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Orts- und Heimatgeschichte

Hinweise für ortsgeschichtliche Forschungen im Sächsischen Staatsarchiv

Ersterwähnung von Löbtau in einer Urkunde König Heinrichs IV. für das Domkapitel Meißen vom 28. Oktober 1068 (SächsStA-D, 12856 Domkapitel Meißen (D), Nr. 5) 

Vor einer Archivbenutzung zu einem ortsgeschichtlichen Thema sollte man grundsätzlich prüfen, ob zum entsprechenden Thema bereits Literatur vorliegt oder Quelleneditionen vorhanden sind. Für Orte in Sachsen bietet dazu die von der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) geführte Sächsische Bibliographie einen guten Einstieg (zur Sächsischen Bibliographie).

Wesentliche Grunddaten z. B. zur Verwaltungszugehörigkeit und zu historischen Besitzverhältnissen sind für alle heute zu Sachsen gehörige Orte in folgender Publikation enthalten:

Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen. Neuausgabe, bearb. v. Susanne Baudisch und Karlheinz Blaschke, Leipzig 2006.

Das Historische Ortsverzeichnis von Sachsen ist daneben auch online über das Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde verfügbar (zum Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen).

Nach dem Studium der einschlägigen Literatur sollte man überlegen, welches Archiv für Quellen zum bearbeiteten Thema in Betracht kommt. Dabei kommen neben Beständen des Sächsischen Staatsarchivs oftmals auch solche aus Kommunal- und Kirchenarchiven in Frage. Für Orte in Grenzgebieten und Orte, die nur zeitweilig zu Sachsen gehörten, kommen daneben auch die Staatsarchive der Sachsen benachbarten Bundesländer sowie Polens und Tschechiens in Betracht.

Archivbestände sind heute im Normalfall nach dem Provenienzprinzip abgelegt. Ausschlaggebend für die Zuordnung von Archivgut zu einem Bestand ist demnach dessen Herkunft von einer bestimmten Behörde. Bei der Suche nach bestimmten Sachverhalten sollte daher beachtet werden, welche Behörde örtlich und inhaltlich für dessen Bearbeitung zuständig war. Erste Orientierungen dazu bietet oftmals das bereits erwähnte »Historische Ortsverzeichnis von Sachsen«. Eine Stichwortsuche über alle Bestände in der Beständeübersicht des Sächsischen Staatsarchivs sollte durch eine systematische Suche nach der Verwaltungsstruktur ergänzt werden (zur Beständeübersicht). Dabei sollte beachtet werden, dass Behörden der unteren und mittleren Ebene wie beispielsweise Ämter, Amtshauptmannschaften und Kreishauptmannschaften ortsgeschichtlich oftmals ergiebiger als Zentralbehörden sind.

Es sollte allerdings auch beachtet werden, dass es neben nach ihrer Provenienz abgelegten Beständen in Archiven in geringerem Umfang auch Sammlungen gibt. Ortsgeschichtlich relevant sind beispielsweise Karten- und Siegelsammlungen.

In der Abteilung Hauptstaatsarchiv Dresden des Sächsischen Staatsarchivs wird neben der regionalen und lokalen Überlieferung des Dresdener Raumes auch die Überlieferung der Sächsischen Zentralbehörden verwahrt. Deshalb befindet sich hier ortsgeschichtlich relevantes Material für Orte in ganz Sachsen. Für die Zeit vor der 1815 auf dem Wiener Kongress beschlossenen Teilung Sachsens sind hier auch zahlreiche Archivalien zu heute in Sachsen-Anhalt und Thüringen gelegenen Orten überliefert. Die regionale und lokale Überlieferung für die anderen Teile Sachsens ist in den Abteilungen Chemnitz und Leipzig des Sächsischen Staatsarchivs sowie im Staatsfilialarchiv Bautzen innerhalb des Archivverbunds Bautzen zu suchen. Bestände zu auch ortsgeschichtlich interessanten Spezialthemen befinden sich mit den Archivalien der ehemaligen Deutschen Zentralstelle für Genealogie im Staatsarchiv Leipzig sowie der sächsischen Bergbauverwaltung im Bergarchiv Freiberg.

Für ortsgeschichtliche Forschungen größeren Umfangs ist eine Direktbenutzung in den Abteilungen des Sächsischen Staatsarchivs meist unabdingbar. Schriftliche Auskünfte des Sächsischen Staatsarchivs können im Regelfall nur zu einer solchen Direktbenutzung hinführen, indem sie die entsprechende Quellenlage beschreiben. Falls nur relativ wenige Dokumente benötigt werden, deren Signatur und Umfang dem Anfrager bereits bekannt sind, ist auch eine Bestellung von Reproduktionen möglich. Von der Bestellung von Reproduktionen kompletter Akten ohne vorherige Recherche zu deren Umfang und genauem Inhalt im Rahmen einer Direktbenutzung raten wir dagegen ab. Solche Bestellungen können sowohl bezüglich ihres Inhalts als auch bezüglich der entstehenden Gebühren erheblich von den Erwartungen des Bestellers abweichen. Falls eine eigene Direktbenutzung nicht möglich ist, kann damit auch ein Recherchedienstleister beauftragt werden (zur Übersicht über Recherchedienstleister).

Von besonderem ortsgeschichtlichem Interesse ist der Zeitpunkt der Gründung bzw. der Ersterwähnung eines Ortes. Daraus wird oftmals der Zeitpunkt für Ortsjubiläen festgelegt. Genaue Gründungsdaten sind nur für relativ wenige Orte bekannt. Dies sind meist relativ späte Gründungen wie die um 1500 in der zweiten Blütezeit des erzgebirgischen Bergbaus gegründeten neuen Bergstädte und die im 17. Jahrhundert entstandenen neuen Siedlungen der böhmischen Exulanten in Sachsen. Für die weitaus meisten Orte in Sachsen gibt es keine schriftliche Überlieferung zur Ortsgründung. Als Grundlage für Ortsjubiläen dient in diesen Fällen meist die nach gegenwärtigem Kenntnisstand erste Erwähnung eines Ortes. Solche Erwähnungen, die meist in Urkunden überliefert sind und oftmals einen eher zufälligen und beiläufigen Charakter haben, sind nicht selten erst relativ lange nach der Gründung eines Ortes belegt. Beispielsweise können Orte, bei denen archäologische, siedlungsgeschichtliche und sprachwissenschaftliche Gründe eindeutig für eine Entstehung in der Zeit des hochmittelalterlichen Landesausbaus von etwa 1150 bis 1250 sprechen, durchaus erst im 14. oder 15. Jahrhundert schriftlich nachweisbar sein. Für schon erheblich früher entstandene Orte slawischen Ursprungs kann diese Diskrepanz noch erheblich größer sein. Ursachen dafür sind die noch relativ geringe Schriftlichkeit innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft sowie inzwischen eingetretene Überlieferungsverluste.

Ein großer Teil der in Betracht kommenden Urkunden ist im Codex diplomaticus Saxoniae, dem mehrbändigen Urkundenbuch für Sachsen, ediert (zur Website Codex diplomaticus Saxoniae). Die meisten Bände dieses Urkundenwerks sind inzwischen beim Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde online abrufbar.

Für die Frühgeschichte eines Ortes können archäologische Funde von wesentlicher Bedeutung sein, die zeitlich weit vor der ersten schriftlichen Erwähnung liegen können. Für Auskünfte über möglicherweise für den entsprechenden Ort dokumentierte archäologische Grabungen bzw. Funde verweisen wir auf das Landesamt für Archäologie (zum Landesamt für Archäologie).

Gründungs- bzw. Ersterwähnungsdaten nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung sind im oben erwähnten »Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen« enthalten. Parallel dazu sollte wegen der dort enthaltenen Quellenangaben auch folgende Publikation herangezogen werden, die gleichzeitig eine moderne Deutung der Ortsnamen enthält:

Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hrsg. v. Ernst Eichler und Hans Walther (Quellen und Forschungen zu Sächsischen Geschichte, Bd. 21), Berlin 2001.

Eine sehr aussagekräftige Quellengruppe für ortsgeschichtliche, aber auch siedlungs- und sozialgeschichtliche sowie genealogische Forschungen bilden die Gerichtsbücher. Diese vom 15. Jh. bis Mitte des 19. Jahrhunderts bei den lokalen Gerichten geführten Bücher enthalten Handlungen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, v. a. Grundstückskäufe und -verpfändungen, aber auch Nachlass- und Vormundschaftsangelegenheiten. Die im Sächsischen Staatsarchiv und in neun sächsischen Stadtarchiven verwahrten Gerichtsbücher (rund 25.800) sind online recherchierbar (zur Website Sächsische Gerichtsbücher).

Abschließend soll die konkrete Herangehensweise bei der Suche nach archivalischen Quellen anhand einiger Beispiele erläutert werden:

Deutschneudorf

Für die Exulantengründung des 17. Jahrhunderts im Erzgebirge gibt es bezüglich der Behörden der unteren und mittleren Ebene je nach deren Verwaltungssitzen gewisse Überschneidungen bezüglich der Zuständigkeiten des Staatsarchivs Chemnitz und des Hauptstaatsarchiv Dresden. Für die Zentralbehörden ist das Hauptstaatsarchiv Dresden zuständig. Reichhaltige Quellen zum historischen Bergbau um Deutschneudorf gibt es im Bergarchiv Freiberg.

Kötzschau

Der heutige Ortsteil der Stadt Leuna in Sachsen-Anhalt gehörte bis zu seiner Abtretung an Preußen 1815 zum Amt Lützen des unter kursächsischer Administration stehenden Hochstifts Merseburg. Der Ort war in der frühen Neuzeit durch ein Salzwerk geprägt. Die Überlieferung der zentralen Ebene bis 1815 befindet sich im Hauptstaatsarchiv Dresden. Für die lokale und regionale Ebene sowie für die Zeit nach 1815 ist dagegen das Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt heranzuziehen. Für ergänzende Überlieferungen insbesondere kirchengeschichtlicher Natur wäre auch das Domstiftsarchiv Merseburg zu prüfen.

Löbtau

Für den 1903 nach Dresden eingemeindeten Ort befindet sich die archivalische Überlieferung staatlicher Provenienz für alle Ebenen im Hauptstaatsarchiv Dresden. Die Gemeindeüberlieferung ist dagegen im Zusammenhang mit der Eingemeindung ins Stadtarchiv Dresden gelangt.

Trebsen

Archivalien der unteren und mittleren Verwaltungsebene sowie zum Rittergut sind im Staatsarchiv Leipzig überliefert, solche der zentralen Ebene im Hauptstaatsarchiv Dresden. Da die damals zum Amt Grimma gehörige Kleinstadt mit diesem Amt bis zum Ende des Schmalkaldischen Krieges 1547 zum ernestinischen Kurfürstentum Sachsen gehörte, sollten hier auch die Bestände des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar auf einschlägige Überlieferungen geprüft werden.

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