxis. Eine Einleitung, in: Die Tonkunst. Magazin für klassische Musik und Musikwissenschaft, 13 (2019), Heft 2, S. 147–155, hier S. 152.

    [2] Zu diesen beiden Typen sei – immer noch – auf das folgende Standardwerk verwiesen: Erich Neuss: Aktenkunde der Wirtschaft, Teil I: Kapitalistische Wirtschaft, Berlin 1953.

    [3] Diese Darstellung ist idealtypisch. Im konkreten Einzelfall konnte das Verfahren auch abweichend sein. Anschaulich zur Datierungsproblematik: Burkard Rosenberger: Nachweis und Datierung historischer Musikdrucke : Präsentation zum Vortrag auf dem ZBIW-Seminar „Katalogisierung alter Drucke“ am 18. April 2016 in Paderborn, https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:6-41299724844, letzter Zugriff am 21. Juli 2019.

    [4] Beispiele sind Hans Rheinfurth: Musikverlag Friedrich Hofmeister Leipzig: Bemerkungen zur frühen Verlagstätigkeit. Mit einem Anhang zu den Ouverturen-Editionen, in: Das Leipziger Musikverlagswesen : innerstädtische Netzwerke und internationale Ausstrahlung, hg. von Stefan Keym und Peter Schmitz, Hildesheim 2016, S. 211-269 und Axel Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, der im Anhang Kurzbeschreibungen von Geschäftsbüchern mehrerer Musikverlage bietet.

    [5] Zu Schott: https://www.digitale-sammlungen.de/index.html?projekt=1496142429, zu Ricordi: https://www.digitalarchivioricordi.com/en/catalogo#, letzter Zugriff jeweils am 21. Juli 2019.

    [6] Wenn das Geschäftsbuch bereits digitalisiert wurde und die Digitalisate online zugänglich sind, wird im Folgenden in den Fußnoten jeweils darauf hingewiesen.

    [7] Alle Bestände sind im Archivinformationssystem des StA online angezeigt. Die einzelnen Bestände werden durch eine fünfstellige Signatur und den Bestandsnamen identifiziert. Die einzelnen Verzeichnungseinheiten (z. B. Akten, Geschäftsbücher oder Musikalien) innerhalb eines Bestandes erhalten mit Nr. 1 beginnend eine laufende Nummer (= Archivaliensignatur).

    [8] Im Bestand 21081 Breitkopf & Härtel, Leipzig befindet sich leider keine entsprechende Überlieferung. Zu nennen sind hier lediglich wenige aufschlussreiche Übersichten in den Nr. 6465/1 und 6465/2. Die Online-Stellung ist in Vorbereitung.

    [9] Umfassender dazu: Thekla Kluttig: Nur Briefe berühmter Komponisten? Archivgut von Leipziger Musikverlagen als Quelle für die Musikwissenschaften, in: Die Musikforschung, 66 (2013), Heft 4, S. 391-407.

    [10] Ergänzend sind die Plattenverzeichnisse übernommener Verlage in Nr. 4611 zu betrachten.

    [11] Nähere Beschreibungen sind im Online-Archivinformationssystem des StA zu finden.

    [12] StA-L, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 5156, Digitalisat online. Zur frühen Phase des Verlags in Vorbereitung: Axel Beer: Geschichte und Verlagsproduktion des Leipziger Bureau de Musique von Franz Anton Hoffmeister und Ambrosius Kühnel (1800 bis 1814), Kassel [im Druck].

    [13] Das Werk unter der PN 2688 erschien 1838.

    [14] StA-L, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 5157, Digitalisat online.

    [15] Datierung aufgrund StA-L, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 75f., Transkription online unter http://www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1820012020, letzter Aufruf am 21. Juli 2019.

    [16] Die Verf. dankt Axel Beer, Mainz, für die Auskünfte zu PN 2075. Das Plattenbuch Nr. 5223 weist aus, dass die Klavierstimme 1876 neu gestochen wurde.

    [17] Bei C. F. Peters wurde die Plattennummer auch als Verlagsnummer bezeichnet, parallel dazu wurde eine EP-Nummer als Bestellnummer geführt. Das Buch enthält auch Verzeichnisse der bei der Leipziger Notenstecherei C. G. Röder lagernden Platten der Verlage Körner und Gustav Heinze.

    [18] StA-L, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 5222, Digitalisat online.

    [19] Projekttitel: Geschmacksbildung und Verlagspolitik. Repertoireentwicklung und Kanonisierung im Spiegel der Absatzdaten Leipziger Musikverlage (ca. 1830–1930).

    [20] StA-L, 21072 Friedrich Hofmeister, Leipzig, Nr. 43, Digitalisate online. Das Verzeichnis enthält auch Hinweise auf die Anzahl der Notenplatten und ihre Herstellungsweise sowie den Zeitpunkt der Einschmelzung. Eingebunden in den Band ist zudem ein "Calculationsbuch" [Kalkulation der Herstellungskosten] für die Nr. 1601-1897 (S. 1-41), Fortsetzung für die Nr. 2381-3569 im Anschluss an das Verlagsverzeichnis.

    [21] Rheinfurth, Musikverlag Friedrich Hofmeister Leipzig (wie Anm. 4), hier S. 212-215.

    [22] Mehrere Musikverlagsbestände im StA-L wurden nach 1990 an die Alt-Eigentümer rückübertragen und befinden sich aufgrund von Depositalverträgen im Archiv.

    [23] Der Musikverlag Kistner & Siegel entstand 1923 durch den Zusammenschluss der Firmen Fr. Kistner (siehe unten) und C. F. W. Siegels Musikalienhandlung (R. Linnemann). Das Geschäftsarchiv galt als zerstört. Tatsächlich befanden sich aber wichtige Unterlagen (neben den Geschäftsbüchern auch Verträge und Notendrucke) bis zum Jahr 2011 im 1918 gebauten Haus des damaligen Verlegers Richard Linnemann in der Leipziger Springerstraße.

    [24] Hauptpunkt 15 (Stand August 2019), online unter https://archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?oid=09.22&bestandid=21070&syg_id=241855#gliederung.

    [25] Dieses Geschäftsbuch enthält Angaben in den Spalten Verlagsnummer, Werke [Komponist / Werktitel], Honorare [an den Autor?], Wert der Platten, Kosten des Stiches, Wert der Steine, Kosten der Lithographien in der Reihenfolge der Verlagsnummern (Nr. 1–2925) (angelegt von 1856 bis 1910) sowie Inventurlisten über Plattenanzahl und -wert der bei C. G. Röder und Breitkopf & Härtel lagernden Platten, ab 1911.

    [26] Dies gilt auch für den zweiten Band, das lässt zumindest ein Aufkleber der Buchbinderei J. Westfehling / Winterthur im Einband vermuten. Zu den drei Kalkulationsbücher sind Digitalisate online zugänglich.

    [27] StA-L, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 3970, Seite 2, Digitalisat online.

    [28] StA-L, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 3971, Seite 5, Digitalisat online.

    [29] Johannes Brahms. Neue Ausgabe sämtlicher Werke, hg. vom Musikwissenschaftlichen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in Verbindung mit der Johannes Brahms Gesamtausgabe e. V. und der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Serie V, Band 2: Ein deutsches Requiem, hg. von Michael Musgrave und Michael Struck, München, Druck in Vorbereitung [2020].

    [30] StA-L, 21073 Heinrichshofen's Verlag, Magdeburg, Nr. 115/1, Digitalisat online.

    [31] Die Übersicht ist Teil der Einleitung zum Bestand und kann im Archivinformationssystem des Sächsischen Staatsarchivs eingesehen werden.

    [32] Alle im Plattenbuch enthaltenen Verzeichnisse sind im Verzeichnungsdatensatz im Archivinformationssystem des Sächsischen Staatsarchivs ausgewiesen.

    [33] Prägnant dazu: Axel Beer: Verlagsforschung in Leipzig – Desiderate und Perspektiven, in: Das Leipziger Musikverlagswesen (wie Anm. 4), S. 449-454.

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